Oberhausen.. Ludwiggalerie weist in ihrer Ein-Raum-Schau den „guten Weg zum Himmel“. Tafelbilder und Schnitzwerke erzählen von der Sorge um das letzte Stündlein.
Wer träte heute nicht beklommen an ein Sterbebett? „Mit 48 Jahren habe ich noch nie im Leben einen Toten gesehen“, sagt Christine Vogt vor dem Gemälde einer – man ist versucht zu sagen: Festgesellschaft. Dicht gedrängt umstehen die Apostel das Bett Marias, einer schiebt den prächtig roten Baldachin-Stoff zurück; ein anderer bläst in die Glut des Weihrauch-Fässchens. Der Tod im Mittelalter war in jedem Sinne „familiär“, betont die Direktorin der Ludwiggalerie.
Direkt neben der großen Pop Art-Ausstellung kündet „Der gute Weg zum Himmel“ von der „Kunst des guten Sterbens“. Der mit Kostbarkeiten anonymer Meister bestückte Raum präsentiert die Auslese eines Forschungsprojektes zum Totenbett-Genre, im Katalogbuch aufgeschrieben von Dagmar Preising. Wie die Autorin kommen die Leihgaben im Schloss Oberhausen aus dem Aachener Suermondt-Ludwig-Museum.
Es war weder Morbidität noch Dekadenz, die das christliche Europa sich dem Tod zuwenden ließ. Es war der anhaltende Schock des „schwarzen Todes“. Seit die Pest mit den Schiffsratten 1348 in Venedig und Genua an Land ging, hatte das Bakterium in wenigen Jahren die Hälfte der Europäer getötet. Man fürchtete an dieser „Strafe Gottes“ nicht allein den Tod, sondern den plötzlichen Tod.
Bilder sollten Hoffnung geben
„Das letzte Stündlein war entscheidend“, sagt Dagmar Preising. Davon erzählen die Bücher der „Ars moriendi“ und die Tafelbilder aus Spitälern und Klöstern. Eine sehr spezielle Ratgeber-Literatur (inklusive der Gemälde mit ihren langen Textbändern, frühen Ahnen der Comic-Sprechblasen), übersetzt Christine Vogt flapsig mit „Gutes Sterben, leicht gemacht“. Tatsächlich sollten die Bilder die Angst nehmen und Hoffnung geben auf ein ewiges Leben.
Ausgangspunkt der kunsthistorischen Recherche war das Gemälde „ars bene moriendi“ von 1475, das viele Eigentümlichkeiten des post-apokalyptischen Sujets vereint: Das kleine nackte Seelchen, das im Moment des Todes aus dem Mund des Menschen „schwimmt“. Ein Christus, der einarmig am Kreuz hängt, weil er fürbittend mit der Rechten auf seine Wunden weist, unter ihm Maria und der schöne Johannes: Zu dritt galten sie als die „Heilstreppe“ gen Himmel.
Befremdlich? Auf jeden Fall für die Maler auf Seiten der Reformation, die sich keine Flammenhöllen mehr ausmalten – auch nicht die läuternden des Fegefeuers – sondern mit Luther an die Gnade Gottes glaubten. Die katholische Gegenreformation – auch dafür gibt’s zwei Bild-Belege in dieser kompakten Schau, die viel vermittelt – hielt fest an der Bildsprache aus Pestzeiten.
Sterbend umsorgt von ihrer Familie
Wenn es neben dem „guten Tod“ auch einen „idealen Tod“ gibt, so ist damit das Sterben Marias gemeint, der Sündenfreien, die keine lauernden Teufel neben ihrem Bett fürchten musste. Sie starb auf den Bildtafeln, wie es sich auch viele Heutige wünschen würden: Umsorgt von ihrer (Ersatz-)Familie der Apostel. Die Gemälde, dazu erlesene Schnitzwerke in Holz und Alabaster, liefern en passant auch Einblicke in großbürgerliche Schlafzimmer der Gotik und Frührenaissance, detailverliebt bis zur Schnürung der Kopfkissen-Bezüge.
Und das unselige, heillose Sterben? Das zeigt treppauf die Pop Art-Ausstellung in den Agitprop-Collagen gegen den Vietnamkrieg.