Oberhausen. Noch ist der Anteil von Ukrainern gering, die eine Stelle haben. Das soll sich ändern - dabei bewerben sich Arbeitgeber bei den Flüchtlingen.
Nur etwa jede(r) fünfte Ukrainerin oder Ukrainer, die vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet sind, hat bislang eine Arbeit gefunden; die übrigen beziehen Bürgergeld. Diese Quote steht in der Kritik und das schon seit Monaten. Das Jobcenter hat im Schulterschluss mit der Arbeitsagentur inzwischen den „Jobturbo“ gezündet, wie es heißt, und will den Anteil der berufstätigen Flüchtlinge deutlich erhöhen. Was aber läuft inzwischen anders? Ein Ortstermin im Restaurant der Oberhausener L‘Osteria.
Ukrainerin möchte unbedingt wieder arbeiten - in der Gastronomie
Tatjana (31) ist mit ihrer Tochter Daria (5) der Einladung von Jobcenter und Arbeitsagentur zum Branchen-Marktplatz gefolgt. Gemeint sind damit Termine, bei denen Firmen den Geflüchteten das Unternehmen vorstellen und gern im Anschluss schon erste Gespräche über eine mögliche Beschäftigung führen. In diesem Fall ist es also die L’Osteria, die sich vorstellt, die Gastrobranche sucht bekanntlich händeringend Personal. Nach einem Rundgang und Pizza für alle nutzt Tatjana wie auch die übrigen etwa 15 Landsleute die Gelegenheit, um mit leitendem Personal eine mögliche Tätigkeit auszuloten.
Daheim in der Ukraine hat die junge Frau auf dem Bau als Anstreicherin ihr Geld verdient, erzählt sie. Auch wenn sie keine Erfahrung aus der Gastronomie mitbringe, könne sie sich einen Job im Restaurant ganz gut vorstellen, durchaus auch in der Küche. Wenn sie über sich spricht, zeigt die Ukrainerin, dass sie die deutsche Sprache schon ganz gut beherrscht. „Für eine ganze Reihe von Tätigkeiten können wir Mitarbeitende durchaus anlernen“, erklärt Michelle Meissner, in der Restaurantkette für Personal zuständig, der Redaktion. Aber auch in der Küche ist für die Verständigung ein mittleres Sprachniveau notwendig, das aber Tatjana durchaus mitbringe.

Deutschkurse jetzt flexibel: Sprache auch in den Abendstunden lernen
Wenn Ukrainerinnen und Ukrainer aber noch einen oder vielleicht auch einen zweiten Deutschkurs benötigen, herrscht inzwischen viel mehr Flexibilität. Lange Zeit war es üblich, dass erst die Kurse absolviert sein müssen, bevor ein Job angetreten werden kann. Mittlerweile gibt es immer mehr Modelle, die darauf ausgelegt sind, auch außerhalb der Arbeitszeiten oder nach Feierabend an solchen Angeboten teilnehmen zu können. Zudem habe sich gezeigt, erläutert Gabriele Sowa, operative Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, dass der Spracherwerb oftmals deutlich besser funktioniere, wenn sich die Ukrainer mit Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz unterhielten.
Auch im Fall einer weiteren Hürde erlebe man eine etwas veränderte Herangehensweise. Um Beschäftigte überhaupt einstellen zu können, bedarf es in einigen Berufen festgelegter Qualifikationen und Berufsabschlüsse, in der Medizin beispielsweise oder für eine Ingenieurtätigkeit. Mitunter dauert es dann Monate oder Jahre bis Abschlüsse aus der Ukraine hierzulande anerkannt werden, wenn überhaupt.
Probearbeiten schon gleich beim Besuch vereinbart
Arbeitgeber versuchen daher, wenn in Branchen nicht ganz so strenge Berufsvoraussetzungen gelten, Interessenten aus der Ukraine von sich aus an die Aufgaben heranzuführen. Mitarbeiter werden dazu entsprechend eingebunden, begleiten die neu Eingestellten. Um zu testen, ob ein solches Vorgehen im Einzelfall auch wirklich eine Chance haben kann, fragt die Vertreterin der L’Osteria die Interessenten, ob sie nicht mal zum Probearbeiten vorbeikommen möchten. Am Ende des Termins vereinbart man mit Tatjana, noch einmal zu telefonieren. Ein junger Ukrainer wiederum hat gleich Datum und Uhrzeit festgemacht.

