Herne. Müssen 147 Herner Kleingärten für den Bau von Häusern weichen? Wie sich Betroffene wehren und welche deutlichen Signale aus der Politik kommen.
- Kleingartenanlage Im Stichkanal ist als künftige Wohnbaufläche markiert.
- Stadt Herne beschwichtigt und spricht von „groben Ideen“
- Vorsitzender des Kleingartenvereins geschockt über Pläne.
Das 75-jährige Bestehen begeht in diesem Jahr die Kleingartenanlage Im Stichkanal. Wenn man den von der Stadt als „gesamträumliche Zielvorstellung“ veröffentlichten „Masterplan Wasserlagen“ für bare Münze nimmt, wird es die 100-Jahr-Feier nicht mehr geben: Das gesamte Areal der flächenmäßig größten Herner Kleingartenanlage ist in der Nutzungs- und Strukturanalyse nämlich als künftige Wohnbaufläche markiert worden. Den Beteuerungen der Stadt – es handele sich nur um „grobe Ideen“ – traut der Vorstand der 147 Gärten zählenden Horsthauser Anlage nicht. Und auch aus der Politik wird bereits Widerspruch laut.
Geschockt und sprachlos seien sie zunächst gewesen, als sie Ende Juni erstmals vom Inhalt des Masterplans erfahren hätten, sagen KGV-Vorsitzender Jörg Riesberg und sein Vize Elmar Brennecke. „Wenn die Politik den Plänen nach der Sommerpause zustimmt, dann kommt der Deckel drauf und dann geht nichts mehr. Wenn wir uns nicht wehren, haben wir keine Chance“, so Riesberg (57). Ihnen sei nicht an einem Streit mit der Stadt gelegen, sondern sie wollten Antworten und „die Wahrheit“.
Herner CDU-Ratsfrau will alle Kleingartenanlagen erhalten
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Der Stadtverband der Kleingärtner ist derweil auf einzelne Politiker und Parteien zugegangen, um sie zu sensibilisieren und auf Änderungen im Masterplan bezüglich der Anlage in Horsthausen hinzuwirken. Sie habe bereits einige positive Signale empfangen und setze darauf, dass die Pläne geändert würden, berichtet Kornelia Matzat-Filler, Vorsitzende des Stadtverbands der Gartenfreunde Herne-Wanne.
Ein sehr deutliches Signal gibt es von CDU-Planungsexpertin Barbara Merten. Sie lehne persönlich eine Wohnbebauung auf Kleingartenflächen ab. „Die Kleingartenanlagen sind Hernes grüne Lunge“, so die Stadtverordnete zur WAZ. In Herne würden bereits zu viele Flächen „zugepflastert“. Das strebe die Verwaltung offenbar auch für die Anlage Im Stichkanal an: „Ich gehe davon aus, dass die Stadt die Pläne auch so verwirklichen will“, so Merten.
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Ohne eine Zustimmung der Politik wäre dies allerdings nicht möglich. Nach der Sommerpause soll der „Masterplan Wasserlagen“ im Planungsausschuss auf der Tagesordnung stehen. Ebenfalls nach den Ferien will der Vorstand der Anlage Im Stichkanal mit seinen Mitgliedern in einer internen Versammlung die Situation und das weitere Vorgehen erörtern.
Informationspolitik der Stadt Herne wirft Fragen auf
Bereits im Vorfeld gibt es allerdings Differenzen unter den Kleingärtnern. Mitglieder werfen dem KGV-Vorstand vor, die Lage zu dramatisieren bzw. in der Einladung zur Versammlung falsche Behauptungen aufzustellen wie diese: „Die Stadt Herne will den Generalpachtvertrag für unsere Anlage kündigen.“ Zwischen dem KGV-Vorstand und dem Stadtverband gibt es zurzeit ebenfalls Spannungen – vor allem zu der Frage, ob die Kleingärtner zeitnah über den Masterplan informiert worden sind.
Kornelia Matzat-Filler, die für den Stadtverband Gartenfreunde an der Abschlusspräsentation zum „Masterplan Wasserlagen“ teilgenommen hat, betont, dass vom Wegfall der Kleingartenanlage gar nicht die Rede gewesen sei. Davon habe sie erst im Nachgang durch die Veröffentlichung der Pläne und Karten auf der Homepage der Stadt erfahren.
Und die Stadt? Die beteuert zwar, dass es sich bei dem unter Federführung eines externen Büros erarbeiteten Masterplans bisher nur um eine abstrakte Zielvorstellung handele. Mit ihrer Informationspolitik nährt die Verwaltung allerdings den Verdacht, dass eine Wohnbebauung auf der Kleingartenfläche festes Ziel ist.
In einer von der Stadt als Reaktion auf die ersten Kleingärtner-Proteste verfassten Pressemitteilung sowie in einer Mail eines Mitarbeiters des Planungsamtes – er antwortete auf die Beschwerde eines Bürgers an OB Dudda – heißt es unter anderem, dass alle Kleingartenanlagen möglichst erhalten werden sollen, es aber zu Verkleinerungen einzelner Parzellen kommen könnte. Grund: Flächenressourcen seien ausgesprochen knapp; es bestünden in Herne „große Bedarfe … für Wohnungsbau, Wirtschaft, Freizeit und Freiraum“.
Die erste Fassung der Pressemitteilung wurde von der Stadt noch vor Veröffentlichung korrigiert. Die aus Sicht der Kleingärtner zentrale Botschaft, dass die Stadt den Erhalt aller Parzellen anstrebe, fehlt in der überarbeiteten Pressemitteilung ebenso wie der Hinweis auf eine mögliche Verkleinerung von Gärten.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Die Kleingartenanlage Im Stichkanal
Nur ein kleiner Teil (22 Gärten) der insgesamt 92.000 Quadratmeter großen Kleingartenanlage Im Stichkanal ist im Eigentum der Stadt; der Großteil der Horsthauser Fläche (125 Gärten) gehört dem Land. Die Stadt Herne hat diese Fläche gepachtet.
Der Stadtverband der Gartenfreunde hat mit der Stadt einen Generalverpachtvertrag für die Anlage abgeschlossen; der Kleingartenverein ist Unterpächter.
Eine Kündigung des Generalpachtvertrags sei gegenwärtig nicht geplant, so ließ die Stadt verlauten.