Herne. Das Aus des Herner Real-Markts sei wie der Welt-Untergang gewesen, erzählen drei ehemalige Mitarbeiterinnen. Wo sie ihr neues Glück fanden.
Das Siechtum der Real-Warenhäuser dauerte mehrere Jahre: Zunächst versuchte die Metro, die Häuser zu verkaufen, später andere Eigentümer. Am Ende blieben 62 Filialen übrig, darunter jene in Herne am Großmarkt. Im März war endgültig Schluss, die letzten Filialen schlossen, die Marke Real ist nun verschwunden. Das Ende des Herner Standorts geriet unwürdig, in der Endphase wurde die verbliebene Ware mit bis zu 70 Prozent verramscht, sodass das Geschäft am letzten Verkaufstag schon nach einer Stunde wieder geschlossen wurde, weil die Regale komplett leer waren. Für die Mitarbeiterinnen war das Aus - trotz des monatelangen Vorlaufs - ein Schock. „Die Welt ist untergegangen“, erzählen drei von ihnen. Inzwischen können sie wieder lächeln, denn die Welt ist für sie wieder aufgegangen. In der Globus-Markthalle im Bochumer Hannibal-Center.
„Real wurde seit Jahren auf Verschleiß gefahren“
Die Jahre seit 2020 seien zermürbend gewesen, erzählen Elke Wensolowski, Sabine Falkenburger und Melek Cengiz im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. „Real wurde schon seit Jahren auf Verschleiß gefahren“, so Wensolowski. Im vergangenen Winter hätten sie sechs Monate ohne Heizung bei sieben Grad Innentemperatur verbracht, weil sie nicht mehr repariert worden sei. In der Endphase wurden auch die Tiefkühltruhen außer Betrieb genommen - nicht weil sie defekt gewesen wären, sondern weil das Nachfüllen mit Kühlmittel zu teuer gewesen wäre.
Mit ihren 63 Jahren hat Elke Wensolowski fast die Hälfte ihres Lebens bei Real verbracht: 28 Jahre. Und sie hat bis zum letzten Verkaufstag dort ausgeharrt. Nach so vielen Jahren habe man ein Treuegefühl. Allerdings: „Ich habe es mir nicht so schlimm vorgestellt. Das war wie Leichenfleddern.“ Das gelte nicht für die Stammkundschaft, die hätte sich herzlich verabschiedet, aber es sei Publikum aufgetaucht, das noch nie vorher da gewesen sei. Manche hätten mehrere Einkaufswagen vollgepackt. Was ihr übel aufgestoßen ist: Trotz der riesigen Rabatte hätten sich manche Kunden über den Preis beschwert. „Für sowas braucht man Nerven. Schön geht anders.“
Und: Sämtliche Marktleiter hätten bis zum Schluss positiv geredet. Der letzte habe gesagt, dass auf keinen Fall geschlossen werde. „Man hat bis zum Schluss versucht, uns hinzuhalten“, erzählt Melek Cengiz. Man habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ganze Zeit im Dunkeln gelassen - bis zur Kündigung vor Silvester vergangenen Jahres.
Elke Wensolowski ist dankbar, dass Globus sie im Alter von 62 Jahren eingestellt hat
„Das Gefühl, wenn sich die Regale immer weiter leeren, hat mich mehr mitgenommen, als ich geglaubt habe, obwohl ich wusste, was auf mich zukommt. Wir waren ja nicht blauäugig. Aber das zieht einen total runter“, so Wesolowski. Obwohl sie schon die Zusage bei Globus hatte, sei sie bis zum letzten Tag bei Real geblieben - eine Erfahrung, auf die sie in der Rückschau hätte verzichten können. Ihrem neuen Unternehmen ist sie dankbar, dass es sie im Alter von 62 eingestellt hat. Bei der Agentur für Arbeit habe man ihr gesagt, sie solle „stempeln“ und dann in Rente gehen. „Aber ich habe noch nie gestempelt, habe noch nie vom Staat etwas erhalten, das wollte ich nicht.“ Dass sie in ihrem Alter noch eine Neuanstellung bekommt, daran habe sie nicht mehr geglaubt. Deshalb sei sie so dankbar, dass es bei Globus geklappt hat. Beworben habe sie sich, weil eine ehemalige „Realo“, die schon bei Globus arbeitet, ihr geraten habe, ein Bewerbungsschreiben zu schicken. Sie habe eine Chance. „Der Zusammenhalt unter den Realos ist sehr groß“, so Wensolowski. Und Sabine Falkenburger ergänzt: „Wir waren wie eine Familie, wir sind zusammen alt geworden.“
In die Lehre, als noch das Divi-Logo an der Juliastraße thronte
Das gilt in besonderem Maß für Melek Cengiz. Die 53-Jährige trat 1988 ihre Lehre an der Juliastraße an, als über dem Gebäude noch das Divi-Logo thronte. Nach so langer Zeit im Unternehmen „ist die Welt für mich untergegangen“. Es habe lange gedauert, bis sie realisiert habe, was eigentlich passiert. „Man will es einfach nicht wahrhaben.“ Sie hat einen harten Schnitt gemacht: Ihr letzter Arbeitstag bei Real war am 29. Februar, ihr erster bei Globus am 1. März. Die ersten Tage seien schwer gewesen, „ich habe die ein oder andere Träne verdrückt, weil ich keine Zeit hatte durchzuatmen“, erzählt sie. „Ich habe mich auch erwischt, als ich morgens zum Real gefahren bin und nicht zu Globus.“ Geholfen habe, dass viele Stammkunden von Real mit zu Globus gewechselt seien. „Eine 94-Jährige kommt jeden Samstag hierhin, weil wir hier sind.“
Sabine Falkenburger war 19 Jahre bei Real beschäftigt, doch schon vor der Nachricht des endgültigen Endes hat sie mit ihrer Familie den Entschluss gefasst, sich nach einer anderen Stelle umzuschauen. Die Aussichten hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon sehr verdüstert. „Dann muss man eine Perspektive für sich finden.“ Man hänge zwar nach so einer langen Zeit am Unternehmen, doch man müsse ja irgendwann reagieren.
Also stand die 59-Jährige eines Tages unangemeldet vor dem Büro von Globus-Geschäftsführer Moritz Groß, um sich zu bewerben - mit Erfolg. „Ich fand es gut, dass Frau Falkenburger die Initiative ergriffen hat“, erzählt Groß. Fachkräfte seien begehrt, sie seien sich schnell einig gewesen. Er habe in der Spätphase von Real Kontakt zum dortigen Marktleiter gehabt, um darauf hinzuweisen, dass Globus den Mitarbeitern eine Perspektive bieten könne. Das Alter spiele dabei keine Rolle. Die neuen Kolleginnen hätten ja eine sehr lange Erfahrung und würden auch super ins Team passen. „Wir sind hier herzlich aufgenommen worden“, sagen alle drei im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Kollegialität, Teamgeist und Menschlichkeit würden bei Globus ganz großgeschrieben.
Das Ankommen werde auch dadurch erleichtert, dass Globus als Unternehmen viel für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tut. „Wir gewähren viele Freiräume zur Entfaltung und fördern unternehmerisches Denken“, so Moritz Groß. „Wir sind zwar erst seit wenigen Monaten hier, aber wir sind froh, dass wir noch ein Teil dieser Geschichte werden können“, sagen die drei Neuen. In manchen Momenten würden sie die Erleichterung spüren, dass ihr Schicksal noch diese Wendung genommen hat.