Herne.. Von Mitte März bis Mitte Juni hat sich Jürgen Heuser im Rahmen einer landesweiten Erhebung in Baukau auf die Spur von Amsel, Drossel, Fink und Star gemacht. Die Daten werden nun zusammengefasst und sollen Aufschluss über die Artenvielfalt geben.

„Ausgerechnet Baukau“ haben die Mitarbeiter der Biologischen Station an der Vinckestraße gestöhnt. Ausgerechnet Baukau mit dem dicken Steag-Kraftwerk mittendrin, mit jeder Menge Industrie- und Gewerbeansiedlungen, mit einem Geflecht an mehrspurigen Bahntrassen, mit dem Kanal und zwei stark befahrenen Autobahnen direkt dran. Genau auf diesem einen Kilometer mal einen Kilometer messenden, auf den ersten Blick eher unwirtlichen Stück Hernes, sollten sie nun möglichst exakt verzeichnen, was dort alles an gefiederten Fliegern unterwegs ist.

Das Los wollte es so. „In NRW gibt es in 170 per Zufallsverfahren bestimmten Gebieten alle sechs Jahre Untersuchungen, die Aufschluss geben sollen über die biologische Vielfalt und die Entwicklung der Arten. Die Vogelwelt ist dabei ein wesentlicher Indikator“, sagt Jürgen Heuser, Leiter der Biologischen Station. Für Herne war es die erste Untersuchung dieser Art, weil zusätzlich städtische Räume berücksichtigt werden sollten.

In erster Linie auf das Gehör verlassen

Also zog Jürgen Heuser zwischen Mitte März und Mitte Juni los, sobald es morgens dämmerte, ausgerüstet mit Fernglas, Karten und Stiften. Sieben Mal im Abstand von mindestens einer Woche macht er sich auf den Weg. Die Vorgaben für den Untersuchungsablauf sind sehr streng, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.

Einige Überraschungen hat es in Baukau für den Vogelexperten dann doch gegeben. „Angesichts der auf Stadtplan und Luftaufnahmen erkennbaren Brachflächen und Baumbestände hatte ich schon mit einer gewissen Vielfalt gerechnet“, so Heuser. Aber als der dann die recht seltene Dorngrasmücke und den Gelbspötter mit sechs bis sieben Brutpaaren entdeckte, habe er sich doch gefreut, gibt er zu. Wobei er sich bei dem „Entdecken“ auf sein Gehör noch mehr verlassen musste als auf Augen und Fernglas: „Der unscheinbare Fitis lässt sich zum Beispiel vom ebenso unscheinbaren Zilpzalp nur durch den Gesang unterscheiden.“

Der Star ist der Verlierer der veränderten Umweltbedingungen

Insgesamt hat Jürgen Heuser 37 verschiedene Arten an Brutpaaren ausgemacht. Deutlich den Schnabel vorn hat die Amsel mit 60 Brutpaaren. Ein Verlierer der veränderten Umweltbedingungen ist dagegen der aus dem Volkslied bekannte Star: Nur zwei Brutpaare konnte Heuser noch ausfindig machen - was allerdings auch dem landesweiten Trend entspreche, denn der Star braucht Baumgruppen mit Höhlen für sein Nest und nahe gelegenes Grünland zur Futtersuche, gerne auf Viehweiden. Und das gibt es immer weniger.

