Herne. Die Kulturszene in Herne hat durch Corona gelitten. Fachbereichsleiterin Claudia Stipp über Herausforderungen, Pläne und die Zukunft der Kultur.

Seit knapp einem Jahr ist Claudia Stipp nun Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur. Im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Nikolina Miscevic spricht sie unter anderem über ihr erstes Jahr im Amt, ihre Ziele und darüber, wie sich der Herner Durchschnittsbürger für Kultur begeistern lassen kann.

Sie sind nun knapp ein Jahr im Amt als Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur. Wie würden Sie Ihr erstes Amtsjahr beschreiben?

Ich habe hier einen sehr gut aufgestellten Bereich übernommen, muss ich sagen. Ein großer Vorteil ist, dass ich schon sehr lange im Fachbereich Kultur arbeite, seit fast 20 Jahren. Ich kenne die Strukturen, Personen und Abläufe.

Wie sehr hat Ihnen das geholfen – gerade in dieser von Corona geprägten Zeit?

Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass ich dieses Amt nicht in so einer schwierigen Zeit wie der Corona-Krise antrete. Zu diesem Zeitpunkt war Corona keine Unbekannte mehr, aber die Corona-Krise macht dem Kulturbereich sehr zu schaffen. Das muss man nicht beschönigen. Wir haben sehr viel im digitalen Bereich gemacht, haben dafür auch viele Fördermittel bekommen und konnten unser technisches Equipment daher sehr gut aufstocken. Corona hat uns hier einen Anstoß für etwas gegeben, das im Prinzip schon länger überfällig war.

Claudia Stipp hat vor knapp einem Jahr den Fachbereich Kultur von Peter Weber übernommen (Archivbild).
Claudia Stipp hat vor knapp einem Jahr den Fachbereich Kultur von Peter Weber übernommen (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Und das digitale Kultur-Angebot kommt gut an?

Ja, es wurde viel gestreamt, es wurden viele Videos gedreht und viele andere Formate produziert. Aber wir haben jetzt auch festgestellt, dass der Besucher doch langsam müde wird von diesen Formaten. Das ist so ein bisschen zweischneidig. Auf der einen Seite wünscht man sich das Erlebnis, eine Veranstaltung zu besuchen, und auf der anderen Seite ist die Resonanz noch nicht so groß, weil die Besucher noch sehr zurückhaltend sind. Durch die hohen Inzidenzen herrscht eine große Verunsicherung. Da wird noch viel Arbeit auf uns zukommen, um die Besucher zurückzugewinnen.

Was wären Maßnahmen, um Besucherinnen und Besucher wieder zu locken?

Ich glaube gar nicht, dass das so ohne Weiteres möglich ist. Corona ist in den Köpfen der Menschen verankert. Unser Ziel ist es, wieder Normalität zu schaffen. Ich glaube, das ist ein sukzessiver Prozess. Unsere Aufgabe ist es jetzt, den Bürgern attraktive Veranstaltungen zu bieten, der Rest wird sich langsam finden.

Attraktive und beliebte Veranstaltungen – welche sind das in Ihren Augen in Herne besonders?

Besonders beliebt sind große Formate. Ich muss immer an das Nightlight-Dinner denken, das jetzt zwei Jahre nicht stattfinden konnte. Das ist genau das, was man machen möchte, also Kultur direkt zu den Bürgern bringen. Es herrscht immer eine ganz tolle Atmosphäre, und die Innenstadt ist immer voll.

Die Kultur zu den Bürgerinnen und Bürgern bringen – das ist immer wieder ein Thema. Wie gelingt es, das Hochkulturelle, von außen auch immer etwas Unnahbare, für alle Bevölkerungsschichten zu öffnen?

Ich glaube, dass das in Herne nicht ganz so einfach ist, es ist gewissermaßen ein Spagat. Wir versuchen immer wieder etwas Neues – neue Formate brauchen jedoch eine gewisse Zeit, um angenommen zu werden. Ich denke, dass wir eine gute Mischung haben. Wir bieten neben populären Formaten auch anspruchsvollere Formte – etwa die klassischen Konzerte. Diese haben in Herne auch durchaus eine Besucherresonanz. Man muss sich immer wieder neu auf die Besucher einstellen und auf das, was sie möchten.

Was möchten sie in Herne denn?

