Mülheim. Die Idee der Umzugsprämie für Senioren stößt in Mülheim auf geteilte Meinungen. Die Senioren hängen an ihrem Umfeld und die Kommune ist klamm.

Für die einen zu groß, für die anderen zu klein. Wenn die Kinder ausgezogen sind und eventuell auch noch der Partner verstorben ist, wohnen viele Senioren in Wohnungen, die eigentlich zu groß für eine Person sind. Gleichzeitig finden Familien nur schwer eine Bleibe. Die Idee von Gewerkschafts-Chef Robert Feiger (IG Bau), Senioren durch eine Umzugsprämie dazu zu bewegen, in kleinere Wohnungen zu ziehen und so Platz für Familien zu machen, stößt in Mülheim auf geteilte Meinungen.

Rainer Hartmann, Vorsitzender der Mülheimer Senioren-Union, findet den Grundgedanken zwar nicht schlecht, aber er möchte die Freiwilligkeit eines Umzugs im Vordergrund sehen. „Die Situation ist bestimmt gegeben, dass hier in Mülheim viele Senioren in zu großen und auch eigentlich zu teuren Wohnungen leben“, sagt Hartmann. „Aber es ist auch das gewohnte Wohnumfeld, das Verwurzeltsein, das viele Senioren von einem Umzug zurückschrecken lässt.“ Zudem fragt sich Hartmann, wie solch ein Projekt finanziell überhaupt gestemmt werden soll. „Gerade in klammen Kommunen, wie Mülheim, wäre das doch gar nicht drin. Immerhin ist von bis zu 5000 Euro die Rede, die der Staat den Rentnern zahlen soll.“

„Grundsätzlich ist die Idee ja gut gemeint“

Harald Bartnik, Geschäftsführer des Mülheimer Mieterschutzbundes, ist da ähnlicher Meinung. „Grundsätzlich ist die Idee ja gut gemeint“, sagt Bartnik „Dennoch halten wir davon nicht viel, denn alles was Druck auf Senioren ausübt, darf so nicht sein.“ Zwar erlebe er immer wieder solche Fälle, dass ältere Mieter sich kleiner setzen möchten, dabei scheitere es aber nicht an der finanziellen Seite, sondern daran, dass die Menschen nicht aus ihrem gewohnten Umfeld heraus möchten. „Viele ältere Leute wohnen schon seit über 40 Jahren oder länger in ihren Wohnungen“, weiß Bartnik. „Da kann auch eine Umzugsprämie nicht groß locken.“ Außerdem hält Harald Bartnik das Problem in Mülheim für nicht so akut wie in anderen Großstädten. „Wir haben zwar auch zu wenig Wohnungen für Familien hier bei uns, aber die Situation ist lange nicht so dramatisch wie etwa in Köln oder Frankfurt.“ Außerdem zweifelt auch Harald Bartnik an der finanziellen Umsetzung der Idee der Umzugsprämie.

„Mülheim braucht mehr altengerechte Wohnungen“

Dass die Idee der Umzugsprämie für Senioren in Mülheim keinen großen Anklang finden könnte, hat noch einen anderen Grund. Aufgrund des überdurchschnittlich hohen Alters der Bürger sind hier gerade altengerechte Wohnungen gefragt. Das bestätigt Marc Peters vom Mülheimer Wohnungsbau. „Wir haben über 600 altersgerechte und barrierefreie Wohnungen im Bestand, Tendenz steigend. Und die Nachfrage ist immer noch größer als das Angebot.“

Den Trend sieht auch seine Kollegin Christina Heine (SWB). Dort sind im Bestand sogar über 1000 seniorengerechte Wohnungen. „Immer, wenn bei uns Sanierungen ins Haus stehen, wird seniorengerecht umgebaut“, so Heine. „Das soll aber nicht heißen, dass keine junge Familie in solch eine Wohnung einziehen könnte.“ Dennoch muss auch Christina Heine zugeben: „50 % unserer Wohnungen über 70 Quadratmeter sind durch Senioren belegt, also Wohnungen, die für kleine Familien geeignet wären.“ Diese Wohnungen würden jedoch nur 25 % des Gesamtbestandes ausmachen. Dass es auch einen Mangel an familiengeeigneten Wohnungen gibt, müssen Peters und Heine zugeben, jedoch sei es nicht von der Hand zu weisen, dass der Bedarf an altengerechten Wohnungen in Mülheim noch höher sei. Beim SWB sind über 50 % der Mieter 60 Jahre alt oder älter.