Mülheim. Gerade erst kostspielig wiederhergestellt, muss das Friedrich-Wennmann-Bad in Kürze wieder schließen. Baumängel erfordern eine Reparatur. Der Leiter des zuständigen Amtes in der Stadtverwaltung erklärt das mit dem Phänomen des Kölner Doms: Bauwerke sind nie ganz fertig. Hat er Recht?
Frank Buchwald hat die Kraft des Wortes schätzen gelernt. Das Metier des 58-Jährigen sind staubtrockene Technik, punktgenaue DIN-Normen, komplexe Raummaße und kaum weniger komplexe Bauvorschriften. Ingenieuren gefällt das, doch Buchwald hat es nur selten mit Ingenieuren zu tun, sondern meist mit Anwälten, Lehrern, Rentnern und Kaufleuten, kurzum: Politikern.
Um verstanden zu werden, verlegt sich der oberste Hüter der städtischen Liegenschaften da gerne auf anschauliche Sprachbilder, je anschaulicher, desto besser. Beispiel? Der Unterhalt eines Gebäudes verhält sich zu dessen Baukosten wie „ein Big Mac zu seiner Verpackung“. Mahlzeit!, sagt das Publikum und ahnt: Daran haben wir noch länger zu kauen. So wie dieses Mal an dem oben abgedruckten Zitat, das Buchwald in der vorigen Woche benutzte und das ihm, wie er freundlich sagt, „viele Rückmeldungen“ eingetragen hat.
Das Wennmann-Bad als Mülheimer Variante des Kölner Doms, ständig erneuerungsbedürftig und kostentreibend? Wie stimmig ist dieses Sprachbild wirklich?
Bau des Kölner Doms begann 1248
Lassen wir die durchaus unterschiedliche Nutzung der beiden Gebäude außer Acht und beginnen mit Punkt 1, der Größe.
Auf den ersten Blick erkennbar, der Dom ist höher, länger und überhaupt größer als das Bad. Allerdings, um wieviel größer, das erschließt sich erst durch einen Blick in die Bauunterlagen. Die Steine des Wennmann-Bads umschließen 17.250 Kubikmeter Raum. Das ist bereits eine stattliche und keineswegs belanglose Größe. Umbauter Raum ist etwa für Kreditinstitute wichtig, wenn es um die Frage der Wertermittlung eines Einfamilienhauses geht, das rund 1000 Kubikmeter umbauten Raums aufweist. Und jetzt die Kubikmeterangabe für den Kölner Dom: 407.000. Mit anderen Worten: In den Dom passen 400 Einfamilienhäuser hinein, in das Wennmann-Bad 17. Und das 18. deutlich gequetscht.
Punkt 2, die Baukosten. Die sind praktisch unvergleichbar, was nicht an Währungsschwankungen liegt, sondern an Punkt 3, dem Alter. Das Bad ist ziemlich genau 40 Jahre alt, der Kölner Dom ist, naja, irgendwie viel älter. Die genaue Angabe ist nicht einfach zu treffen, weil die Kölner mit dem Bau 1248 begannen und im Grunde erst 1880 fertig geworden sind. Zwischendurch ist mal die Baustelle abgebrannt, durch Pfusch ruiniert worden, das Geld ausgegangen und Jahrhunderte lang die Lust, weiterzumachen. Alles in allem ungefähr die Methode, mit der man heute Flughäfen baut.
Der Dom wird nie fertig
Bis hierhin ist eine annähernde Vergleichbarkeit feststellbar. Bleibt der entscheidende, der Punkt 4, die ständige Erneuerung. Muss das wirklich sein?
Was den Dom betrifft, ein klares Ja. Ständig fällt irgendwo irgendwas runter, mal gibt Gemäuer nach, dann mag das Holz nicht mehr, man staunt eigentlich, wann bloß die Bilder entstanden sind, die die imposante Kirche ohne Gerüste zeigen. In der Stadt selbst bewegt das indes niemanden sonderlich. Der Dom wird nie fertig, sagen die Kölner. Und fertig.
Aber ein Schwimmbad? Muss man bei einem Bad damit leben, dass es, wie das Heißener Bad, ärgerlich oft eine Baustelle ist?
An der Stelle kann Frank Buchwald sehr ernst werden - und sehr ärgerlich. So wie vorige Woche im zuständigen Fachausschuss des Rates, als er den Eindruck hatte, man wollte ihn „auf die Nudel schieben“, was vermutlich meint, ihm das ganze Durcheinander anzulasten, „so als wären wir nicht in der Lage, unsere Arbeit zu machen.“
Wer vorne spart, zahlt hinten drauf
Dazu brauchte es ein Wort und zwei Zahlen. Vor zwei Jahren sei doch das Bad für 2,5 Millionen Euro saniert worden, wie könne es da Probleme mit dem Mörtel geben, die eine erneute Reparatur samt Schließung erzwingen? Ganz einfach, sagt Buchwald. Erstens sei das Bad 2012 nicht saniert, sondern generalüberholt worden. Ein mehr als feinsinniger Unterschied: „Wir haben repariert, was kaputt war, Dach, Fliesen, Fenster und dergleichen.“ Zweitens war bei Arbeiten und Abnahme nicht erkennbar, dass der Mörtel untauglich ist, das ergab nun eben die Zeit. Und drittens klingen 2,5 Millionen Euro nur nach viel Geld, sind es aber gar nicht
Zumindest wenn man, wie Buchwald, zugrundelegt, was alle Baufachleute tun: zu den Bau- und den Betriebskosten eines Gebäudes den eigentlich notwendigen Bauunterhalt hinzuzurechnen. Den beziffert Buchwald für das Friedrich-Wennmann-Bad nach allen Lehrmeinungen auf 200.000 Euro. Pro Jahr. Ander gesagt: Wer 200.000 Euro pro Jahr in den Unterhalt des Bades steckt, kann vor den gröbsten Überraschungen sicher sein. Das Problem: Dieses Geld hat Buchwald, hat die Stadtkasse nicht. Also, sagt der Ingenieur, zahlt man die Zeche, wenn die Schäden groß und unübersehbar und kostspielig sind.
Das Fazit: Der Vergleich, so skurril er wirkt, stimmt. Wenn auch auf andere Weise als gedacht.