Oberhausen. Fünf Stunden Programm: 1000 Gäste haben in der Stadthalle eine starke Karnevalssitzung gefeiert. Mit klaren Ansagen und einer Kölner Star-Band.
Selbst Kölner Künstlern können Oberhausener noch etwas vormachen: Als kurz vor Mitternacht die Kult-Band „Die Räuber“ in der Luise-Albertz-Halle ihre Instrumente aufbaut, kann man der vor 33 Jahren gegründeten rheinischen Combo etwas Skepsis vor dem Revierkarneval ansehen.
„Wir haben eine Stunde im Auto gesessen, wehe ihr macht nicht mit“, lautet die freche Startansage mit kalkulierter Ironie. Doch 1000 Gäste der Bärensitzung der Karnevalsgemeinschaft Alstadener Bären befinden sich längst auf Betriebstemperatur. Die Räuber fragen mit ihren Hits: „Wer hat mir die Rose auf den Hintern tätowiert?“ Sie singen: „Für die Ewigkeit“. Und finden: „Dat is Heimat“. In der bekannten Schunkelhymne gibt es mit der Textpassage „Rot und Wiss“ (Rot und Weiß) zwischen den Kölner Stadtfarben und dem hiesigen Fußball-Verein Rot-Weiß Oberhausen schließlich angenehme Schnittmengen.
Karneval Oberhausen: „Die Räuber“ staunen über flotte Stimmung
Trotz des deutlichen Kölner Dialekts, der nicht automatisch im Ruhrgebiets-Karneval zündet und häufig für Schlagersongs Platz machen muss, bringen die Männer um Sänger Sven West den Saal schnell auf Trab. Vor der Bühne bildet sich eine Fetenzone mit gezückten Smartphones wie bei einem Rock-Konzert. Das beeindruckt auch die Weitgereisten: „Wahnsinn! Was ist denn bei euch los?“
Die Räuber, die sich gegenüber ihrer Gründungsformation übrigens deutlich verjüngt haben, müssen es wissen. Vor ihrem Oberhausen-Gastspiel beschallten sie noch bei der „Lachenden Kölnarena“ in der riesigen Lanxess-Arena direkt am Rhein.
Schon vor den Kölner Stars konnten sich die Alstadener Bären nicht über mangelnde Schunkelbereitschaft beklagen: Im Dezember gingen die letzten, der rund 1000 Tickets weg. Die Stadthalle: ausverkauft. Das liegt sicher auch daran, dass die Bären den Karneval moderner interpretieren, offizielle Programmpunkte schlank halten und auf ausufernde Ordensvergaben verzichten.
Karneval Oberhausen: Musik ohne Ende, aber kaum Redebeiträge
Zum Sparprogramm zählen freilich nicht die Eigenleistungen. Schließlich pflegen sie eine Besonderheit in der Oberhausener Gardenstruktur. Gründungsmitglied Hermann Buschmann findet dafür deutliche Worte: „Bei uns ist die integrative Idee nicht nur Blabla. Bei uns wird sie seit vielen Jahren gelebt.“
„Bei uns ist die integrative Idee nicht nur Blabla. Bei uns wird sie seit vielen Jahren gelebt.“
Seit mehr als zehn Jahren tanzen in der Garde die Teilnehmenden mit und ohne Handicap gemeinsam Seite an Seite. Das Konzept ist beim sonst sehr feierfreudigen Verein zur Selbstverständlichkeit übergangenen. Nachahmer willkommen. Gardetanz bis Robin-Hood-Showtanz mit gemischten Altersklassen fanden jedenfalls spielend ihre Anhänger.
Als Schwachstelle der fünfstündigen Bärensitzung lässt sich dagegen eine gewisse musikalische Monothematik ausmachen. Für zwischenzeitliche Verschnaufpausen sorgten ausschließlich das Kinderprinzenpaar Annabell I. & Christiano I., das Dreigestirn um Lothar I. und Stadtprinz Jörg I. (Becker) mit ihren Grußworten. Auf Redebeiträge, sei es durch Büttenredner, Varieté oder Comedian, verzichteten die Sitzungsplaner gänzlich. Doch ob diese im brodelnden Saal überhaupt Gehör gefunden hätten? Fraglich!
Ansonsten Musik, Musik und Musik. Diese allerdings recht geschickt mit einer üppigen Genre-Breite ausgewählt. Das Alstadener Schlagerduo „Bruderherz“ hatte schon beim Bären-Sommerfest auf dem Schulhof der ehemaligen Hauptschule Alstaden bekannte Genre-Hits wie „Katharina“ angestimmt. Eine Wiederholung fiel den Lokalkolorit-Lebemännern nicht schwer. Es schallte von den Sitzreihen herüber: „Wir sind alle Alstadener Jungs…“
Karneval Oberhausen: Brodelnde Stimmung von Anfang bis zum Ende
Sänger Nockes hatte leichtes Spiel mit Rock-Hymnen nachzulegen. Von „Sexy“ von Marius Müller-Westernhagen bis „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten packte der Cover-Könner tief in die Plattenkiste und brachte mit Gitarrist Stefan ein weiteres Mitglied seiner Band Nockrock mit. Die Musik-Sommer-Nacht in der Oberhausener Innenstadt lässt grüßen.
Aus dem Discofox-Kosmos stammte wiederum Sänger Steven Alan, der den Saal früh auftaute. Sein schmissiger Liebessong „Ein Diamant“ wurden schon von Mallorca-Star Tim Toupet an den Ballermann exportiert.
Am Ende blieb brodelnde Stimmung von Anfang bis Ende. Trotz kleinerer Schwächen ein gelungener Abend. Der Alstadener Dresscode wirkte divers. Einzelne Kostüme und Gesellschaftsjacken, einige Sakkos und etliche Alltagsklamotten. Karneval ist eben keine Frage der Garderobe. Auch nicht selbstverständlich: Der Saal blieb durchgehend mit vielen Gästen gefüllt, was wohl an den seitlich installierten Außentheken und einer geschickt positionierten WC- und Raucherpause lag.
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