Ich denke: eine gute Mischung. Sie möchten unterhalten werden, sie möchten aber auch auf einem ganz bestimmten Niveau unterhalten werden. Als Beispiel: Wir sind mit unserer Theaterreihe nach langer Zusammenarbeit mit der Konzertdirektion Landgraf zum Westfälischen Landestheater gewechselt. Das Programm ist vielfältiger und auch anspruchsvoller. Leider ist der Auftakt in die Corona-Zeit gefallen und die Veranstaltungen waren daher nicht so gut besucht. Aber ich bin überzeugt, dass wir unsere Besucher dafür gewinnen können.

Sehen Sie da noch viel Potenzial? Wird der Herner Durchschnittsbürger nicht erreicht?

Es ist kulturell viel los in Herne. Ich weiß nicht, warum das oftmals nicht so wahrgenommen wird. Wenn man sich unsere Jahresplanung anschaut, dann finde ich, dass wir sehr gut und vielfältig aufgestellt sind. Dass wir den Herner Bürger nicht erreichen, würde ich nicht sagen. Klar, nimmt man auch Kritik wahr, aber oftmals auch nur so globale Äußerungen, dass in Herne nichts los sei. Der kulturinteressierte Bürger empfindet das mit Sicherheit anders.

Eine der Kulturveranstaltungen, die coronabedingt ausfallen musste, ist Tegtmeiers Erben. Wird das nachgeholt?

Der Plan war eigentlich, die Finalisten zu Jahresbeginn noch mal einzeln in den Flottmann-Hallen auftreten zu lassen. Das hat aber leider nicht geklappt, weil die Veranstaltungen coronabedingt abgesagt werden mussten. Wir werden Tegtmeiers Erben in diesem Jahr nicht nachholen können. Der Aufwand ist einfach viel zu groß und der Vorlauf muss länger sein. Deswegen bleiben wir beim biennalen Rhythmus und die Tegtmeiers Erben finden dann nächstes Jahr wieder statt.

Stichwort Flottmann-Hallen: In diesem Jahr wird dort nach langer Verzögerung das Dach saniert. Ein Zirkuszelt soll in dieser Zeit der alternative Spielort sein. Gibt es da einen neuen Sachstand?

Die Sanierungsarbeiten sollen ab April losgehen. Unser Plan ist, ab Mai ein Zirkuszelt auf dem Außengelände von Flottmann aufzustellen. Wir sind dabei – die Ausschreibungen, die Planung und das Genehmigungsverfahren sind angestoßen worden. Wir hoffen, dass es umsetzbar ist.

Das Dach der Herner Flottmann-Hallen wird in diesem Jahr saniert.
Das Dach der Herner Flottmann-Hallen wird in diesem Jahr saniert. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Zeit für eine Zwischenbilanz: Was waren Ziele, die Sie sich zum Amtsantritt gestellt haben und welche davon konnten Sie schon umsetzen?

Es gibt Schwerpunkte, die ich mir vorgenommen habe. Ein Schwerpunkt ist unter anderem kulturelle Bildung. Wir haben hier ein gutes und engagiertes Team und tolle Projekte. Den Schwerpunkt möchte ich noch weiter vertiefen. Wir haben das Glück, zur Zeit an ganz vielen Förderungen von Bund und von Land zu partizipieren. Dadurch können wir einige neue Projekte aufbauen. Die kulturelle Bildung ist in der Corona-Krise doch ziemlich auf der Strecke geblieben.

Wieso legen Sie so viel Wert auf kulturelle Bildung?

Den Ansatz bei jungen Menschen zu machen, ist wichtig. Kulturelle Bildung fängt oftmals schon im Kindergarten oder in der Grundschule an. Es ist wichtig, Kinder daran heranzuführen, dass Kultur ein Teil des Lebens ist. Kultur macht das Leben schöner, bunter und auch friedlicher.

>>> ZUR PERSON: Seit 2004 im Kulturamt

Claudia Stipp (57) ist bei der Stadt Herne zur Diplom-Verwaltungswirtin ausgebildet worden. Sie wechselte 2004 nach neun Jahren vom Sozialamt ins Kulturamt. Ab 2017 leitete sie das Kulturbüro.

Am 1. April 2021 hat die Wanne-Eickelerin von Peter Weber die Leitung des Fachbereichs Kultur übernommen.