Mülheim.. Erhard Mohr besitzt Kohlekeramiken, die etwa als Ehrengaben dienten. Nicht selten waren sie bei Familienfeiern Gastgeschenke.
Sein Haus steckt voller Kunst, Kunst aus Kohle – und auch voller Geschichte(n). Erhard Mohr hat im Laufe seines Lebens zahlreiche Kohlekeramiken, die etwa als Ehrengaben für viele Städte im Ruhrgebiet dienten, zusammengetragen. Mehr noch: Der Mülheimer kannte die Herstellungsweise von Kohlekeramik aus dem Effeff. Denn Verfahrenstechnik und -entwicklung in der Bergbauforschung waren Schwerpunkte des heute 75-Jährigen.
Mohr lernte zahlreiche Zechen kennen
Begonnen aber hat Bergassessor Professor Erhard Mohr 1961 als Beflissener auf der Zeche Mathias Stinnes und lernte während seines beruflichen Werdegangs zahlreiche der umliegenden Zechen kennen. Neben den Mülheimer Zechen Wiesche und Rosenblumendelle – hier war die erste Einfahrt – waren es etwa auch Humboldt und Kronprinz sowie die Zeche Diergardt-Mevissen in Duisburg, zudem Zollverein 1-12 sowie einige Zechen im Osten des Landes. In das Flöz Mausegatt musste Mohr schon als 17-Jähriger einsteigen. Dieses Flöz war nur 45 Zentimeter breit. „Da ich klein und zierlich war, passte ich dort rein. Ich musste mir bloß überlegen, ob ich auf dem Bauch oder auf dem Rücken reingehe, denn Umdrehen mit Kopflampe und Selbstretter war schwer möglich“, schildert Mohr seine Erlebnisse. „Man muss alles kennenlernen“, war damals der Anspruch des jungen Mannes, der aus familiären Gründen früh auf eigenen Beinen stehen musste. „Die Zeche gab mir die Gelegenheit dazu“, sagt der 75-Jährige heute in der Rückschau.
Dass die Zeche auch nahezu die ganze Welt in sein heimisches Wohnzimmer im Rande des Mülheimer Uhlenhorsts bringen sollte, Erhard Mohr hat das damals sicher nicht geahnt.
Internationalität im Mohr’schen Haus
Weil die Forschung in Energieumwandlungstechniken ein weiterer Aspekt seiner beruflichen Laufbahn wurde, zog Internationalität im Mohr’schen Haus ein. „Da war ich für den deutschen Bergbau auf internationaler Ebene unterwegs“, sagt der pensionierte Professor bescheiden. USA, Kolumbien, Chile, Brasilien, Australien, Indien, China. . . Seine Frau und sein Sohn Stefan, heute 41 Jahre alt, erzählen, was das für das Familienleben bedeutete: „Waren die Geschäftspartner in Deutschland zu Gast, lud man sie nach Hause ein.“ Für Bärbel Mohr, gelernte Hauswirtschafterin und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, eine Selbstverständlichkeit. Aber dennoch, Unsicherheit war anfangs da: „Da kommen Hindus! Was kocht man für die?“ Und Sohn Stefan erzählt: „Es kam auch immer eine nette Chinesin zu Gast.“ Eine Ming-Vase, das kostbare Gastgeschenk, erinnert an die Besuche und wird noch heute gut verpackt im Schrank gehütet. „Für uns Kinder war die Vase absolut tabu“, erinnert sich Stefan Mohr.
Sammlung an Kohlekeramiken
Aber noch etwa anderes hütet Erhard Mohr wie einen Schatz – und beinahe so etwas ist es auch: Seine Sammlung an Kohlekeramiken, die später an seinen Sohn übergehen soll. Tiefschwarze, zumeist etwa handtellergroße Plaketten, die als Prägung beispielsweise das Mülheimer Wappen tragen oder eine Abbildung als Erinnerung an die Jugendfestspiele 1965.
Für die Herstellung von kohlekeramischen Produkten wurde feine Kohle bei hohem Druck gepresst und anschließend gebrannt. Städte oder Vereine brachten ihre Verbundenheit mit dem Ruhrgebiet zum Ausdruck, indem sie Wandmedaillen aus diesem für die Region so charakteristischen Rohstoff herstellen ließen und verschenkten. Aus Anlass von Vereinsjubiläen oder als Ehrung bei Sportveranstaltungen wurden Medaillen aus Kohle geprägt. Damals wurde sogar prophezeit, dass Kohle als schwarzes Porzellan mit dem weißen Porzellan konkurrieren würde. Dies sollte sich bekanntlich nicht bewahrheiten.
Kohlekeramik als Gastgeschenke
Für Erhard Mohr aber und seine Familie haben die Kohlekeramiken nach wie vor einen hohen Wert. In seiner Zeit an der Forschungseinrichtung des Bergbaus in Essen gehörte das Verfahren zur Herstellung von Kohlekeramiken zu seinem Zuständigkeitsbereich, blickt Mohr zurück und ordnet ein: „Das Verfahren war bereits in den 30er Jahren entwickelt worden, unter anderem für die Raketentechnik. Später wurde damit Aktivkohle aus Steinkohle gewonnen, zur Luft- und Wasserreinhaltung.“
Weniger wissenschaftlich kamen die Kohlekeramiken im Hause Mohr an. „Bei unseren Kindergeburtstagen bekamen die Kinder auch kleine Keramiken als Gastgeschenke“, erinnert sich Stefan Mohr. Und noch viel früher bekamen Gäste kleine Täfelchen aus Kohlekeramik geschenkt: bei der Hochzeit von Erhard und Barbara, genannt Bärbel Mohr, im Jahre 1976 – natürlich mit der Barbara als Motiv, der Schutzheiligen der Bergleute.
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Bei der Gemeinschaftsproduktion
„Mehr als Kohle – Erinnerungen an unsere Bergbau-Ära“ haben zum ersten Mal alle WAZ-Lokalredaktionen und alle Lokalradios im Ruhrgebiet zusammengearbeitet.
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