Herne.. „Nur eine Frau“ erzählt die Geschichte der von ihren Brüdern ermordeten Hatun Aynur Sürücü. Die WAZ war mit Nurten Özcelik in dem Film.
Eine Integrationspolitikerin, ein Drama über einen „Ehrenmord“ und das Leiden der Frauen: mit Nurten Özcelik in „Nur eine Frau“ im Bochumer Kino Casablanca.
Der Film
Auf dem Bürgersteig vor einem Mietshaus liegt eine Leiche, bedeckt mit einem weißen Tuch. „Das bin ich. Mein Bruder hat mich erschossen“, sagt eine Stimme aus dem Off. So beginnt der deutsche Spielfilm „Nur eine Frau“, in dem Regisseurin Sherry Hormann die wahre Geschichte der Hatun Aynur Sürücü erzählt. Die junge Frau fiel 2005 in Berlin einem „Ehrenmord“ zum Opfer, weil sie nicht so leben wollte, wie ihre streng religiöse türkisch-kurdische Familie es von ihr verlangte.
Der Kino-Gast
Nurten Özcelik ist als Tochter türkischer Eltern mit sieben Geschwistern in Horsthausen aufgewachsen. Die Mutter von zwei Söhnen (19 und 9) ist stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates; außerdem sitzt die Sparkassen-Mitarbeiterin für die SPD im Rat der Stadt.
Die Parallelen
Während des Films kämpft Nurten Özcelik immer wieder mit den Tränen. „So etwas habe ich in der eigenen Familie erlebt. Tradition hat bei uns eine große Rolle gespielt“, erzählt sie anschließend im Café.
Sie habe schon früh gegen die ihr zugedachte Rolle rebelliert. „Ich habe immer alles hinterfragt.“ Auch Gewalterfahrungen habe sie machen müssen: Ein Bruder habe sie massiv bedroht. Wie Hatun Aynur Sürücü ging auch sie zur Polizei. Und wie Sürücü im Film sei auch sie von Behörden abgewiesen worden, berichtet Nurten Özcelik. Die damalige Begründung der Staatsanwaltschaft macht sie noch heute wütend: Das Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden, so hieß es, „weil die Erhebung der öffentlichen Klage nicht im öffentlichen Interesse liegt“. Bei der angezeigten Tat handele es sich „um das Ergebnis eines bereits seit längerer Zeit schwelenden Familienstreites“, der das Interesse der Allgemeinheit nicht berühre. Das sei eine unglaubliche Verharmlosung, sagt Özcelik. Und: „Jede Einstellung eines Verfahrens gibt dem Täter Recht, über das Leben der Tochter, der Schwester oder der Frau bestimmen zu dürfen.“
Nach ihrer Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin sei sie schließlich mit 20 Jahren zuhause ausgezogen – in eine leere Wohnung in Wanne-Süd: „Ich hatte nur eine Schlafcouch.“ Als Kellnerin arbeitete sie in der Gaststätte Bobenfelder Hof an der Landgrafenstraße. Kontakt zu den Eltern hatte sie ebenso wenig wie zur türkischen Community, Unterstützung erhielt sie damals von ihrer Chefin: „Sie war eine große Hilfe.“
Die Ablehnung durch die eigene Familie – „das macht etwas mit dir. Entweder du gehst daran kaputt oder du wirst stark und furchtlos.“ Nurten Özcelik wurde stark und furchtlos. 2004 ging sie in die Politik. Ihre persönlichen Erfahrungen hätten zu diesem Schritt beigetragen. „Ich hatte mir als Kind immer so gewünscht, dass sich jemand für meine Rechte einsetzt.“ Als Kommunalpolitikerin werde sie immer wieder von Mädchen und Frauen kontaktiert, die ebenfalls unter alten Familientraditionen und vermeintlich religiösen Zwängen litten.
Die Situation sei für jungen Frauen nicht mehr so schlimm wie vor 30, 40 Jahren, sagt Nurten Özcelik. Trotzdem: Die deutsche Gesellschaft blende diese Probleme aus, schaue zu oft weg, beklagt sie.
Zurück zu „Nur eine Frau“: Der Film habe ihr sehr gut gefallen, Hauptdarstellerin Almila Bagriacik sei toll. Der von ARD-Moderatorin Sandra Maischberger produzierte Film arbeite nicht mit Klischees, sondern bilde die Wirklichkeit ab, sagt sie. Und dass Sürücü den Zuschauer persönlich anspreche, sei ein gelungenes Stilmittel: „So konnte sie nach ihrem Tod noch für sich selbst sprechen und nicht andere.“
Anders als im Film kam es übrigens bei Nurten Özcelik nach Jahren des Schweigens zu einer Annäherung an die Familie: „Das war, als ich zum ersten Mal schwanger war.“ Auch der Vater des Kindes – ein Deutscher – sei von ihren Eltern akzeptiert worden und habe bis zu deren Tod ein gutes Verhältnis zu ihnen gehabt.
Ihre Beziehung zum Kino
Zuletzt habe sie mit ihrem Sohn „Dumbo“ von Tim Burton in der Herner Filmwelt gesehen. „Ein guter Film“, sagt Nurten Özcelik. In jungen Jahren sei sie oft im Kino gewesen – vor allem in der Lichtburg auf der Bahnhofstraße. Heute fehle ihr leider häufig die Zeit. Ihr Lieblingsfilm? „Das Schweigen der Lämmer“ von Jonathan Demme. „Ich mag Jodie Foster sehr gerne.“