Mülheim.. Demenzkranken stehen in Mülheim mittlerweile acht spezielle WGs zur Verfügung.
Seit etwas mehr als zehn Jahren stehen pflegebedürftigen Menschen in Mülheim spezielle Wohngemeinschaften zur Verfügung. Meist sind es demenzkranke Senioren, vielmehr: Seniorinnen, die dort leben. An acht verschiedenen Adressen ist dies mittlerweile möglich, ein Erfolgsmodell setzt sich offensichtlich durch. Es gibt deutlich mehr Interessenten als Plätze.
Mit dem Slogan „so frei wie zu Hause – so sicher wie im Heim“ wirbt der ambulante Dienst „die pflegepartner“ für vier WGs, die von seinem Team betreut werden, aber nicht geführt. Vielmehr schließen die Bewohner jeweils separate Verträge mit dem Vermieter (in zwei Fällen ist dies MWB) und dem Pflegedienst. Die Unterscheidung ist aus rechtlichen Gründen wichtig. Andernfalls müsste etwa auch die Heimaufsicht regelmäßig prüfen.
Leben findet in der Wohnküche statt
Die jüngste WG für Demenzkranke in Mülheim wurde im Februar auf der Heimaterde eröffnet. Hier treffen wir Sylvia Eberlein, die die vier Wohngemeinschaften der „pflegepartner“ leitet und aus nunmehr zehnjähriger Praxiserfahrung sprechen kann. So habe sich gezeigt, dass man im Alltag besser zurecht kommt, wenn alle Räume auf einer Ebene liegen. „Demenzkranke können sich dann nicht so schnell verlaufen und leichter orientieren.“
Noch etwas anderes gelte für alle Hausgemeinschaften: „Das Leben findet immer in der Wohnküche statt. Die Einzelzimmer sind fast sekundär.“ Natürlich gäbe es einzelne Bewohner, die sich lieber zurückziehen und die Außenwelt scheuen. Das Gegenteil allerdings auch, je nach Verfassung und Tagesform.
Grundverschiedene Typen unter einem Dach
Einige Mitglieder der WG Heimaterde gehen selbstständig vor die Tür, zum Supermarkt oder in die Stadt. Sicherheitshalber heften sie sich dann ein Schild an die Jacke, auf dem ihre Adresse steht.
Einmal habe sie es auch tatsächlich gebraucht, um zurück zu kommen, berichtet eine 80-Jährige Dame. Sie sei „Kanutin“, Wassersportlerin seit ihrer Jugend, „und jetzt sehr traurig, dass ich das nicht mehr machen kann“. Aber die Sportkollegen aus dem Ruderclub kämen gelegentlich zu Besuch. „Gewöhnungsbedürftig“ sei das Leben in der Wohngruppe, das die Kinder nach ihrem Schlaganfall mit „Dachschaden“ und dem Tod ihres Ehemannes für sie wählten, „aber mittlerweile gefällt es mir ganz gut...“
Fünf Frauen, zwei Männer, grundverschiedene Typen wohnen hier unter einem Dach. Sie gehen zu Bett und stehen auf, wann sie möchten, helfen in der Küche, wenn sie Lust haben. Udo Lamers, der diensthabende Pfleger, arbeitet seit einem Jahrzehnt in Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Sein Fazit: „Jeder Tag ist anders, und man muss jeden Bewohner unterschiedlich behandeln.“ Auf diese Art scheint es zu funktionieren.
Nicht zu lange warten
Auch der Mülheimer Pflegedienst „Ambulante Zukunft“ betreut bereits seit neun Jahren Wohngemeinschaften speziell für Demenzkranke. Im Dezember 2006 wurde am Oemberg die erste „Seniorenresidenz Katharina“ eröffnet, drei gleichnamige Einrichtungen folgten in Saarn und in Speldorf. Die fünfte WG am Lönsweg sei gerade im Auf- und Umbau, erklärt Pflegedienstleiterin Tina Panz.
Bei der Organisation der Hausgruppen halten sie es wie die Konkurrenz: Alle WGs laufen in Verantwortung der Bewohner, die Pflegefirma ist nur als Dienstleister beteiligt. Zwar lässt das neue Wohn- und Teilhabegesetz auch „anbieterverantwortete Wohngemeinschaften“ zu, die durch einen ambulanten Dienst geleitet werden, doch solche Angebote seien in Mülheim momentan nicht geplant, sagt Tina Panz. „Es läuft doch gut. Bei der anderen Organisationsform müssten wir strengere Auflagen erfüllen. Vielleicht würde die wohnliche Atmosphäre darunter leiden.“
Jeweils zehn alte Menschen pro WG werden durch die „Ambulante Zukunft“ betreut, so dass derzeit insgesamt 40 Plätze zur Verfügung stehen. Die Nachfrage sei deutlich größer, berichtet Tina Panz, so dass sie Wartelisten führen. Angehörigen kann sie nur raten, mit dem Umzug nicht zu warten, bis plötzlich die häusliche Pflege ganz unmöglich wird, dann aber so kurzfristig kein WG-Platz frei ist. Ihr sei bewusst, „jemanden in eine Wohngemeinschaft zu bringen, ist nie einfach. Aber es ist besonders schwer, wenn der Mensch schon so stark dementiell verändert ist, dass er nicht mehr in die Gruppe findet. Wer am Anfang der Krankheit erscheint, um den kümmern sich die anderen Bewohner meist herzlich.“
Zu den weiteren Erkenntnissen, die die Pflegefachfrau aus jahrelanger WG-Erfahrung zieht, gehört auch diese: „Feste Tages- oder Wochenpläne kommen nicht gut an. Wir verzichten mittlerweile darauf.“