Dass es überhaupt einen solchen Branchen-Marktplatz gibt, ist letztlich auch dem Bemühen geschuldet, die Beschäftigtenzahl zu erhöhen. Etwa einmal im Monat stellen heimische Firmen mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter solche Treffen auf die Beine. Beteiligt haben sich beispielsweise schon die Spedition Joachim Schultz, die Kita Löwenzahn, die Kranfirma A. Ick, die SfS Schulungsgesellschaft und Siemens Energy in Mülheim und Duisburg.
Fehlende Kita-Plätze sind ein Hindernis
Weitere Angebote sind in Planung. Firmenvertreter gehen dann jeweils auf wichtige Eckdaten des Unternehmens ein, bevor die gesuchten Berufe zur Sprache kommen. Das Jobcenter hat im Vorfeld auf den Termin hingewiesen, aber auch gezielt Ukrainer angesprochen, von denen man weiß, dass sie sich eine Tätigkeit wohl vorstellen könnten.

Tatjana möchte nun im Gespräch genauer wissen, wie es sich mit den Arbeitszeiten verhält und ob auch eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht kommen könnte. Als Restaurant starte man erst am späten Vormittag, erhält sie als Antwort, aber es müsse keineswegs eine Vollzeitstelle sein. Die junge Mutter denkt natürlich an ihr Kind, das keinen Kita-Platz hat. Aber während der Arbeitszeiten könnte Tatjanas Schwester die Tochter nehmen, sie arbeitet in Teilzeit als Friseurin. Die Ukrainerin ist zuversichtlich, dass alles klappt.
Man höre häufiger, dass die Mütter entweder innerhalb der Familie nach Lösungen suchen oder sich Netzwerke bilden, um eine Betreuung während der Arbeit zu bewerkstelligen, sagt Valeska Hurraß, neue Chefin des Oberhausener Jobcenters. Allerdings gehört wohl auch zur Wahrheit dazu, dass fehlende Betreuungsplätze für viele Frauen ein Hindernis auf dem Weg in den Arbeitsmarkt darstellen. Ein Problem, mit dem bekanntlich nicht nur Geflüchtete kämpfen.
Restaurant vereinbart mit der Hälfte der Frauen weiteren Kontakt
In der L’Osteria führen nach und nach die weiteren jungen Ukrainerinnen Gespräche mit Vertretern des Restaurants, darunter eine Hausfrau (44), die ihren kranken Mann pflegt und in der Küche eingesetzt werden möchte. Eine Psychologie-Studentin war früher schon in der Gastro tätig und möchte liebend gern wieder einsteigen. Und eine Köchin mittleren Alters zeigt sich ebenso äußerst angetan. Am Ende hat das Restaurant mit der Hälfte der Ukrainerinnen weitere Kontakte vereinbart. „Unsere Branche sucht händeringend Arbeitskräfte und wir haben nicht nur in Oberhausen, sondern auch im Umland noch einige unbesetzte Stellen“, sagt Michelle Meissner.

Während in den vergangenen Monaten rund 300 Ukrainer, die in Oberhausen leben, einen Job gefunden haben, sind noch etwa weitere 1800 Geflüchtete erwerbsfähig, aber ohne Stelle. Angesichts der Diskussionen ums Bürgergeld dürften Erfolgsgeschichten gern gesehen sein.
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Stichwort Ukrainische Flüchtlinge
Insgesamt leben in Oberhausen rund 3200 Frauen, Männer und Kinder aus der Ukraine. Im Laufe des Jahres 2023 konnten 124 Frauen und Männer eine Arbeit aufnehmen.
Der „Integration Point“ als zuständige Anlaufstelle des Jobcenters hat die Zahl seiner Termine hochgeschraubt und zudem sind drei Mitarbeiter aus dem gemeinsamen Arbeitgeberservice mit der Arbeitsagentur dorthin gewechselt.