Herne. Zu viele positive Pools: Das für die Herner Grundschulen zuständige Labor setzt die Auswertung der Einzelergebnisse von positiven PCR-Pools aus.
Das unter anderem für die Grundschulen in Herne zuständige Labor hat angekündigt, die Auflösung von positiven PCR-Pools am Dienstag nicht sicherstellen zu können. Das teilte das Labor den Schulen in einer E-Mail mit. Als Grund nannte es die hohe Positivrate bei den Pool-Tests von über 20 Prozent, wodurch die Auflösung der positiven Pools durch nachfolgende Einzeltests „am heutigen Tag nicht in allen Fällen sichergestellt werden“ könne. Diese Information bestätigte Hernes Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini auf WAZ-Anfrage.
Als weiteren Grund nennt das Labor die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsidenten, dass PCR-Kapazitäten vorrangig für Personen der kritischen Infrastruktur bereitgestellt werden sollten. Was genau dies für Kinder bedeutet, die nach einem positiven Pool-Test in Quarantäne sind und auf das Ergebnis der Einzeltests warten, wird an der Stelle nicht ausgeführt, sondern auf weitere Informationen aus dem NRW-Schulministeriums verwiesen.
Herne: Zahl der Infektionen bei Schülern hat sich verdreifacht
„Diese Entwicklung kann ich für Herne auch bestätigen“, sagt Andrea Christoph-Martini. „Wir haben extrem viele infizierte Kinder“. Das NRW-Schulministerium hat Daten veröffentlicht, wonach sich die Zahl der infizierten Schülerinnen und Schüler binnen einer Woche verdreifacht hat. Demnach haben die Schulen zum Stichtag 19. Januar insgesamt 531 bestätigte Corona-Fälle unter ihren Schülerinnen und Schülern gemeldet. In der Vorwoche waren es noch 183. Neben den infizierten Kindern befinden sich laut der Statistik 689 weitere Jugendliche in Quarantäne, ohne dass bisher eine Infektion nachgewiesen wurde. NRW-weit hat sich die Zahl der Corona-Infektionen verdoppelt.
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An fünf von den 39 an der Befragung teilnehmenden Schulen in Herne konnte der Unterricht nicht mehr voll in Präsenz stattfinden. Sie mussten zum Teil auf Distanzunterricht umsteigen. Insgesamt 224 Selbsttests waren in der Woche positiv – bei 37.186 Testungen. Auch die Zahl der infizierten Lehrkräfte steigt von sechs vor den Weihnachtsferien auf 26; 19 weitere befinden sich in Quarantäne. Da die Schulen in NRW die Daten immer am Mittwoch melden, ist davon auszugehen, dass der Wert inzwischen weiter deutlich gestiegen ist.
Schulamtsdirektorin: „Lage in Herne sehr dramatisch“
„Gerade die Lage in Herne ist sehr dramatisch“, sagt Christoph-Martini. Während die Schulen unmittelbar nach den Weihnachtsferien noch 30 Ereignisse von positiven Tests (zum Teil mit mehreren Infizierten) gemeldet hätten, seien es inzwischen 315, sagt die Schulamtsdirektorin am Dienstag. Auch die Zahl der Impfdurchbrüche sei sehr hoch. „Ich bin auch besorgt und kann die Eltern verstehen“, sagt sie. „Aber ich habe auch keine Lösung.“
Bereits am Montag hatte sich Isabella Lenort-Thauern, Schulleiterin der Grundschule an der Forellstraße, für die Umstellung des Testverfahrens auf Selbsttests ausgesprochen. So könne man unmittelbar sehen, wer infiziert ist und die Warterei auf die Ergebnisse der Pool-Testungen entfiele. Andere Schulleitungen hatten sich hingegen weiter für die sichereren PCR-Tests ausgesprochen.
SPD-Ratsfraktion fordert Umstellung auf Selbsttests
Die Herner SPD-Ratsfraktion forderte noch vor der Mitteilung aus dem Labor an die Schulen, das Testverfahren an den Grundschulen für die kommenden zwei Monate auf Selbsttestungen umzustellen. Bis zu dreitägige Quarantänen ganzer Klassen aufgrund von überlasteten Laboren seien „nicht hinnehmbar“. „Eltern sind mehrmalige Quarantänen der Kinder aufgrund undifferenzierter Pooltestungen dauerhaft nicht zumutbar“, sagt Hendrik Bollmann, schulpolitischer Sprecher der Herner SPD‐Fraktion. Grundschulen müssten dringend die Möglichkeit der eigenständigen Organisation erhalten. „Das Ziel, ein Durchbrechen der Infektionsketten zu erreichen, ist durch Pooltestungen nicht gewährleistet“, bedauert Patrick Steinbach, Vorsitzender des Sozialausschusses.
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Auch die Stadtverwaltung appelliert nach einer Sitzung des Krisenstabs am Dienstagnachmittag an das Land NRW, die Rückkehr zu Schnelltests zu ermöglichen. „Dadurch würden Lehrkräften und Eltern lange Wartezeiten auf die Poolergebnisse erspart, eine tägliche Testung der Kinder ermöglicht und wichtige Laborkapazitäten freigegeben“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Sie betont gleichzeitig aber auch, dass die Stadt Herne selbst – unabhängig davon, ob PCR-Pooltest oder Schnelltest – weder für die Organisation noch für die Durchführung der Tests an Schulen zuständig sei.
„Drei bis fünf Wochen starke Turbulenzen“
Andrea Christoph-Martini kann sich gut vorstellen, das es künftig wieder Selbsttests an den Grundschulen geben könnte – auch wenn diese in der Vergangenheit ebenfalls zu viel Elternprotest geführt hätten. „Ich bin nach wie vor dafür, dass wir in den Schulen testen“, betont sie. Ob das aber PCR-Tests sein müssen, darüber ließe sich angesichts der aktuellen Situation diskutieren.
Erste Schulen müssten aufgrund von erkrankten Lehrern den Präsenzunterricht einschränken. Auch halbleere Klassenzimmer aufgrund von Erkrankungen und Quarantänen sind für Andrea Christoph-Martini nicht unwahrscheinlich. „Ich erwarte drei bis fünf Wochen starke Turbulenzen und dann dürfte sich die Situation aber wieder beruhigen.“ So hofft sie zumindest.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Neues Lolli-Test-Verfahren
• Das NRW-Schulministerium hatte erst zum Schulstart nach den Weihnachtsferien das erweiterte Lolli-Testverfahren zweimal pro Woche eingeführt.
• Dabei geben die Schüler neben der Probe für den so genannten Pool, also die Gemeinschaftsauswertung, eine so genannte Rückstellprobe ab, die zur Auswertung kommt, falls der Pool-Test ein positives Ergebnis aufweist.
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