Stunde der Gartenvögel

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Gartenvögel. Der Hausrotschwanz. Foto: NABU
Gartenvögel. Der Hausrotschwanz. Foto: NABU © nabu | nabu
Gartenvögel. Der Haussperling ruht an einem Blumenkübel. Foto: NABU
Gartenvögel. Der Haussperling ruht an einem Blumenkübel. Foto: NABU © nabu | nabu
Gartenvögel. Ein Kleiber läuft an einem Baum herab. Foto: NABU
Gartenvögel. Ein Kleiber läuft an einem Baum herab. Foto: NABU © nabu | nabu
Gartenvögel. Eine Kohlmeise am Astloch. Foto: NABU
Gartenvögel. Eine Kohlmeise am Astloch. Foto: NABU © nabu | nabu
Gartenvögel. Ein Kuckuck in Wartestellung. Foto: NABU
Gartenvögel. Ein Kuckuck in Wartestellung. Foto: NABU © nabu | nabu
Gartenvögel. Ein Kuckuck mit einem Teichrohrsänger. Foto: NABU
Gartenvögel. Ein Kuckuck mit einem Teichrohrsänger. Foto: NABU © nabu | nabu
Rotkehlchen. Foto: Nabu/ FRank Hecker
Rotkehlchen. Foto: Nabu/ FRank Hecker © NABU | NABU
Gartenvögel. Der Mauersegler. Foto: NABU
Gartenvögel. Der Mauersegler. Foto: NABU © nabu | nabu
Mehlschwalbe Foto: NABU
Mehlschwalbe Foto: NABU © NABU | NABU
Mauersegler Foto: NABU
Mauersegler Foto: NABU © NABU | NABU
Star. Foto: Nabu/Frank Hecker
Star. Foto: Nabu/Frank Hecker © Frank Hecker | Frank Hecker
Zaunkönig. Foto: NABU
Zaunkönig. Foto: NABU © NABU | NABU
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Mit der nistenden Hohltaube, die normalerweise in Wäldern lebt, weil sie auf große Nisthöhlen angewiesen ist, hatte Jürgen Heuser auch nicht gerechnet. Allerdings: „In der Gegend muss jemand wohnen, der sich mit Vögeln auskennt und einen riesigen Nistkasten aufgehängt hat. Die Tauben haben ihn angenommen.“

Wanderfalken und Uhu

Ebenso wie die Tauben den Kasten, hat ein Wanderfalkenpaar ein Gebäude auf dem Steag-Gelände als Ersatzfelsen akzeptiert und brütet dort nun schon seit einigen Jahren mit Erfolg - und hält in seinem Revier den Bestand an Stadttauben klein. Bei der Steag gab es jedoch noch ein weiteres Glanzlicht: ein einzelner Uhu hat sich ein Gipssilo als Zuhause ausgesucht.

Wegen der eigenwilligen Struktur seines Untersuchungsgebietes musste Heuser allein acht Betretungsgenehmigungen bei Betrieben beantragen - nicht alle hat er bekommen. Andere Firmen dagegen haben ihn nach Kräften unterstützt - die Steag gehört ebenso dazu wie Adams Armaturen und Veolia, wo sich jeweils größere Kolonien von Spatzen angesiedelt haben. Der Inhalt der gelben Säcke, die auf dem Baukauer Veolia-Gelände lagern, dienen manchen Vögeln wie Möwen und Krähen auch als Nahrungsquelle - „ob das gesund ist“, so Heuser, „ist eine andere Frage.“

Die Frage nach der Artenvielfalt ist eine politische

Auf einer Karte hält Jürgen Heuser akribisch fest, welche Vögel wo brüten. Ist alles komplett, werden die Ergebnisse an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) weitergeleitet, wo alle Daten aus den 170 Untersuchungsgebieten zentral erfasst und ausgewertet werden. Manches, was die Wissenschaftler schon seit Jahren vermuten, zum Beispiel den Rückgang der früher so verbreiteten Stare, lässt sich dann auch mit Zahlen belegen.

Welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, sei, so Heuser, letztlich eine politische und gesellschaftliche Frage: Wie viel ist uns die Artenvielfalt wert? Was können, was wollen wir dafür tun? So sei es in den vergangenen Jahren gefördert worden, Flächen sich selbst zu überlassen, oder nur zurückhaltend zu bewirtschaften, Doch viele dieser Verträge liefen nun aus. In Zeiten, in denen alle nach Biosprit schrien, befürchtet Heuser Schlimmes. Die einzig sinnvolle Möglichkeit, etwas zu tun, besteht seines Erachtens darin, Flächen zu kaufen und für Tiere und Pflanzen zu sichern, damit sich so die Lebensgrundlagen für Zilpzalp und Co. bewahren lassen.

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