Oberhausen. Die Kritik an Jörg Mazurs nackter Concordia-Skulptur sorgt für Gesprächsstoff. Integrations- und Gleichstellungsbeauftragte hatten in der römischen Göttin nackte Obszönität und eine Provokation anderer Kulturen gesehen. Die Leser sehen in der Skulptur aber vor allem eines: ein gelungenes Kunstwerk.
Die Debatte um die Concordia-Figur im Kreisverkehr erregt die Gemüter der WAZ-Leser. Die Kommentare zeugen von Unverständnis – gegenüber den Kritikern des Kunstwerks.
Als „Sittenwächter“ bezeichnet Michael Schüll die Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki und Ercan Telli vom Integrationsrat, die Bedenken wegen der Nacktheit der Figur und ihres Standortes geäußert haben. „Nacktheit ist in der Kunst etwas Allgegenwärtiges“, schreibt Schüll.
Körperlichkeit nicht gleichzusetzen mit Geistlosigkeit
„Nacktheit in der Kunst in Frage zu stellen, bedeutet die Kunst zu verbieten. Unsere Verfassung gebietet aber die Freiheit der Kunst. Und es sei der Hinweis erlaubt, dass Sexualität dem Lebendigen innewohnt. Es zu leugnen, zu negieren oder herabzuwürdigen führt zu einer Entfremdung vom Lebendigen. Ich kann in der tanzenden Concordia nichts Obszönes, nichts Gewöhnliches und nichts Reduziertes erkennen.“
Körperlichkeit sei ohnehin nicht gleichzusetzen mit Geistlosigkeit. Schüll: „Körperlichkeit bedeutet im Idealfall in seinem Körper zu wohnen, ihn auszufüllen, inspiriert zu sein. Der Körper zeigt unsere Befindlichkeit in vollständiger Ehrlichkeit.“ Zudem glaubt Schüll, eine „runde“ Frau sei ein Tabubruch, „weil sie nicht dem modischen Diktat entspricht. In der Mythologie kenne ich ausschließlich runde Frauen als Fruchtbarkeitsgöttinnen.“
Manche Werbeplakate sind schlimmer
Auch zu dem vom Künstler geplanten Standort äußert Schüll eine Meinung. Es sei „folgerichtig“, Mazurs Concordia-Skulptur in der Nähe des Concordiahauses zu errichten: „Hier haben unter schwierigen Bedingungen ,Verstand und Hand’ für die Bergung eines Schatzes, der Kohle, gesorgt. Die Bergleute waren in grobe Baumwolle gewandet und sollen bisweilen wegen der Hitze unter Tage nur das „Leder am Arsch“ getragen haben.“
„Ich als Frau“, schreibt uns Leserin Anette Friedhoff, „fühle mich durch diese dralle Concordia mit ihren wehenden Haaren keineswegs diskriminiert. Da finde ich manche Werbeplakate schon schlimmer. Es gibt ja auch nackte Männerstatuen, David von Michelangelo zum Beispiel. Ich habe noch nie gehört, dass sich ein Mann deswegen diskriminiert fühlt. Das Argument der Unaufmerksamkeit zieht schon eher. Aber ich fände sie an der Stelle schön.“
„Ich schäme mich für unsere Stadt“
Annegret Kos geht noch einen Schritt weiter mit ihrer Kritik an der Kritik. „Ich schäme mich für unsere Stadt“, schreibt sie. „Die Bronzeskulptur der Concordia steht doch für Lebensfreude, Elan – und ja, auch für Sinnlichkeit. Wenn wir das für anstößig halten, leben wir nicht in einer Welt des 20. Jahrhunderts.“ Auch der Standort an der Concordiastraße gefällt ihr: „Das wäre eine wunderbare Erinnerung an die Zeche, die viele Oberhausener noch persönlich kannten.“ Die Aufregung um die Nacktheit kann sie ebenso wenig nachvollziehen wie das Argument der Unfallgefährdung. Ihr ironischer Kommentar: „Man sollte mal in Kopenhagen nachfragen, ob die Meerjungfrau im Hafen zu vermehrten Schiffsunfällen geführt hat.“
Neben den Leserbriefen, welche die Redaktion erreichten, gab es auch online Reaktionen auf die Debatte. Dort schreibt eine Leserin mit dem Nutzernamen „uschie“: „Ich bin ebenfalls empört. Nicht über die Skulptur, die meiner Meinung nach nichts Obszönes hat, sondern über die unreflektierten Totschlagargumente der Gleichstellungsbeauftragten und des Geschäftsführers des Integrationsrates.“
Ein anderer Leser, der sich im Netz „simgall“ nennt, äußert sich kurz und knapp: „In meinen Augen ist die Concordia-Figur keineswegs obszön oder diskriminierend.“