Herne. Das Palliativ-Netzwerk Herne bietet ab sofort eine kostenlose und professionelle Kindertrauerbegleitung an. Der Bedarf in Herne ist da.


Wenn Mamas oder Papas schwer krank sind, ist das für die
ganze Famili
e belastend. Vieles muss geregelt werden, Eltern kämpfen mit
Ängsten und Sorgen
. Die Kinder laufen dabei meist mit, werden häufig außen vor gelassen – vermeintlich um sie zu schützen. Dabei müssen auch sie Gelegenheit haben, mit ihrer
Trauer
umzugehen, sie zu akzeptieren.


Das
Palliativ-Netzwerk
Herne, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel bietet ab sofort für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, deren nahe Angehörige am Lebensende durch das Netzwerk betreut werden, eine kostenlose professionelle Kindertrauerbegleitung an. Finanziert wird das Angebot durch das Palliativ-Netzwerk und Spenden.



„Es ist als Erwachsener schon schwer, Abschied zu nehmen“, betont Oberbürgermeister Frank Dudda. Bislang habe man diesen Bedarf nicht optimal auffangen können. Entwickelt hat das Konzept die AG „Junge Familien“ des Palliativnetzwerkes. Die Idee dazu sei in der täglichen Arbeit entstanden. „Unsere Patienten werden leider immer jünger“, erklärt Heidi Skrzypczak, Koordinatorin beim Palliativärztlichen Konsiliardienst (PKD) und Mitglied der AG „Junge Familie.“ Deshalb seien auch häufiger Kinder involviert.

Kinder trauern anders als Erwachsene

Karin Leutbecher, Karola Rehrmann, OB Frank Dudda und Heidi Skrzypczak (v.l.) stellen die neue Kindertrauerbegleitung vor.
Karin Leutbecher, Karola Rehrmann, OB Frank Dudda und Heidi Skrzypczak (v.l.) stellen die neue Kindertrauerbegleitung vor. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert



Häufig
sehen die Trauerbegleiter
die Kinder erst beim zweiten oder dritten Besuch. „Sie werden oft bewusst rausgehalten. Dabei müssen sie damit umgehen können. Eine Mama oder ein Papa verpufft schließlich nicht einfach.“ Eine qualifizierte Kindertrauerbegleitung in Einzel- oder Gruppensitzungen helfe dabei, ihren ganz persönlichen Weg der Trauer zu finden und zu gehen.

Denn jedes Kind reagiert anders. Gemeinsam sei fast allen Kindern, dass ihre Trauer keine kontinuierliche ist, wie man sie von Erwachsenen kennt. „Kinder trauern oft auf Raten“, sagt Karola Rehrmann, Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes und Mitglied der AG „Junge Familie.“ Von Rebellion über Aggression bis zu Überangepasstheit sei alles möglich. Vor allem auf die, die nicht auffallen, müsse man ein besonderes Augenmerk legen. „Deshalb sind wir sehr froh, dass wir nun mit Mechthild Schroeter-Rupieper aus Gelsenkirchen und Martina Hosse-Dolega aus Castrop-Rauxel zwei professionelle Kinder-Trauerbegleiterinnen mit im Boot haben.“

Häufig seien Kinder von Schuldgefühlen geplagt, nehmen sich extra zurück, weil Mama und Papa traurig sind. „Kinder brauchen die Erlaubnis, traurig sein zu dürfen“, betont Rehrmann. „Trauer ist die Kehrseite von Liebe.“ Dabei fange die Trauerarbeit nicht erst mit dem Tod an: „Deshalb wäre es ideal, wenn wir vorher schon in die Familien kommen und sie über den Tod hinaus begleiten“, ergänzt Karin Leutbecher, Koordinatorin beim Ambulanten Hospizdienst Herne und Vorsitzende des Palliativ-Netzwerkes.

Den Start ermöglichte eine Spende des Lions-Clubs Wanne-Eickel

Dass der Bedarf da ist, zeigt sich daran, dass das neue Angebot bereits genutzt wurde: So meldete sich eine Mutter über die Palliativ-Netzwerk-Hotline und berichtete, dass sie mit ihren Töchtern (11 und 13) über den bevorstehenden Tod der Großmutter geredet habe und diese seither nicht mehr in die Schule wollten und sich komplett verschlossen. Auch ins Krankenhaus zur Oma wollten sie nicht mehr.

„Die Trauerbegleiterin hat den Kindern Gelegenheit gegeben, über ihre Oma zu erzählen, aber auch von ihren Ängsten zu berichten – und ihnen deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Trauer zuzulassen“, sagt Carola Rehrmann. Die Kinder besuchten mit der Trauerbegleiterin gemeinsam die Oma: „Da flossen dann Tränen, sie streichelten die Oma, konnten sich verabschieden.“ Am nächsten Tag wollten die Mädchen wieder in die Schule.



Nicht immer reiche jedoch eine Kurzbegleitung aus. „Man kann nie sagen, wie viele Besuche erforderlich sind“, sagt Karin Leutbecher. Wichtig sei, schnell zu reagieren. „Die Vision ist, dass wir künftig weitere Trauerbegleiter finden und das Angebot auch von Menschen genutzt werden kann, die nicht vom Netzwerk betreut werden.“ Dies sei aber abhängig von der Finanzierung: Den Start ermöglichte eine Spende des Lions-Clubs Wanne-Eickel aus dem Charity-Programm „20 in 2020“.

Das Angebot der Kindertrauerarbeit sei ein wichtiger weiterer Baustein der Charta zur Betreuung sterbender und schwerstkranker Menschen in Deutschland, die das Netzwerk 2019 unterzeichnete. „Wir sehen uns als Keimzelle“, betont Karin Leutbecher. „Ziel ist, dass jedes Kind die Betreuung bekommt, die es braucht.“



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