Herne. Anträge für den „kleinen Waffenschein“ steigen in Herne an. Dieser berechtigt zum Führen von Gas- und Schreckschusspistolen. Experten schlagen Alarm.

Viele Herner fühlen sich offensichtlich nicht mehr sicher. Bei den Sachbearbeitern der Polizei häufen sich die Anträge für den Besitz einer Schusswaffe. Wollten 2014 noch 151 Bürger bei der auch für Herne und Witten zuständigen Bochumer Polizei einen „kleinen Waffenschein“ beantragen, waren es im letzten Jahr bereits 212. „Das Interesse an Schusswaffen hat in den letzten Wochen noch einmal stark zugenommen“, bestätigt auch Polizeisprecher Volker Schütte. Über die Ursachen des rasanten Anstiegs könne er indes nur spekulieren. Denn Antragsteller müssen nicht begründen, warum sie den „kleinen Waffenschein“, der zum Führen von Schreckschuss- und Gaspistolen berechtigt, haben wollen.

Zum Kauf einer solchen Pistole ist dieser zwar nicht nötig, wer die Waffe aber bei sich tragen möchte, braucht ihn zwingend. Dann prüft die Waffenbehörde zunächst, ob der Antragsteller volljährig und zuverlässig – also nicht vorbestraft oder drogenabhängig ist. Danach gibt es Besuch von der Polizei, um dabei die „persönliche Eignung“ festzustellen.

Im Waffengeschäft von Ensar Kurt in Recklinghausen an der Stadtgrenze zu Herne herrscht aktuell Hochkonjunktur: „Bei den Schreckschusspistolen haben wir einen Zuwachs von 350 Prozent, auch Pfefferspray wurde im letzten Jahr acht Mal so viel wie im Jahr zuvor verkauft. Die Kunden berichten ihm von mangelndem Sicherheitsgefühl, verweisen auf die vielen Einbrüche und Diebstähle in der Region. Und decken sich mit den legalen Abwehrmitteln ein. Kurt: „Natürlich versuchen wir vielen vom Kauf einer Waffe abzuraten. Denn oft geht es den Käufern nicht um Fakten, sondern es sind Ängste im Spiel.“

„Richtiger“ Waffenschein nur beim Nachweis einer besonderen Gefährdung

Auch die Polizei rät von der Anschaffung einer Schreckschuss- oder Gaspistole ab: Denn sie könne zur einer Eskalation der Gewalt führen. Mit unerwartetem Effekt für denjenigen, der seine Waffe zieht: Wenn der Angreifer daraufhin tatsächlich mit einer scharfen Schusswaffe oder einem Messer auf ihn losgehe. „Besser ist es, sich zügig zu entfernen oder Aufmerksamkeit hervorzurufen. Etwa durch eine unüberhörbare, sogenannte Schrillpfeife“, meint ein Sicherheitsexperte der Polizei.

Generell ist das offene Mitführen von Waffen weder mit dem „kleinen Waffenschein“ noch mit einer „Waffenbesitzkarte“ erlaubt: Letzteren benötigen Sportschützen oder Jäger für ihre scharfen Waffen, 3900 Personen in Witten, Herne und Bochum besitzen sie: „Wir kontrollieren nach den Amokläufen der letzten Jahre verstärkt, ob sie sicher verschlossen aufbewahrt werden“, betont Schütte. Um einen „richtigen“ Waffenschein zu bekommen, der zum Mitführen scharfer Pistolen berechtige, sind die Hürden hoch: „Dazu muss eine besondere Gefährdung nachgewiesen werden. Und wie auch beim kleinen Waffenschein und der Waffenbesitzkarte prüfen wir alle drei Jahre automatisch die Berechtigung.“ So seien in den drei Städten nur zwei Personen dazu berechtigt, eine scharfe Waffe zu tragen.

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