Oberhausen. Die Stadt Oberhausen verschärft ihren Kampf gegen Antisemitismus: Wer Judenhass sät oder zu Israel-Boykotten aufruft, wird sanktioniert.

Die Zunahme an judenfeindlichen Attacken in Nordrhein-Westfalen besorgt die Oberhausener Lokalpolitik: Seit dem Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 hat es nach Angaben der Infostellen Antisemitismus im vergangenen Jahr bundesweit 29 Vorfälle gegeben - täglich. Allein in NRW wurden seither im vergangenen Jahr 320 antisemitische Taten gemeldet. In Oberhausen musste die Polizei wegen schwarz gekleideter Störenfriede mit pro-palästinensischem Hintergrund bei einem Antisemitismus-Vortrag in der Gedenkhalle anrücken, im November 2023 wurde das Sophie-Scholl-Gymnasium im Oberhausener Stadtteil Sterkrade mit Anti-Israel-Parolen beschmiert. Filmemacher haben Anfang Mai 2024 die Kurzfilmtage boykottiert, weil sich dessen Leiter Lars Henrik Gass Mitte Oktober 2023 für die Teilnahme an einer Pro-Israel-Demo einsetzte.

Deshalb verschärft Oberhausen den Kampf gegen Judenhass - durch eine Bildungsinitiative und klare Sanktionen gegen Menschen aus den antisemitischen Bereichen. In einer am Montag vom Rat der Stadt mit breiter Mehrheit genehmigten Resolution mit dem Titel „Oberhausener Grundsatzerklärung gegen Antisemitismus“ heißt es: „Wir sehen den Kampf gegen Antisemitismus als eine zentrale Aufgabe unseres demokratischen Rechtsstaates an. Wir wollen jüdisches Leben in Oberhausen stärken.“

Oberhausener Stadtrat: Zentrale Aufgabe unseres demokratischen Rechtsstaates

Dabei schaut Oberhausen nicht darauf, wer judenfeindliche Haltungen hat oder aus welcher Richtung Aktionen kommen. Denn der Rat warnt davor, Judenhass nur mit Rechtsextremismus in Verbindung zu bringen. „Antisemitismus findet sich in allen Gesellschaftsschichten. Antisemitische Beschimpfungen etwa gehören heute sogar auf vielen Schulhöfen zum Alltag, über die sozialen Medien werden sie massiv verbreitet und wir sehen sie vielfach bei politischen Kundgebungen. Wir müssen Antisemitismus in all seinen Ausprägungen entgegentreten, ganz gleich, welcher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Richtung er entstammt.“

Dabei sieht man sich klar auf die Seite der angegriffenen Juden und Institutionen. „Von Antisemitismus Betroffene und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen, steht im Zentrum unserer Arbeit. Wir hören die Perspektive der Betroffenen. Relativierungen antisemitischer Vorfälle und Straftaten finden keinen Platz.“

Die Konsequenz daraus zieht der Rat breit: „Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust relativieren, die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren, zu anti-jüdischen oder antiisraelischen Boykotten aufrufen, diese unterstützen oder entsprechende Propaganda verbreiten (etwa die Kampagne „Boycott-Divestment-Sanctions [BDS]“) oder die anderweitig antisemitisch agieren“, erhalten keine Räume oder Flächen im Stadtgebiet Oberhausen mehr. „Die Zusammenarbeit mit solchen Gruppen und Einzelpersonen ist abzulehnen.“

Der Oberhausener Linken-Ratsfraktionschef Yusuf Karacelik legte mit seinen Leuten eine alternative Version der Erklärung gegen den Antisemitismus vor. Sie fand im Rat keine Mehrheit, wurde nur von den Linken selbst und den Grünen unterstützt.
Der Oberhausener Linken-Ratsfraktionschef Yusuf Karacelik legte mit seinen Leuten eine alternative Version der Erklärung gegen den Antisemitismus vor. Sie fand im Rat keine Mehrheit, wurde nur von den Linken selbst und den Grünen unterstützt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Linke Liste lehnt eine solch breite Definition ab, will die Boykott-Kampagne BDS nicht grundsätzlich als antisemitisch einstufen. Linken-Ratsfraktionschef Yusuf Karacelik sieht so die Gefahr, dass hiermit „die Breite des Diskurses verengt wird“, darunter auch die Kritik an der Politik des Staates Israel. Deshalb haben die Linken eine Alternativ-Resolution vorgelegt - mit einer engeren Definition von Antisemitismus. Denn grundsätzlich finden die Linken: „Angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft ist es ein wichtiges Signal des Rates, sich gegen Antisemitismus zu positionieren.“ Die mit drei Politikern im Rat vertretene Linkspartei stimmte deshalb für ihre eigene alternative Resolution und als einzige Gruppierung im Rat gegen die von der Stadtspitze ausgearbeitete Grundsatzerklärung.

Kurios entschieden sich die Grünen im Rat. „Wir haben intern lange über die beiden Versionen diskutiert“, sagte Grünen-Fraktionschefin Steffi Opitz. Die breitete Antisemitismus-Definition könne Fallstricke haben, die die Meinungsfreiheit einschränken könnten. „Eine Kritik am Staate Israel muss auch in Deutschland möglich sein, solange sie nicht antisemitisch ist.“ Folge: Die Grünen stimmten beiden im Rat vorliegenden Erklärungen gegen Antisemitismus zu.

Grünen-Fraktionschefin Steffi Opitz bei einer früheren Ratssitzung im Rathaus in diesem Jahr. Hinter ihr sitzen Oberbürgermeister Daniel Schranz und Ordnungsdezernent Michael Jehn (von links).
Foto: Kerstin Bögeholz / Funke FotoServices
Grünen-Fraktionschefin Steffi Opitz bei einer früheren Ratssitzung im Rathaus in diesem Jahr. Hinter ihr sitzen Oberbürgermeister Daniel Schranz und Ordnungsdezernent Michael Jehn (von links). Foto: Kerstin Bögeholz / Funke FotoServices © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Mit der mehrheitlichen Entscheidung für die städtische Grundsatzerklärung sollen künftig Kultureinrichtungen und der Arbeitskreis „ Antisemitismuskritische Bildungsarbeit“ mehrere Schritte umsetzen, um über Judenfeindlichkeit aufzuklären: Die Erarbeitung eines Infopapiers mit Hilfen und Kontakten für Lehrer, um die Arbeit an den Schulen zu erleichtern; die Organisation von Schulveranstaltungen mit jüdischen und arabischen Referenten, die für ein friedliches Zusammenleben in demokratischen Verhältnissen eintreten; Jugendbegegnungen außerhalb der Schule, um Antisemitismus zu bekämpfen und die Veranstaltung von öffentlichen Debatten in den soziokulturellen Zentren der Stadt. Dafür stehen insgesamt 30.000 Euro bereit.