Oberhausen. Freiberufliche Hebammen geraten angesichts steigender Versicherungskosten zunehmend in Existenznöte
Bärbel Knappe kann sich nichts Schöneres vorstellen, als einer Mutter unmittelbar nach einer Geburt ihr Kind in den Arm zu legen. Die 61-Jährige ist Hebamme aus Leidenschaft – und damit eine der letzten ihrer Art. Sie gehört einem aussterbenden Berufszweig an. Schon lange haben die so genannten „Beleghebammen“, die freiberuflich an den Krankenhäusern tätig sind, mit steigenden Versicherungskosten zu kämpfen.
Ab dem 1. Juli steigt die Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen um 15 Prozent auf 4242 Euro im Jahr. Laut einer Berechnung des Hebammenverbandes Nordrhein-Westfalen müssen Hebammen allein für die Versicherung 17 Krankenhausgeburten begleiten, die jeweils einen Arbeitsaufwand von circa elf Stunden umfassen.
Erschwerend hinzu kommen unregelmäßige Arbeitszeiten, Nachtschichten und Bereitschaftsdienste – für einen Stundenlohn von etwa 7,50 Euro netto. „Manchen meiner Kolleginnen droht damit das berufliche Aus“, sagt die Oberhausenerin. „Ans Aufhören möchte ich persönlich nicht denken – es ist eben mein Traumberuf.“ Doch der wird immer schwieriger zu finanzieren, bestätigt auch Kollegin Monika Fenten, die wie Bärbel Knappe am Clemens Hospitale tätig ist: „Es ist eine Katastrophe. Wir zahlen nur noch drauf.“
„Haben keine Lobby“
So müssen sich die Hebammen generell für einen Zeitraum von zwei Monaten haftpflichtversichern, was sie rund 800 Euro kostet. „Wenn die Geburt bei einer Frau dann außerhalb dieses Zeitraums fällt, müssen wir uns dafür mit der gleichen Summe neu versichern“, sagt Monika Fenten und kann mit ihrem Ärger kaum an sich halten: „Eine individuelle Geburtsbegleitung ist letztlich nicht mehr möglich, wenn ein Hausbesuch mit einem Lohn von 27 Euro brutto vergütet wird.
„Als selbstständige Hebammen haben wir keine Lobby“, so Fenten. „Es ist wie überall im Pflegebereich. Gerade bei Berufen, die von Frauen ausgeübt werden, wird rücksichtsloses Lohndumping betrieben.“ Wie anderes Personal im Medizinbereich werden Hebammen von den Krankenkassen bezahlt. Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und den Spitzenverbänden der Krankenkassen verliefen bislang im Sande.
Anders als Geburtshelferinnen im Krankenhaus, die den Müttern nur während der Geburt zu Seite stehen, bereiten Hebammen sie darauf vor und begleiten die Familie das gesamte erste Lebensjahr des Kindes. Nur die Vor- und Nachsorge ist als Geschäft noch vergleichsweise einträglich, viele Hebammen haben sich deshalb vornehmlich auf diesen Schwerpunkt verlegt und verzichten auf Entbindungen – die eigentliche Essenz ihres Berufs. Die Arbeit von Hebammen beruhe auf dem engen, und über Monate gewachsenen Vertrauensverhältnis zwischen ihr und der Mutter, betont Monika Fenten. „Das kann eine Geburtshelferin in kurzer Zeit nicht leisten.“
Wege in den Beruf
Die Stadt Oberhausen hat einen Kooperationsvertrag mit drei Familienhebammen geschlossen, die über eine Zusatzqualifikation verfügen. Diese beraten im Bedarfsfall Familien, die noch Unterstützung in den ersten Lebensmonaten ihres Kindes benötigen. Ferner sind beim städtischen Gesundheitsamt derzeit 71 Hebammen gemeldet. Wie viele davon freiberuflich beschäftigt sind und wie sich die Zahl in den vergangenen Jahren entwickelt hat, ist nicht statistisch erfasst.
Monika Fenten wünscht sich indes mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die Situation der Hebammen: „Es muss sich grundlegend etwas ändern. Wir sind eine bedrohte Berufsgruppe.“
Wer den Beruf der Hebamme ergreifen möchte, muss entweder eine dreijährige Ausbildung an einer der bundesweit 58 Hebammenschulen oder ein Bachelor-Studium an der Fachhochschule Bochum absolvieren. Freiberufliche Hebammen müssen die Kosten für ihre Haftpflichtversicherung vollständig selbst tragen. Die Beiträge hierfür sind seit 2009 um 79 Prozent gestiegen.