Herne. Nach dem EM-Aus der Türkei kochen die Emotionen in Herne hoch. Die Lehre: Wichtig ist nicht nur aufm Platz, sondern auch das Differenzieren.

Eigentlich ist es nur Fußball. Doch die heftigen Reaktionen vor und nach dem EM-Spiel der Türkei gegen die Niederlande - auch in Herne - haben einmal mehr gezeigt, dass in Deutschland im Zusammenleben einiges im Argen liegt. Und wie so oft gibt es hier nicht nur schwarz und weiß, sondern es gilt zu differenzieren.

Festzuhalten bleibt zunächst mal: Auf der einen Seite gibt es Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Deutschland dem Autokraten Erdogan sowie rechtsextremen Organisationen wie den „Grauen Wölfen“ huldigen. Auf der anderen Seite machen Menschen keinen Hehl daraus, dass zum Deutschsein „deutsches Blut“ gehört. Eine rassistische Geisteshaltung, die vor allem durch Parteien wie die AfD an Zustimmung gewinnt und die - in Kombination mit dem schon immer grassierenden Alltagsrassismus - es vielen demokratisch gesinnten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte immer schwerer macht, sich zu diesem Land zu bekennen.

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Der Herner Integrationsbeauftragte Ibrahim Baltaci schießt in einigen Punkten übers Ziel hinaus, spricht einige Dinge aber zu Recht an. Was man bei ihm und vielen anderen deutsch-türkischen Fußballfans in diesen Tagen jedoch vermisst, ist eine öffentliche Distanzierung von „Grauen Wölfen“ sowie eine klare Haltung zu den von türkischen Anhängern inflationär gezeigten Wolfsgrüßen. Nicht wenige der Anti-Türkei-Reaktionen bei der EM in Deutschland dürften auf dieses dröhnende Schweigen zurückzuführen sein.

Und trotz nationalistischer Auswüchse ist es fragwürdig, dem türkischen Team in Deutschland vor dem Spiel gegen die Niederlande aus nicht-sportlichen Gründen das Aus zu wünschen. Das ist ein Foul an demokratisch gesinnten Türkei-Fans und vor allem an jenen deutsch-türkischen Fans, die mit beiden Mannschaften gefiebert haben. Und dass es nach wichtigen Siegen von Fußballmannschaften zu Autokorsos kommt, haben Anhänger des türkischen Teams nicht exklusiv - auch wenn diese Fan-Gruppe das Ritual besonders exzessiv zelebriert.