Herne. Zehn Jahre nach dem Absacken ihrer Terrasse ringt eine Rentnerin um die Wiederherstellung des Außenbereichs. Der Stress hat sie krank gemacht.

Der Pfingststurm Ela hat 2014 auch Christel Neuschwander arg zugesetzt: Die kleine Terrasse ihrer Wohnung des DRK-Hauses an der Von-der-Heydt-Straße in Herne-Mitte sackte nach dem Unwetter ab. Über viele Jahre gab sie sich mit einem Provisorium zufrieden und zahlte sogar die volle Miete an den Wohlfahrtsverband. Doch als dann 2023 auch noch Ratten in dem notdürftig wiederhergestellten Außenbereich heimisch wurden, war ihre Geduld am Ende. Die Folge des Kampfs um ihre Terrasse: Christel Neuschwander wurde krank.

Sie habe Gürtelrose im Gesicht - „das kommt vom Stress“, sagt die 83-Jährige. Eine Woche sei sie deswegen kürzlich im Krankenhaus gewesen. Vor Monaten sei sie schon einmal eingeliefert worden. „Verdacht auf Schlaganfall.“ Zum Glück habe sich das nicht bestätigt. Neuschwander ist sich sicher: „Auch das war stressbedingt.“ Stress, der vor allem durch das monatelange Ringen mit ihrem Vermieter ausgelöst worden sei.

Bauschutt im Boden wurde nicht verdichtet

Seit elf Jahren lebt Christel Neuschwander in der etwas über 40 Quadratmeter kleinen Seniorenwohnung des Deutschen Roten Kreuzes. „Für mich reicht das. Ich wohne eigentlich gerne hier“, erzählt die Rentnerin. Ihre Warmmiete liege bei rund 420 Euro. Die Kaltmiete von 218 Euro sei vom DRK seit Jahren nicht erhöht worden, lobt sie.

Dann kam Ela. In Mitleidenschaft gezogen durch Folgen des Pfingstunwetters wurde 2014 nicht nur ihr kleines Außenreich, sondern direkt nebenan auch die große Terrasse des Gemeinschaftsraums der Wohnanlage. Beim anschließenden Auskoffern des Bodens habe die Fachfirma damals festgestellt, dass vor der Errichtung des Hauses Bauschutt im Boden verarbeitet und anschließend nicht richtig verdichtet worden sei. Bis Februar 2015 sei der Boden wieder aufgefüllt worden - allerdings nur bis auf eine Höhe von 50 Zentimetern unterhalb ihrer Terrassentür, berichtet Neuschwander. Warum nicht weitergebaut wurde, sei ihr nicht gesagt worden.

Nach draußen konnte sie nicht mehr. „Irgendwann habe ich dann gesagt: Stopp, ich will meine Terrasse wieder nutzen“, erzählt sie. Das wurde vom DRK auch möglich gemacht: Ein Provisorium sei errichtet worden, mit einer Behelfsstufe vor ihrer Tür und alten Steinplatten als Terrassenfläche. „Damit war ich erstmal zufrieden.“ Inzwischen sei aber alles krumm und schief. Das wurde ihr beim Termin mit der WAZ fast zum Verhängnis, als sie über eine Kante stürzte.

Mit diesem Provisorium hatte sich Christel Neuschwander über viele Jahre arrangiert.
Mit diesem Provisorium hatte sich Christel Neuschwander über viele Jahre arrangiert. © Lars-Oliver Christoph

Dann kamen die Ratten. 2023 sei das gewesen: Erst habe sie Sandhäufchen entdeckt, anschließend einige Hügel. Sie habe den Rattenbefall dem DRK gemeldet, das wiederum die Stadt alarmiert habe. Nach dem Auslegen von Gift sei nach rund sechs Wochen von den Nagern keine Spur mehr gewesen.

Christel Neuschwander war längst mit ihrer Geduld am Ende. Ihre Botschaft an den Vermieter: „Wenn die Ratten weg sind, bekomme ich meine Terrasse zurück - wie, das ist mir egal.“ Zunächst habe sich gar nichts getan. Anschließend habe das DRK sie mit unterschiedlichen Begründungen hingehalten, sagt die Rentnerin. Weil ein Baubeginn nicht in Sicht gewesen sei, habe sie ihren Vermieter gewarnt: Wenn nichts passiere, informiere sie die Zeitung.

Immer neue Gründe seien ihr für Verzögerungen genannt worden. Als ihr dann auch noch mitgeteilt worden sei, dass die zuständige stellvertretende Geschäftsführerin erst einmal im Urlaub sei, „ist mir der Kragen geplatzt“, sagt Neuschwander. Sie ging zur Zeitung. Nach der (durch die?) WAZ-Anfrage ging alles ganz schnell. Noch vor der Beantwortung der redaktionellen Fragen durch das DRK erhielt Christel Neuschwander einen Anruf: Voraussichtlich ab Mitte August werde die Terrasse wiederhergestellt.

DRK Herne: Diverse Umstände verzögerten die Entscheidung

Was sagt das Deutsche Rote Kreuz? „Wir sind mit unserer Mieterin Frau Neuschwander tatsächlich seit Längerem bezüglich des Zustandes ihrer Terrasse im Austausch“, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin Karina Müller auf Anfrage der WAZ. Es habe bereits in der Vergangenheit Besichtigungen durch Haustechniker und Architekten gegeben, die den Zustand der Terrasse bewertet hätten. Zuletzt habe es eine Vor-Ort-Begehung gegeben, anschließend seien Angebote verschiedener Firmen eingeholt worden. Die Zusendung dieser Angebote habe einige Wochen Zeit in Anspruch genommen.

Die Geschäftsstelle des Deutschen Roten Kreuzes an der Harkortstraße in Eickel.
Die Geschäftsstelle des Deutschen Roten Kreuzes an der Harkortstraße in Eickel. © loc

Leider sei durch „diverse Umstände“, wie Mitarbeiterwechsel und -abwesenheiten und Umstrukturierungen, nicht abschließend entschieden worden, wie mit der Terrassenplanung und/oder einem möglichen Terrassenneubau weiter verfahren werden sollte. „Dabei spielen gerade die Kosten eine erhebliche Rolle. Wir sind als gemeinnützige Organisation nicht daran interessiert, hohe Mieten zu verlangen“, so Müller. Das höchste Interesse des DRK sei es, gerade für die ältere Gesellschaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Daher müssen wir als Vermieter, mehr als andere Vermieter für frei finanzierte Wohnungen, auf unsere Investitionen achten und diese bedacht einsetzen.“

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Die 2014 abgesackte Terrasse wird nun sogar noch schneller wiederhergestellt als vom DRK angekündigt: Bereits am Montag, 22. Juli, seien Mitarbeiter einer Baufirma angerückt, berichtet Christel Neuschwander.