Mülheim. Die Zahl der Verkehrsunfälle in Mülheim ist gestiegen, erneut. Einzelne Personengruppen sind dabei besonders gefährdet. Die Trends im Überblick.
Die schlechte Nachricht vorweg: In Mülheim ist die Zahl der Verkehrsunfälle erneut gestiegen. „Damit sind wir wieder auf dem Niveau von vor Corona“, schildert Polizeidirektor Ulrich Sievers am Montagnachmittag im Essener Polizeipräsidium. Die alljährliche Auswertung der Verkehrsunfallentwicklung in Mülheim folgt damit dem grundsätzlichen Trend, der sich auch auf Landesebene beobachten lässt: Die Zahl der Unfälle liegt auf einem Rekordlevel und ist so hoch wie zuletzt vor zehn Jahren.
In Zahlen bedeutet das für die Ruhrstadt: Waren es 2022 noch 6148 Verkehrsunfälle, ist die Zahl 2023 auf um 5,25 Prozent auf 6471 angestiegen. Dabei sind im vergangenen Jahr insgesamt 89 Personen (Vorjahr: 101) schwer verletzt worden, 545 Menschen (488) kamen mit leichten Verletzungen davon. „Auch wenn wir mehr Unfälle zu verzeichnen haben, sehen wir auch positive Entwicklungen“, so Polizeipräsident Andreas Stüve. „Die Auswirkungen der Unfälle sind glimpflicher.“ Nichtsdestotrotz bliebe jedes Unfallopfer, unabhängig vom Grad seiner Verletzung, eines zu viel.
Mülheimer Senior war der einzige Verkehrstote 2023
Insofern sei es besonders wichtig, so der Polizeipräsident, sich zu schützen. „Mein dringender Appell: In der dunklen Jahreszeit sollten Fahrradfahrer und Fußgänger sich möglichst nicht komplett dunkel kleiden.“ Ohne reflektierende Bestandteile an der Kleidung werde man schnell unsichtbar für den Autoverkehr. Ein Beispiel für genau dieses Risiko belegt Mülheims einziger Unfalltoter aus dem vergangenen Jahr: Auf der Aktienstraße, in Höhe der Hausnummer 181, querte ein 85-Jähriger zu Fuß die Straße und wurde dabei von einem Pkw erfasst und mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Der Unfall ereignete sich am 20. Oktober, zwei Tage später verstarb der Senior nach einer OP und anschließendem künstlichem Koma.
Senioren, erklärt Polizeidirektor Ulrich Sievers, gehörten ausdrücklich zur Risikogruppe, die die Polizei unter den Verkehrsteilnehmden ausmacht. „Wir wollen und müssen uns besonders um Kinder, Senioren, Radfahrer, Pedelecfahrer und Fußgänger kümmern. Sie sind im Straßenverkehr am unsichersten unterwegs.“ Neben dem auf der Aktienstraße erfassten und verstorbenen Senior, sind laut Polizei auch in Essen zwei Senioren (85 und 82), die zu Fuß unterwegs waren, durch einen sehr ähnlichen Unfallhergang verstorben.
In Mülheim sind etwas mehr Kinder verunglückt als noch 2022
Eine weitere unerfreuliche Entwicklung sieht Sievers im Bereich der Kinder als Unfallopfer. Während mit einem Plus von 38 Verunglückten (rund 20 Prozent) der Anstieg der durch Unfälle verletzten Kinder in Essen sehr deutlich ausfällt, konnten in diesem Bereich in Mülheim nur ein kleiner Zuwachs von zwei Verunglückten (53 auf 55) festgestellt werden. Dennoch ein Negativ-Trend, den es zu hinterfragen und unter Kontrolle zu bringen gilt. „Hier sehe ich ein ganz deutliches Defizit durch Corona. Die Jugendverkehrsschulen sind seit 2022 wieder geöffnet und in Betrieb.“ Dennoch mache sich die Zwangspause nun bemerkbar.
Mangelnde Motorik, mangelnde Kontrolle über das Fahrrad etwa seien vielfach die Folge, aber eben auch das Fehlen von Aufmerksamkeit und Konzentration im Straßenverkehr. „Ich gehe davon aus, dass wir noch ein, zwei Jahre mit den Folgen zu kämpfen haben werden“, erklärt der Polizeidirektor. Umso wichtiger sei die Präventionsarbeit. Hier habe man bereits im Senioren-Bereich bei Pedelec-Schulungen gute Erfolge erzielen können und hoffe auf eine ähnliche Trendumkehr bei Kindern als Unfallopfern.
Mülheimer Pedelecfahrer sind immer wieder Unfallbeteiligte
2023 sind in Mülheim laut polizeilicher Statistik 114 Senioren verunglückt, 2022 waren es mit 124 noch mehr. Darunter seien in der Regel auch viele Pedelecfahrer, ordnet Ulrich Sievers ein. Unter den verunglückten Rad- und Pedelecfahrern machen Senioren nach Erwachsenen die zweithäufigste Alterskohorte aus. Hinzu kommt, dass ein knappes Drittel der 196 in 2023 verunglückten Rad- und Pedelecfahrer allein die Radfahrer mit Elektroantrieb waren. „Viele unterschätzen die Power, die in den Motoren und Bremsen steckt“, so der Polizeidirektor. Das belegt auch ein Blick auf die 72 Alleinunfälle von Rad- und Pedelecfahrern vergangenes Jahr: 41 Prozent davon gehen aufs Konto von Pedelecfahrern.
Ausgewiesene Hotspots für Unfälle gibt es aus Sicht der Essener-Mülheimer Polizei auf beiden Stadtgebieten mehrere, allein in Mülheim sind es 15 (Essen: 47). Einen Brennpunkt hebt Ralf Langenfeld von der Führungsstelle der Direktion Verkehr besonders hervor: Die B1-Autobahnausfahrt in Heißen, wo die Essener Straße, die Paul-Kosmalla-Straße und die Velauer Straße aufeinander treffen. Hier sei es in den vergangenen drei Jahren zu mehreren Unfällen gekommen, bei denen fünf Radfahrer leichte Verletzungen davontrugen.
„Egal ob in der Dämmerung, bei Tageslicht oder in der Dunkelheit, Linksabbieger laufen hier Gefahr, entgegenkommende Radfahrer zu übersehen und zu erfassen“, so Langenfeld. Um die potenzielle Gefahr zu minimieren, sei bereits ein großes Schild aufgestellt worden, das die Linksabbieger vor der Verkehrslage warnt. Ob diese Maßnahme erfolgreich sein wird, müsse noch abschließend ermittelt werden. Andernfalls müsste man eine andere Ampelschaltung erwägen, „aber das ist ultima ratio“.
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