Herne. Im Straßenverkehr sieht man immer mehr E-Autos, doch bei Lkw sind sie noch die Ausnahme. Eine Spedition schickt nun die ersten E-Lkw auf Tour.

Elektromobilität - erst hat sie Fahrt aufgenommen, doch zuletzt war die Nachfrage nach den „Stromern“ deutlich gesunken. Quasi noch an der Startlinie stehen elektrische Lastwagen, sie sind zurzeit die große Ausnahme auf den Straßen. Dafür, dass sich das langsam ändert, sorgt der europaweit agierende Logistikdienstleister Duvenbeck. Am Herner Standort in Unser Fritz sind seit einigen Monaten inzwischen neun E-Lkw stationiert. Das sind die ersten Erfahrungen...

Große Zugmaschine fährt fast lautlos

...und eine Erfahrung hat die Herner WAZ-Redaktion bei ihrem Besuch gleich selbst gemacht: Plötzlich steht die Zugmaschine neben uns. Ganz leise ist sie herangerollt, es wirkt ungewohnt, wenn Lkw sich gar nicht mit dem charakteristischen Diesel-Genagel nähern. Elektrisch fährt es sich fast lautlos.

Doch die leise Geräuschkulisse war für das Unternehmen mit Hauptsitz in Bocholt selbstverständlich nur ein Detail, beim Einstieg in die E-Mobilität haben andere Faktoren die Hauptrollen gespielt, wie Geschäftsführer Kerem Morales erläutert: „Der Wille sich zu verändern und Vorreiter bei der E-Mobilität für Lkw zu sein, der ist bei Duvenbeck da.“

Duvenbeck
Die Ladestation in Unser Fritz betreibt Duvenbeck mit Bio-Ethanol - ein Pilotprojekt. © Tobias Bolsmann | WAZ

Für Duvenbeck sei es wichtig, seine Flotte zu diversifizieren, sie also breiter aufzustellen. Ziel sei es, in den kommenden Jahren CO2 einzusparen und so die Logistikketten emissionsärmer zu machen. Ein Ziel, das freilich auch von der EU gefordert wird: Demnach müssen Lkw über 7,5 Tonnen ab 2030 gegenüber 2020 eine Minderung von mindestens 45 Prozent an CO2 erreichen. Bis 2040 sollen es sogar 90 Prozent sein. Also macht sich Duvenbeck auf den Weg. In Herne rollen bereits jetzt neun E-Lkw, in Zukunft sollen es mehr werden. Hintergrund: Das Unternehmen, das bislang etwa 1600 Lkw in seiner Flotte hat, hat mit MAN eine Absichtserklärung unterzeichnet, bis Ende 2026 120 rein elektrische Lkw in Betrieb zu haben.

Fahrer mögen den Fahrkomfort, doch das Laden dauert ihnen zu lang

Beim Einsatz der E-Lkw spielen die gleichen Fragen eine Rolle wie bei Pkw: Fahrer Arafa Koyuncu lobt zwar den Fahrkomfort, aber das Laden dauere ihm einfach zu lange. Zwei Stunden vergingen, bis die Akkus wieder voll sind. Wenn die Fahrer die Dieseltanks füllen, sind sie nach rund 20 Minuten fertig „An die zwei Stunden müssen sich die Fahrer gewöhnen“, so Morales. Und: Die Ladevorgänge müssten geplant werden, das offenbaren zwei Zahlen: Am Standort in Unser Fritz stehen drei Ladesäulen zur Verfügung - bei neun Lkw. So kann es auch mal vorkommen, dass eine Zugmaschine an der öffentlichen Ladesäule bei Decathlon in Holsterhausen hängt. Erstaunlich: Die Ladesäulen werden nicht vom Herner Stromnetz gespeist, sondern mit Bioethanol betrieben, um die elektrische Energie zu erzeugen. Hintergrund: Bei diesem Modell handelt es sich um ein gefördertes Pilotprojekt.

Touren müssen auf die Reichweiten den Akkus abgestimmt sein

Wie bei Pkw so gibt es auch bei Lkw die Frage nach der Reichweite. Duvenbecks E-Lkw verfügen nach den Worten von Morales über eine Reichweite von rund 350 Kilometern. Reichen diese 350 Kilometer - beladen sind es weniger - im Fernverkehr? Hinter dieser Frage steht die Tatsache, dass die Ladeinfrastruktur für Lkw entlang der Autobahnen bislang so gut wie nicht vorhanden ist. Doch im Zuge des Kaufs der 120 MAN-E-Zugmaschinen werde sie entlang der Strecken, die Duvenbeck fährt, aufgebaut. Unter anderem ist ein festes Ziel VW in Wolfsburg. Zurzeit müssten die Touren der Lkw so geplant werden, dass sie mit den Reichweiten der Akkus übereinstimmt. All dies seien durchaus noch Herausforderungen, doch diesen Herausforderungen stelle sich Duvenbeck.

>>> Standort in Unser Fritz ist seit 2017 in Betrieb

Duvenbeck hat den Herner Standort im September 2017 in Betrieb genommen. In Unser Fritz wurden die Standorte Duisburg, Bochum und Wuppertal zusammengelegt.

Neben den Verkehren auf der Straße nutzt Duvenbeck auch das Container-Terminal Herne und schickt von dort Züge nach Landshut. Zwar gehören zahlreiche deutsche Autobauer zu den Kunden, doch das Unternehmen ist laut Kerem Morales deutlich breiter aufgestellt.