Mülheim. In Mülheim soll es bald eine städtische Alternative zum MDK geben: ein Arbeitsergebnis der „Dialog-Offensive Pflege“.
Würdige Behandlung und stressfreie Betreuung für Pflegebedürftige, Anerkennung und Entlastung für ihre Angehörigen, angemessene Arbeitsbedingungen für die Profis: Diese Ziele verfolgt die „Dialog-Offensive Pflege“ in Mülheim. Formiert hat sie sich vor genau fünf Jahren, am 1. Dezember 2010.
Vorausgegangen war eine Befragung, die zwei Gründungsmitglieder der späteren Arbeitsgruppe ehrenamtlich durchführten: Oskar Dierbach, geschäftsführender Pflegedienstleiter im Haus Ruhrgarten/Ruhrblick, und Peter Behmenburg, Chef eines ambulanten Pflegedienstes. Mehr als 600 Fachkräfte, Pflegebedürftige und Angehörige nahmen an ihrer Umfrage teil, deren Ergebnisse nicht nur die Initiatoren aufrüttelten.
So erklärten fast zwei Drittel der Pflegekräfte, sie fühlten sich durch die berufliche Belastung in ihrer Gesundheit gefährdet, litten vor allem an Überanstrengung und Zeitdruck. Drei Viertel berichteten von regelmäßigen, wenn nicht ständigen personellen Engpässen, zwei Drittel bezeichneten den Verwaltungsaufwand im Verhältnis zur pflegerischen Arbeit als zu hoch.
Ein zusätzlicher Mitarbeiter
Über fünf Jahre liegt die Umfrage nun zurück, „aber diese Ergebnisse“, sagt Oskar Dierbach, „würde ich heute noch genauso erwarten.“ Einer anhaltenden Herausforderung stellt sich die Arbeitsgruppe, der Vertreter von Fachverwaltung oder Pflegekassen ebenso angehören wie Praktiker aus dem ambulanten und stationären Bereich sowie engagierte Bürger. „Alle sitzen dort als Person“, betont Dierbach, „nicht als Mandatsträger zur Wahrung eigener Interessen.“ Doch selbst dann kann es nach seiner Überzeugung langfristig nur einen vernünftigen Weg geben: „Bessere Pflege bedeutet langfristig: geringere Krankheitskosten.“
Größer an die Öffentlichkeit getreten ist die „Dialog -Offensive“ im Juli 2013 mit ihrer „Mülheimer Erklärung“, die die genannten Ziele fixiert. Der nächste Schritt steht bevor und ist schon organisatorisch eingefädelt: Die Stadt Mülheim möchte einen eigenen kommunalen Prüfdienst für stationäre und ambulante Pflegeanbieter aufbauen. „Nicht als Konkurrenz zum Medizinischen Dienst der Krankenversicherung“, betont Sozialplaner Jörg Marx, sondern als Alternative, „und letztlich auch zur Entlastung des MDK“.
Zu diesem Zweck wurde die städtische Heimaufsicht kürzlich um einen Mitarbeiter verstärkt, der zu 20 Prozent für die ansonsten ehrenamtlich betriebene „Dialog-Offensive Pflege“ tätig ist. Die neue Prüfstelle müsste durch die Knappschaft zertifiziert werden, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen kann. „Testprüfungen bei ambulanten Diensten gab es schon“, erklärt Marx.
Eine Info- und Diskussionsveranstaltung unter dem Motto „Hände weg von der Altenpflege-Ausbildung!“ veranstaltet die Dialog-Offensive am Freitag, 11. Dezember, von 10 bis 13 Uhr im Haus Ruhrgarten, Mendener Straße 106. Auch Referenten des zuständigen NRW-Ministeriums sind eingeladen.
Gegen eine „Breitband-Schmalspur-Ausbildung“
Ein aktuelles Thema, das die „Dialog-Offensive Pflege“ derzeit umtreibt, ist die geplante Ausbildungsreform, welche die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat: Gemäß dem Entwurf für ein neues Pflegeberufegesetz, über den 2016 entschieden werden soll, wird eine einheitliche dreijährige Ausbildung für alle eingeführt, Krankenschwestern wie Altenpfleger.
Davon verspricht man sich, die Pflege für junge Leute attraktiver zu machen, die durchschnittlich immer älteren Patienten in Kliniken besser betreuen und den drohenden Fachkräftenotstand leichter ausgleichen zu können.
Die „Dialog-Offensive Pflege“ wendet sich allerdings entschieden gegen diese Pläne. Die Ausbildung, wie sie im Moment stattfindet, sei gut, sagt Oskar Dierbach stellvertretend für die Arbeitsgruppe, „ein hochbetagter Mensch ist grundsätzlich anders zu versorgen als ein mittelalter Patient oder ein kleines Kind.“ Insbesondere für die stationären Einrichtungen gelte daher: „Wir brauchen keine Breitband-Schmalspur-Ausbildung, sondern ein multiprofessionelles Team im Haus mit Fachleuten aus verschiedenen Berufsgruppen.“
Drei AGs und eine Lenkungsgruppe
Derzeit gehören der „Dialog-Offensive Pflege“ nach eigenen Angaben 22 Mitglieder an, die in drei Arbeitsgruppen, aber ohne festen Turnus, zusammenkommen. Die AGs behandeln folgende Themen: 1) Kundenzufriedenheit, 2) Barriereabbau (hierzu gehören auch Qualitätsprüfungen), 3) Ausbildung, Beschäftigung und Mitarbeiter-Gesundheit.
Außerdem gibt es eine siebenköpfige Lenkungsgruppe. Als Moderator fungiert Jörg Marx, Sozialplaner der Stadt Mülheim.
Die „Mülheimer Erklärung zur Würde und Lebensqualität Pflegebedürftiger und der sie Pflegenden“ vom Oktober 2012 wurde bislang von rund 500 Personen unterzeichnet.