Oberhausen..

Kämpfe hat man in Eisenheim reichlich erlebt. Doch die Hektik ist in den charmanten Gassen trotzdem weit weg – zwischen alten Zechenhäusern, offenen Gärten und Sitzbänken ist es ungemein: lebendig.

Der Wind greift sich in einer Linde ein Vogelhäuschen und wirbelt es hin und her...

Die Szenerie in Eisenheim gleicht einem Freiluftmuseum. Prof. Roland Günter hört diesen Begriff gerne. Er ist ein Bewohner in der ältesten Arbeitersiedlung des Ruhrgebiets.

Anfang der 70er Jahre kam Günter nach Eisenheim. Zum Kämpfen. Denn die 1846 erbaute, später in vier weiteren Phasen erweiterte Siedlung sollte abgerissen werden. Günter wurde in der Zeit zu einem Pionier zur Rettung von Arbeiterkultur und Siedlungsmonumenten. Erfolgreich. Seit 1972 steht Eisenheim unter Denkmalschutz. „Der Kampf um Eisenheim“ hielt Einzug in die Geschichtsbücher. Der Ortsteil ist heute positioniert wie ein städtischer Schatz.

Prof. Günter deutet auf eine langgezogene Mauer, die mit schnörkellosen Verstrebungen schmucke Vorgärten vom ordinären Straßenbelag trennt...

Wahrscheinlich könnte der Kunsthistoriker über beinah jeden Stein etwas berichten. Denn nach gewonnener Schlacht blieb Günter ein Eisenheimer – wohnt noch heute mit seiner Frau Janne in einem Zechenhaus. Das war eine Sensation: Ein Professor in der Arbeitersiedlung? Skepsis in der Arbeiterklasse. Günter fand eine Schnittmenge: „Wir haben uns als erstes über Fußball unterhalten.“

 Fußball. In Eisenheim immer ein Thema. Obwohl ein eigner Fußballplatz fehlt, rollt hier der Ball. Am Bunker gibt es einen Bolzplatz. „Da spielt auch gerne die türkische Nationalmannschaft“, sagt Günter, der selbst einige Zeit in Istanbul gelebt hat. Eisenheim ist international. Ein Ort für Kulturschaffende. Verschmelzung von industrieller Vergangenheit und launiger Zukunft.

"Für das Leben in der Siedlung muss man geschaffen sein"

„Für das Leben in der Siedlung muss man geschaffen sein“, sagt Günter. Offen müsste man sein. Die Hecken in den Gärten sollen nicht zu hoch wachsen. Nicht alle sind gleich Freunde, aber Eisenheim sei ein Ort, an dem man den Nachbar freundlich grüßt.

Ein Ort auch, der pro Jahr 20 000 Touristen anlockt. 70 Infotafeln an Wegen und Häusern klären auch ohne Fremdenführer auf – es sind „sprechende Straßen“, wie man hier sagt. Früher kamen viele Studenten, heute immer mehr Urlauber, die in die Ruhri-Idylle eintauchen wollen.

Dazu gehören Tauben. „Früher gab es 47 Taubenväter, heute zwei.“ Manfred Heldt ist der bekannteste von ihnen. Die WDR-Dokumentation „Die Helden von Eisenheim“ machte ihn berühmt. Auch Jahre nach der Ausstrahlung klingelten Fans an der Tür.

Die Gäste von Außerhalb sind für die Eisenheimer ein Teil vom normalen Leben. Obwohl: So richtig normal war es in Eisenheim noch nie. Wie damals, vor mehr als 30 Jahren, als ein Löwe mehrere Wochen in einem Hühnerstall wohnte, weil ihn ein Bewohner der Siedlung aus einem geparkten Auto befreit hatte. Der Hühnerstall steht immer noch.

Der Ortsteil lebt von seinem Anekdoten. Eigenes Gewerbe gibt es nicht. Dafür transportieren Bus und Bahn die Eisenheimer von der eigenen Haltestelle in acht Minuten zum Hauptbahnhof.

Prof. Günter blickt auf die Straße. Ein Auto brettert über das Kopfsteinpflaster...

Gekämpft wird in Eisenheim immer. Derzeit wollen einige Anwohner Wege in Einbahnstraßen verwandeln. Die Siedlung soll nicht zur Rennstrecke werden, heißt es. Spielende Kinder gehören hier zum lebendigen Bild.

Günter hat neben seiner Wohnung ein weiteres Reich: Das auffällige „Museum“ an der Wesselkampstraße, ein bewusster Kontrast zur Zechensiedlung. „Der blaue Turm“ bietet Platz für seine 25 000 Bücher – Arbeits- und Ruheraum zugleich. Auch ein Kämpfer muss abschalten.

Statistische Daten für Eisenheim erfasst die Stadtverwaltung nur als zusammenhängenden Sozialraum mit Osterfeld-Heide. Die beiden Ortsteile gehören zu den am dichtesten besiedelten, 5420 Menschen teilen sich einen Quadratkilometer. Zum Vergleich: Im stadtweiten Durchschnitt sind es 2747. Beim Altersdurchschnitt liegt der Sozialraum im Mittelfeld: Von den 7870 Anwohnern machen Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre rund 16 Prozent aus, die 25- bis 64-Jährigen rund 55, Bürger älter als 65 Jahre rund 20 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt mit 7,2 Prozent unter der städtischen Quote, aber im oberen Mittelfeld des Nordens.