Oberhausen. In Oberhausen stehen immer wieder Kinder im Fokus der Polizei. Strafmündig sind sie nicht. Wenn Eltern nicht mitziehen, gibt es Konsequenzen.
Sie stehlen, bedrohen Geschäftsleute und Passanten, brechen gleich reihenweise in Schulen ein und werden gewalttätig – manchmal mit furchtbaren Folgen. Kriminelle Kinder und Jugendliche sind in Oberhausen ein Problem. Das zeigen auch die letzten Vorfälle in unserer Stadt. Wie reagieren die Verantwortlichen?
Die Kriminalstatistik für 2023 listet 1904 junge Menschen unter 21 Jahren auf und damit 65 Tatverdächte mehr als ein Jahr zuvor. 640 davon haben keine deutsche Staatsangehörigkeit. Schockiert haben in Oberhausen besonders die tödliche Messerattacke auf zwei junge Ukrainer am Stoag-Busbahnhof und die unter Ladeninhabern Angst verbreitende Jugendgang 46. Und jetzt auch noch dies: Nach dem Einbruch in die Falkensteinschule schnappte die Polizei drei Verdächtige – Kinder zwischen zwölf und 13 Jahren. Schon seit Wochen hält eine Einbruchsserie in Schulen die Stadt auf Trab. Dank aufmerksamer Zeugen konnte die Polizei gerade erst zwischen dem 29. Juni und 1. Juli wieder weitere Kinder und Jugendliche schnappen, die ebenfalls in Schulen eingebrochen waren oder gerade einbrechen wollten.
Was aber passiert jetzt mit diesen großteils sogar noch strafunmündigen Kindern, wollen wir von den Verantwortlichen der Stadt Oberhausen wissen. „Zunächst werden die Eltern in die Verantwortung genommen, indem sie ergänzende erzieherische Hilfsangebote vom Jugendamt erhalten“, heißt es dazu von Stadtsprecher Frank Helling. Stoßen die Angebote der Jugendhilfe bei den betroffenen Familien auf taube Ohren, könnte das Familiengericht eingeschaltet werden. Dabei geht es auch um Sorgerechtsentscheidungen sowie eine stationäre Unterbringung der Kinder, „auch außerhalb von Oberhausen“.
Zeigen die Eltern keine Einsicht, schaltet die Jugendhilfe das Familiengericht ein
Generell gilt: Stellt das Jugendamt fest, dass Kinder Straftaten begehen, greifen Maßnahmen wie Beratungen, Hausbesuche, Einleitungen von Hilfen. In allen Einzelfällen seien die zuständigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Kontakt mit den Familien. Funktioniere diese Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Familien und der Jugendhilfe, stünden die Chancen gut, dass sich etwas ändert. Herrscht jedoch nur wenig Einsicht und die Einstellung, dass doch eigentlich andere Schuld an dem Verhalten der Kinder seien, „hilft häufig nur das Einschalten des Familiengerichts“.
Und wie geht es dann mit den betroffenen Familien weiter? „Sowohl die Familien als auch die jeweiligen Kinder haben oder erhalten Maßnahmen wie Tagesgruppen, sozialpädagogische Familienhilfen und Erziehungsbeistände.“ Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bemühten sich um das Vertrauen der sorgeberechtigten Eltern, denn sie sind der Schlüssel zum Erfolg. Doch nicht immer gelingt, die Familien mit ins Boot zu holen. Deshalb liefen in einigen Fällen bereits familienrechtliche Verfahren. „Familiengerichtliche Maßnahmen kommen aber eben auch erst in Frage, wenn die kriminellen Kinder oder Jugendlichen mindestens einmal erwischt worden sind.“
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Fazit: Ob sich etwas ändert oder nicht, hängt im Wesentlichen von der Problemeinsicht und dem Umgang der sorgeberechtigten Eltern mit dem Verhalten der Kinder ab. Sozialpädagogische Gruppenangebote, erlebnispädagogische Maßnahmen, soziale Trainingskurse, therapeutische Angebote sowie schulische und berufliche Förderungsmaßnahmen können beim Ausstieg aus der kriminellen Spirale nur unterstützen. Der Aufwand gerade bei Wiederholungstätern ist groß.
Einzelfälle werden von den Experten der Jugendhilfe in Fallkonferenzen auch mit der Polizei und Staatsanwaltschaft besprochen. Dabei geht es auch darum, herauszufinden, was möglichst wohnortnah für die Kinder getan werden kann. Wo gibt es etwa Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit, in die sie integriert werden könnten? Oder ist eventuell eine Anbindung an Projekte wie „Kurve kriegen“ sinnvoller? „Kurve kriegen“ wird von der Polizei Oberhausen und der Stadt Oberhausen durchgeführt. Pädagogische Fachkräfte sind ins Team der Polizei eingebunden und arbeiten zielgerichtet an den Ursachen der Kriminalität, um zu verhindern, dass die Kids immer weiter abrutschen.
Polizei Oberhausen arbeitet mit Pädagogen an den Ursachen der Kriminalität
In Oberhausen haben seit 2016 insgesamt 68 Jugendliche daran teilgenommen. 13 sind noch aktiv dabei. Das Durchschnittsalter beim ersten Kontakt mit dem Projekt liegt bei 13 Jahren. Nach Angaben der Polizei haben von 55 ehemaligen Teilnehmern 29 die Initiative erfolgreich abgeschlossen. Sie sind bis heute straffrei geblieben.
Die vier bereits strafmündigen jugendlichen Täter (14 bis 15 Jahre), die die beiden Ukrainer (17 und 18 Jahre) am 10. Februar 2024 mit Messerstichen am Willy-Brandt-Platz so schwer verletzt hatten, dass beide verstarben, kamen wegen mutmaßlichen zweifachen Mordes in Untersuchungshaft. Zwei von ihnen hatten im Vorfeld das Angebot erhalten, an dem Programm „Kurve kriegen“ teilzunehmen. Doch die beiden bzw. deren Sorgeberechtigte hatten eine Teilnahme ausdrücklich abgelehnt.
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