Herne. Der FC Schalke 04 taumelt in der Fußball-Bundesliga dem Abstieg entgegen. Die WAZ hat in die Seele von zwei Wanne-Eickeler Königsblauen geschaut.
Wanne-Eickel - das gilt fast als Parkplatz des FC Schalke 04. Von dort ist es nicht mehr weit bis zur Arena, quasi einmal die Straße runter. Angesichts der Nähe kein Wunder, dass an vielen Stellen blau-weiße Fahnen wehen und es gleich mehrere Fanclubs gibt: die „Schalker Knappen Wanne-Eickel“, der „FC Schalke 04 Fanclub Mond von Wanne-Eickel“ und den Schalker „Freudentaumel Wanne-Eickel“. Doch von Freude keine Spur mehr, geblieben ist der Taumel. Die WAZ hat in die Seele von zwei Königsblauen geschaut.
Wolfgang Wagner aus Wanne-Süd ist so einer. 63 Jahre ist er alt, mindestens 50 davon S04-Fan. Und in diesem halben Jahrhundert hat er unzählige Schalke-Devotionalien angesammelt. Kaum ein anderes Stück passt besser zur jetzigen Situation des Vereins als ein Skelett, dem er einen Schalke-Schal umgebunden hat. Die Spieler des S04 sind so etwas wie die „Walking Dead“ der Bundesliga. Sie spielen noch mit, doch alle wissen, dass sie absteigen werden.
Davon ist Wagner - ebenso wie die Mehrzahl der Schalke-Fans - überzeugt. Dass am Freitag der Vorletzte Mainz zu Gast ist, spielt für ihn keine Rolle mehr. Der Rückstand zum Relegationsplatz sei schon zu groß. „Das ist richtig schäbbig, aber da müssen wir durch“, sagt Wagner im Gespräch mit der Herner WAZ. Und wie kommt man da durch? Man hoffe Samstag für Samstag - und werde doch enttäuscht. Wagner hatte bis vor einigen Jahren eine der begehrten Dauerkarten, damals hätte er den Schalker Spielern wahrscheinlich von der Tribüne aus die Meinung gepfiffen. Doch nun sitze er vor dem Fernseher. „Ich trinke mir die Spiele schön“, sagt er resigniert.
Wie Schalke so abstürzen konnte? „Das ganze Umfeld hat keine Ahnung“, fällt Wagner sein vernichtendes Urteil. Trotz des Abstiegs wird es weiter für ihn heißen: Schalke, wir leben Dich. „Ich kenne nur blau-weiß“, sagt er. Das heißt: Auch in der zweiten Liga wird er Anhänger bleiben. Der Spieler aus Edelstahl und die beiden Garagentore werden auch weiter jedem Passanten sofort klar machen, dass in diesem Haus ein Schalker wohnt.
Frank Salzmann wünscht sich, dass die Mannschaft zwei Jahre in der 2. Liga bleibt
Für Frank Salzmann stand schon nach der Heimniederlage gegen den 1. FC Köln fest: Es geht abwärts in die 2. Liga. Der Sieg gegen Hoffenheim habe den Funken Hoffnung nur kurz glimmen lassen. „Grausam ist das, das hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten, dass es so eskaliert in dem Verein“, sagt Salzmann. Er ist Vorsitzender des Fanclubs „Schalker Freudentaumel Wanne-Eickel“. Schalke-Fan sei er „schon immer. Die Entscheidung hat man ja gar nicht“. Seit er als kleines Kind ein Schweißband von S04 geschenkt bekommen habe, sei er Schalker. Die Dauerkarte besitzt er seit 1995 - Stehplatz Nordkurve. „Die gibt man auch nicht her.“ Auch nicht in der zweiten Liga.
Dort werde er zum Beispiel das Auswärtsspiel in Freiburg vermissen. Dort sei er immer mitgefahren, weil die Stadt auch so schön sei. „Aber da dürfen wir ja jetzt nicht mehr hin.“ Es gebe aber auch andere schöne Fahrten, nach St. Pauli zum Beispiel.
Auch sein Urteil ist vernichtend: „Das ist keine Mannschaft, das ist ein Haufen. Ich hätte erwartet, dass die Spieler auf den Platz gehen und sich zerreißen, aber das habe ich nicht einmal gesehen.“ Auch Salzmann leidet still - vor dem Fernseher. Aber leiden sei es eigentlich gar nicht mehr. „Das ist wie bei einem Unfall. Wenn man vorbeifährt, muss man doch hinschauen.“ Nachdem die Stuttgarter am vergangenen Samstag früh die 2:0-Führung erzielt hatten, wollte er eigentlich Unkraut zupfen - und sei dann doch eisern sitzen geblieben.
Überraschend: Salzmann wünscht sich, dass die Mannschaft gleich zwei Jahre in der 2. Liga bleibt. Dass jetzt der große Schnitt in der Mannschaft gemacht wird und dann ein kompletter Neuaufbau geschieht. Eine neue Mannschaft soll sich im ersten Jahr finden und im zweiten aufsteigen. Der Verein brauche eine Mannschaft, mit der man sich wieder identifizieren kann.
>> HERNER SCHALKE-FRUST AUCH IM BUNDESTAG
■ Auch im Bundestag herrscht Frust über den bevorstehenden Schalker Abstieg.
■ Dort sind Bundestagsabgeordnete im Fanclub mit dem Namen „Kuppelknappen“ vereint. Gegründet hat ihn die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (die auch aus Wanne-Eickel stammt).