Oberhausen. Die Oberhausenerin Lisa-Marie Böddecker wählte nach dem Abi den Weg ins Ausland. Sie arbeitet in Thailand in einem Waisenhaus. Was sie erlebt.

  • Nach dem Abitur haben junge Menschen viele Wahlmöglichkeiten
  • Die Oberhausenerin Lisa-Marie Böddecker entschied sich für ein FSJ im Ausland
  • Die 19-Jährige arbeitet in einem Waisenhaus in Thailand

Das Telefon klingelt bei Lisa-Marie Böddecker zur Mittagszeit, in Deutschland beginnt der Tag gerade erst. Wir erreichen die 19-jährige Oberhausenerin in ihrer Pause, denn ihr Arbeitstag in einem Waisenhaus in Thailand ist streng durchgetaktet. Die ehemalige Gesamtschülerin macht derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland. In Deutschland stehen viele Abiturientinnen und Abiturienten gerade vor der Entscheidung, was sie als Nächstes machen. Lisa-Marie Böddecker hat sich schon entschieden und gewährt uns am Telefon Einblicke in ihr Leben, erzählt von ihren größten Lehren und Hürden im FSJ.

Der Wecker von Lisa-Marie Böddecker klingelt um 6 Uhr morgens. Ganz schön früh, aber die Oberhausenerin hat während ihres FSJ in Thailand eine Menge zu tun. Sie lebt und arbeitet in einem Waisenhaus im Norden des Landes, nahe der Landesgrenze zu Laos. Ein richtiges Dorf sei es, zu Fuß käme sie nirgendwo hin, berichtet die Oberhausenerin.

Oberhauserin arbeitet in Thailand: Sprachbarriere kein Hindernis

Arbeit gibt es in dem Dorf trotzdem genug. Lisas Tag beginnt damit, die Kinder fertig zu machen und sie im Schulbus zur Schule zu begleiten. Während die Waisenkinder in der Schule sind, hat sie ihre Mittagspause - die einzige Zeit am Tag, in der die Oberhausenerin mal durchatmen kann. Am Wochenende oder in den Ferien betreut Lisa die Kinder sogar den ganzen Tag. Nach der Schule bereitet sie das Mittagessen vor, spielt mit den Kindern und bringt sie abends ins Bett.

Von Oberhausen nach Thailand: Lisa-Marie Böddecker lebt und arbeitet in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Waisenhaus im Norden Thailands.
Von Oberhausen nach Thailand: Lisa-Marie Böddecker lebt und arbeitet in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Waisenhaus im Norden Thailands. © Lisa-Marie Böddecker

Trotz des anstrengenden Alltags fühlt sich Lisa in Thailand sehr wohl, die Arbeit mit den Kindern macht ihr viel Spaß. Über die Sprachbarriere hat sie sich im Voraus überhaupt keine Gedanken gemacht: „Englisch spricht hier keiner. Da ist man schnell gezwungen, die Landessprache Thai zu lernen. Am meisten habe ich von den Kindern gelernt“, gibt Lisa zu.

19-jährige macht FSJ in Thailand: „Selbstständigkeit aufgeben fällt mir schwer“

Mittlerweile spricht sie ein wenig Thai. Das hilft ihr in ihrem Alltag sehr. Eine Sache ist für sie am anderen Ende der Welt jedoch herausfordernd: ihre Selbstständigkeit ein Stück weit aufgeben zu müssen: „Ich bin hier immer auf andere Menschen angewiesen, die mich zum Beispiel mit dem Auto in die Stadt fahren. Das könnte ich nicht für immer, aber man muss es auch mal zu lassen.“

Der Spaß kommt bei der 19-jährigen Lisa-Marie Böddecker (links) aus Oberhausen nicht zu kurz. Mit bunten Stickern im Gesicht bespaßt sie die Kinder im thailändischen Waisenhaus.
Der Spaß kommt bei der 19-jährigen Lisa-Marie Böddecker (links) aus Oberhausen nicht zu kurz. Mit bunten Stickern im Gesicht bespaßt sie die Kinder im thailändischen Waisenhaus. © Lisa-Marie Böddecker

