Oberhausen. Schmachtendorf ist für Superintendent Deterding ein lebenswerter Stadtteil. Ein Café auf dem Marktplatz fehlt aber.
Wie eine Trutzburg wirkt die evangelische Kirche an der Kempkenstraße in Schmachtendorf – Ausgangspunkt eines Rundgangs mit Joachim Deterding, Superintendent der evangelischen Kirche in Oberhausen und Pfarrer in Schmachtendorf, durch sein Viertel. 250 Jahre hat dieser Ortsteil auf dem Buckel.
„Schmachtendorf ist lebens- und liebenswert“, stimmt Joachim Deterding ein Loblied auf den Norden an, ohne die Schattenseiten zu übersehen.
Die schmucken Häuschen vermitteln den Eindruck: Hier kann man gut leben. Stimmt auch, sagt Deterding. Doch auch in Schmachtendorf sei zunehmende Armut ein Thema: „Ein Häuschen ist heute kein Garant mehr für ein sorgenfreies Leben“, sagt Deterding, „die sinkenden Löhne machen sich bemerkbar. Es ist eine katastrophale Entwicklung.“ Immer mehr Druck laste auf Eltern, die in der Regel beide arbeiten: „Immer weniger Zeit für die Kinder, immer mehr sozialer Stress.“
Apartments als Zufluchtsort
Versteckt, fast in der zweiten Reihe, zeigt der Superintendent an der Lütticher Straße ein Haus, in dem sich Einzimmer-Apartments befinden: „Hier finden Menschen ein Quartier, die kurz vor der Obdachlosigkeit stehen. Nicht selten übrigens Männer nach Trennungen.“
Deterding sieht es als eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche an, Kinder- und Jugendarbeit zu intensivieren, um möglichst früh Alternativen für eine sinnvolle Lebensgestaltung zu vermitteln. An drei Standorten – in Schmachtendorf, Königshardt und Holten – gibt es Jugendtreffs mit zahlreichen Angeboten. Insgesamt stehen dafür 5,25 Stellen zur Verfügung: „Es ist eine unauffällige Arbeit, die aber Früchte trägt“, sagt Deterding.
Sein Wunsch ist es, „dass sich Kaufleute, die es sich leisten können, finanziell an der Jugendarbeit beteiligen. Eine erfolgreiche Jugendarbeit kommt auch ihnen zugute.“
Gastronomie auf dem Marktplatz fehlt
Um zu erläutern, warum das notwendig ist, macht der Theologe einen kurzen Exkurs nach Barmingholten. So bereite ihm ein Treffpunkt über der Tiefgarage an der Grasshofstraße Sorge. „Hier kommen Menschen zusammen, die für sich kaum noch Perspektiven sehen. Wir versuchen, Kontakte zu knüpfen; das ist aber nicht leicht.“
Noch, so Deterding, sei Schmachtendorf kein anonymer Wohnort: „Man kommt immer ins Gespräch.“ Auch gelinge das Zusammenleben von Alt und Jung: „An der Heinrich-Böll-Gesamtschule wird Wertevermittlung groß geschrieben. Außerdem gibt es viele tolle, ältere Menschen, die großes Verständnis für die Jugend haben.“
Was im „Veedel“ fehle, sei eine ansprechende Außengastronomie: „Die Kaufleute sind zwar auf Parkraum am Markt angewiesen. Aber hier könnte man auch eine Außengastronomie aufbauen.“ Ein Problem stelle die Park-Situation am Holtener Bahnhof dar. Dort knubbeln sich Autos, kaum ein Durchkommen. Deterding weist auf die benachbarte Wiese: „Platz für eine Erweiterung wäre dort.“
Schmachtendorf - Besondere Nachbarschaftshilfe
Deterding, der 1996 die Pfarrstelle in Schmachtendorf übernahm, attestiert seinem Ortsteil eine hohe Lebensqualität. An der Genter Straße sei er auf ein „Relikt“ gestoßen: „Hier funktioniert noch die Not-Nachbarschaft. Wenn ein Nachbar Hilfe braucht, leisten die Umliegenden diese Hilfe.“
Einst vermutlich entstanden, als im Mittelalter Hausbrände an der Tagesordnung waren und nur so Feuersbrünste verhindert werden konnten, zeigt sich die Not-Nachbarschaft heute darin, „dass bei Beisetzungen die Nachbarn als Sargträger kommen und für Kaffee und Kuchen sorgen“, schildert Deterding dieses Schmachtendorfer Miteinander.
Doch jeder Fünfte ist älter als 65 Jahre
Die jüngere Siedlungsgeschichte Schmachtendorfs beginnt Mitte des 18. Jahrhunderts. Doch schon vor rund 5000 Jahren lebten Menschen in diesem Gebiet, wie Bodenfunde zeigen. Für das Wachstum war der Aufschwung der Gutehoffnungshütte um 1870 wichtig, später der Zeche Hugo Haniel. Seit den 70er Jahren ist der Ort als Wohnstandort begehrt.
Nach Angaben des städtischen Bereichs für Statistik und Wahlen leben 8408 Menschen in Schmachtendorf. Die Bevölkerungszahlen sind in einem Punkt stabil: 2011 haben sich Zu- und Wegzüge ausgeglichen. Knapp 15 Prozent der Schmachtendorfer sind jünger als 18 Jahre, mehr als die Hälfte ist zwischen 25 und 64 Jahre alt und jeder Fünfte bereits 65 oder älter. Schmachtendorf gehört zu Oberhausens weniger dicht besiedelten Gebieten. Die Arbeitslosenquote ist mit 4,5 Prozent vergleichsweise gering.