Herne. 2020 starben in Herne deutlich mehr Menschen an den Folgen ihrer Drogensucht als in den Vorjahren. Das sind die Gründe.

Im vergangenen Jahr starben elf Menschen in Herne an den Folgen ihrer Drogensucht. Das sind fast dreimal so viele wie im Vorjahr. 2018 gab es in Herne sogar keinen Drogentoten. Das geht aus der Kriminalstatistik der Polizei hervor. „Der Anstieg in Herne von vier auf elf Drogentote ist beunruhigend“, sagt Kristin Pfotenhauer von der Jugend-, Konflikt- und Drogenberatunge.V. (JKD). „Jeder Einzelne ist einer zu viel.“

Darüber, ob im vergangenen Jahr mehr Drogen im Umlauf gewesen seien, könnten keine Angaben gemacht werden, so Pfotenhauer. „Gerüchten zur Folge ist von ‘Lieferengpässen’ und extrem gestreckten Stoffen die Rede, was beispielsweise auch zu drastischen Nebenwirkungen beispielsweise Todesfolgen führen kann.“ Auch im Darknet würden weiterhin illegale gefährliche Substanzen verkauft. Im Ruhrgebiet sei Meth-Amphetamin kein großes Thema, ansonsten ließen sich in Herne und Umgebung alle Drogen kaufen, so Pfotenhauer.

Bedarf kann ich in Herne nicht gedeckt werden

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Ein Problem sei, dass das gesamte Suchthilfesystem in Herne optimierungsfähig scheine. Die Personalausstattung in der JKD für Beratungs- und Hilfeangebote sei weiterhin unterrepräsentiert und unterfinanziert. Die JKD sei mit 2,5 Stellen zur psychosozialen Beratung, Betreuung und Vermittlung in Therapieangebote nicht ausreichend besetzt, so Pfotenhauer. Auch durch die engen Kooperationen wie beispielsweise mit der ASTO-Ambulanz vom St. Marien Hospital Eickel könne der bestehende Bedarf nicht zufriedenstellend abgedeckt werden.

Kristin Pfotenhauer ist Geschäftsführerin der Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung in Herne.
Kristin Pfotenhauer ist Geschäftsführerin der Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung in Herne. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

„Versuche, das Suchthilfesystem in Herne differenziert zu untersuchen, wurden Anfang 2020 durch die Covid-19-Pandemie leider vorerst gestoppt.“ Vor allem „Langzeitkonsumenten“, ohne Wunsch, den Konsum einzustellen, fänden zurzeit in Herne kaum Versorgungsstrukturen.

Betroffenen fehlt eine Tagesstruktur

Die Covid-19-Pandemie habe zudem massive Auswirkungen auf die psychische Stabilität von Suchterkrankten, sagt Pfotenhauer. Zu berücksichtigen sei gleichzeitig, dass die psychischen Belastungen in allen gesellschaftlichen Kontexten stark gestiegen seien. „Gerade unserer Zielgruppe ist schon unter normalen Verhältnissen mit Ausgrenzung und Stigmatisierung konfrontiert.“ Es fehlten unter anderem soziale Kontakte sowie Tagesstrukturen.

Im Jahr 2020 seien gewohnte Strukturen, persönliche Hilfekontakte und professionelle Systeme zeitweise weggebrochen. Eine Digitalisierung der Hilfeangebote zeige bei der Zielgruppe große Barrieren. Die JKD habe sich dazu entschieden, mit den entsprechenden Verhaltens- und Hygienevorschriften die Beratungsgespräche weiterhin vor Ort durchzuführen, da der persönliche Kontakt zu den Betroffenen besonders und die Beziehungsarbeit zentral wichtig seien, sagt die Geschäftsführerin. Teilweise verfüge die Zielgruppe zudem nicht über die technische Möglichkeit, digitale Beratungsgespräche wahrzunehmen.

Die Arbeit sei unverändert auf einem hohen Niveau weitergelaufen. „Wir brauchen in Herne flächendeckende Hilfsangebote und Versorgungsstrukturen, die auch in und nach der Covid-19-Pandemie Leben retten“, sagt Pfotenhauer. „Leben können wir nur retten, wenn die Systeme der Hilfsangebote vor Ort noch besser und vor allem lückenloser ausgebaut werden.“

Kontakt zur Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung e.V.: Hauptstraße 94, Telefon: 02325-3891, Fax: 02325-33197, www.jkd-ev-de, Instagram: jkd_e.v._herne

>>>Unter den Tatverdächtigen befanden sich auch Jugendliche

Auch die Zahl der Rauschgiftdelikte ist 2020 deutlich angestiegen. Das geht ebenfalls aus der Kriminalstatistik der Polizei hervor. Der am häufigsten verkaufte Stoff ist seit Jahren Cannabis. Hier stiegen die Straftaten von 544 auf 610.

Aber auch mit Amphetamin und Ecstasy wurde im vergangenen Jahr mehr gedealt. Waren es 2019 noch 108 Straftaten, stieg die Zahl 2020 auf 127. Bei Heroin und Kokain hingegen sanken die Zahlen. Während bei Heroin elf Straftaten festgestellt wurden (2019: 17), waren es bei Kokain 20 (2019: 38). Unter den 698 Tatverdächtigen befanden sich laut Polizei im vergangenen Jahr 72 Jugendliche und vier Kinder.