Ihre Eigenständigkeit hat sich die junge, zielstrebige Oberhausenerin schon zu Schulzeiten angeeignet. Mit 16 hat sie ihren ersten Job angenommen, um eigenes Geld zu verdienen. Finanziellen Rückhalt aus der Familie hat sie kaum. Von ihrem selbst verdienten Geld finanzierte sie sich unter anderem den Führerschein und auch ihren 10-monatigen Aufenthalt in Thailand.

Unterstützung während der Schulzeit durch Talentscouting in Oberhausen

Obwohl sie während des Abiturs immer gearbeitet hat, machte sie 2023 als Jahrgangsbeste mit einem Schnitt von 1,4 beeindruckend ihren Abschluss an der Gesamtschule Osterfeld. Unterstützt wurde sie während ihrer Schulzeit von einem Talentscout an ihrer Schule. Ein Angebot für Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zum Studium oder Beruf. „Es ist schön zu sehen, wenn Menschen an einen glauben. Das gibt einem Mut“, weiß die 19-Jährige aus eigener Erfahrung.

Schon immer ging die Tochter einer ghanaischen Mutter zielstrebig ihren eigenen Weg. „Ich war immer diejenige im Freundeskreis, die neue Dinge ausprobieren wollte. Andere waren oft skeptisch, aber ich habe immer mein Ding gemacht“, berichtet sie stolz.

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Nach langem Überlegen: Oberhausenerin wagt den Schritt nach Thailand

Auch vor ihrer Reise nach Thailand kam die Frage auf, ob das nicht zu gefährlich sei. Dabei hätte sie nie gedacht, dass sie jemals in Thailand landet: „Ich habe mich nie im Ausland gesehen. Ich wusste gar nicht, dass man sowas machen kann, weil ich in meinem Umkreis keine Berührungspunkte mit Auslandsaufenthalten hatte. Thailand ist da mehr auf mich zugekommen.“

Denn ihre Gemeinde in Oberhausen hat eine Partnerschaft mit dem thailändischen Waisenhaus. „Alle anderen in meiner Gemeinde haben mich da gesehen, ich erstmal nicht“, beschreibt Lisa ihre anfänglichen Zweifel. Neun Monate habe sie darüber nachgedacht, ob sie das FSJ wirklich machen soll. Am Ende sei es die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen.

„Die Menschen tun sich in Deutschland so schwer, gut zueinander zu sein.“

Lisa-Marie Böddecker
erlebt in ihrem FSJ in Thailand ein Gefühl von Gemeinschaft

Nach dem Auslandsjahr: Lisa möchte Oberhausen verlassen

Eine Sache, so sagt Lisa, sei in Thailand ganz anders als in Deutschland: „Das Gefühl von Gemeinschaft! Hier ist keiner reich, keiner hat teure Kleidung. Die Menschen haben nur sich. Hier wird kulturell gemeinschaftlicher gedacht und gehandelt als in Deutschland.“ Über ihr rund 9.000 Kilometer entferntes Heimatland denkt Lisa: „Die Menschen tun sich in Deutschland so schwer, gut zueinander zu sein. Den Aspekt können wir wahrscheinlich nie erreichen.“

Auch wenn Lisa noch rund einen Monat in Thailand sein wird, macht sie sich bereits Gedanken über ihre Rückkehr nach Deutschland. Für sie steht fest: „Ich möchte raus aus Oberhausen, am liebsten sogar raus aus NRW.“ Sie spielt mit dem Gedanken, Politikwissenschaften oder ähnliches zu studieren. Ihr schwebt vor, eines Tages für eine Hilfsorganisation zu arbeiten. Vielleicht kehrt sie ja eines Tages zurück nach Thailand.