Oberhausen. In der Coronakrise scheint so manchen Oberhausener die Lust gepackt zu haben, das Verhalten anderer zu kontrollieren. Sie helfen dem Ordnungsamt.
Mittlerweile haben sich die Aufgeregtheiten der ersten Tage ein wenig gelegt: Als die Landesregierung vor anderthalb Wochen, am Sonntag, 22. März, statt einer strikten Ausgangssperre ein Ansammlungsverbot für Gruppen ab drei Personen verhängte, da betätigte sich eine stattliche Zahl von Oberhausenern als Hobby-Kontrolleure der neuen Corona-Regeln.
Täglich erhielten die rührigen Helfer am Corona-Bürgertelefon der Stadt Oberhausen erstaunlich viele Hinweise, wo sich welche Leute wann zu welcher Anzahl getroffen haben. Hundert Mal pro Tag läutete das Telefon (0208 825-7777) allein deshalb, um Menschen anzuzeigen, die sich unerlaubterweise in der Öffentlichkeit mit mehr als einer weiteren Person blicken ließen.
„Solchen Hinweisen gehen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes dann nach, das ist für uns schon eine wertvolle Unterstützung der Arbeit“, sagt Stadtsprecher Martin Berger. Ein offizieller Aufruf an die Bürger, dem Ordnungsamt zu helfen, ist nach Ansicht der Stadt gar nicht notwendig gewesen – angesichts der freiwilligen Wächter-Blicke der Oberhausener. Doch am vergangenen Wochenende (28./29. März) seien nur noch ganz, ganz wenige Tipps von aufmerksamen Bürgern eingetrudelt: Fünf am Samstag bei sonnigem Wetter, kein einziger Anruf am regnerisch-kalten Sonntag.
Direkt bei der Polizei gemeldet
Auch direkt bei der Oberhausener Polizei melden sich Anrufer mit Ratschlägen, wo sich Regelbrecher in der Öffentlichkeit bewegen, die die Polizei kontrollieren sollte. „Das kommt durchaus vor, die Zahl dieser Anrufer ist aber nicht erschreckend hoch“, sagt Polizeisprecher Maik Podlech. Wellenartig werden die Polizei-Leitstellen mit Anrufen bedacht, vor allem, wenn neue Beschränkungen des öffentlichen Lebens verkündet werden.
„Wir nehmen jeden Hinweis ernst, aber in den meisten Fällen kommt dabei nichts herum“, ist die Erfahrung der Polizei-Praktiker. In der Regel werde ein Polizeiwagen direkt ausgesandt, weil dieser oft schneller am möglichen Tatort sein könne als eine Streife des städtischen Ordnungsamtes. Doch entweder haben sich die angeblich dort versammelten Gruppen wieder aufgelöst oder es drehen Fahrradfahrer ihre Kreise - und die dürfen das. „Weil nicht in ganz Deutschland die gleichen Regeln gelten, existiert bei vielen Bürgern auch eine gewisse Unsicherheit, was erlaubt ist oder nicht“, beobachtet auch Polizeisprecherin Luise Lakhal.
Ordnungsbehörden sprechen von einer ruhigen Lage
Seit Tagen sprechen beide Ordnungsbehörden, die Polizei wie das Ordnungsamt, von einer ruhigen Lage in Oberhausen. Auch bei unseren Reportagen vor Ort konnten wir als Redaktion feststellen, dass Oberhausener sich zumeist an Gesetz und Verordnung halten. Es herrscht Ruhe im Karton. Am Samstag sprach die Polizei 30 Platzverweise aus, das Ordnungsamt verhängte in acht Fällen Bußgelder von je 200 Euro – für eine 210-000-Einwohner-Großstadt ist dies nach Erfahrung der altgedienten Ordnungskräfte eine extrem beschauliche Lage.
„An die Regeln halten sich die wenigsten!“
Auffallend häufig müssen sich Verkäufer im Einzelhandel über das Verhalten der Kunden ärgern. „Arbeite auch im Einzelhandel – und es ist immer voll bei uns! An Regeln halten sich die wenigsten! Bei manchen Menschen denkt man, die leben auf dem Mond und haben noch nix von Corona gehört.“
Immer wieder sind auch Bürger erstaunt, über Handwerker auf Baustellen, die sich näher als anderthalb Meter kommen, etwa beim Tragen von Heizungen. Handwerker und Dienstleister können ihrer Tätigkeit mit Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen allerdings weiterhin nachgehen – so heißt es ausdrücklich bei der Landesregierung.
Dennoch nimmt eine nennenswerte Zahl von Oberhausern die Situation vor Ort immer wieder mal völlig anders wahr – auf Facebook treffen sich diese Kommentatoren täglich, berichten, wo Personen angeblich die Regeln brechen. „Die reden sich immer alles schön. ️Kann man nicht mehr hinhören!“, schreibt einer zu den offiziellen Äußerungen der Oberhausener Sicherheitskräfte. Andere schildern ihre Beobachtungen: „Schaut euch mal den Spielplatz am Teich in Vonderort an – alles voller Eltern mit Kindern.“ So einige meinen, es müsse viel mehr kontrolliert werden. „Gruppenbildung auf dem Markt in Sterkrade. Wo ist der Kommunale Ordnungsdienst?“
So mancher legt das Kontaktverbot und die vielen Empfehlungen der Behörden allerdings offenbar viel zu strikt aus: „Wir sollten eigentlich nur das Nötigste einkaufen“; „Menschen laufen durch Straßen“; „Wochenmärkte finden statt“, wird geschimpft. Dabei sind Wochenmärkte zur Lebensmittelversorgung der Bevölkerung erlaubt, Spazierengehen durch Straßen ist ebenfalls nicht verboten und man darf tatsächlich in den noch geöffneten Läden das kaufen, was dort angepriesen wird – etwa Kleidung oder Möbel beim Discounter, falls dieser die Waren neben den Lebensmitteln anbietet.
Viele Menschen auf der Marktstraße?
Ein anderer Facebook-Nutzer, der täglich die Marktstraße in der Nähe seiner Arbeitsstelle sieht, bemerkt erschrocken: „Jeden Tag ist die Stadt brechend voll. Ich finde, hier in Oberhausen wird sich kaum an die Regeln gehalten.“ Wer sich an das Abstandsgebot von anderthalb bis zwei Metern hält, darf sogar auch über die Marktstraße flanieren. Und ein Königshardter schreibt: „Bei uns ist das Gefühl, als wenn die Lage so wie immer ist: viel Autoverkehr, jede Menge Leute zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs.“ Allerdings ist weder Autofahren noch Spazierengehen oder Radeln verboten.
Etliche Facebook-Kommentatoren stört auch, wenn sich Menschen in Privatgärten aufhalten („Auch in Gärten sitzen einige mit vier oder fünf Personen, als ob die es alle noch nicht checken“; „Die Schrebergärten sind voll mit Menschen – ich kann nicht verstehen, warum das geduldet wird“) – Familienmitglieder oder Menschen, die in einem Haushalt leben, dürfen das allerdings.
Einige nehmen den Wunsch so mancher Mitbürger, andere Mitbürger anzuschwärzen, mit Humor: „Ich wollte kurz Selbstanzeige stellen. Ich sitze im Vier-Mann-Büro. Kostet das auch 200 Euro?“
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