Herne. Bei der Eingewöhnung in der Kita müssen viele Eltern in Herne derzeit draußen bleiben. Etwa 750 Kinder haben erst gar keinen Platz bekommen.
Die Eingewöhnung der Kleinsten in der Kita ist üblicherweise ein Trennungsprozess für Kinder und Eltern. Doch dieser muss in diesen Tagen, zum Beginn des neuen Kita-Jahres, anders ablaufen, als es sich so manche Mutter und so mancher Vater wünscht. Wegen Corona müssen die Eltern zum Teil draußen bleiben und dürfen dem Nachwuchs nur durch das Fenster zusehen. Froh sein müssen sie dennoch, dass sie überhaupt einen Kita-Platz für das Kind bekommen haben. Denn das ist in Herne bei chronischem Platzmangel nicht selbstverständlich. Auch in diesem Jahr blieben wieder Hunderte Kinder unversorgt.
Die zweijährige Lilli sitzt mit einem Lastwagen auf dem Spielteppich der Kita des ev. Familienzentrums Dreifaltigkeit, neben ihr spielt ihr Cousin Leo (3). Beide haben am Dienstagmorgen ihren zweiten Eingewöhnungstag. Sie scheinen zufrieden und haben keine Probleme mit der abrupten Trennung von ihren Müttern. Denn was sonst über Wochen ganz behutsam erarbeitet wird, musste hier vom ersten Tag an geschehen: Die Mamas mussten draußen bleiben, dürfen aber von einer Bank im Hof aus durchs Fenster den Kindern zusehen.
Herne: Kita-Eltern warten draußen
Ein wenig komisch sei es schon, sein Kind einfach so abzugeben, sagt Lillis Mutter, Ilka Blankenagel. Die größere Herausforderung sei allerdings gewesen, dass sie sich diese und andere Kitas vor der Anmeldung gar nicht angucken durfte. „Es wäre mir schon wichtig gewesen, die Menschen kennenzulernen, die mein Kind sieben oder acht Stunden betreuen.“ Inzwischen habe es aber einen Elternnachmittag gegeben.
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Ebenfalls vorm Fenster wartet Eva Lauer. Ihre Tochter Elisa (2) hat den Wechsel von der Tagesmutter zur Kita gut aufgenommen – vielleicht besser als sie selbst. „Vielleicht bin ich auch etwas wehmütig, aber ich hätte es schön gefunden, wenn wir die Kita einmal hätten zusammen erkunden können.“ Doch Kita-Leiterin Livia Leichner hat zu viel Sorge: „Da wir direkt vor den Ferien einen Corona-Fall hatten, halten wir die Eltern soweit raus.“ Nur bei den ganz Kleinen werde eine Ausnahme gemacht und ein Elternteil dürfe immer für eine Stunde im Wechsel mit in die Gruppe.
Einige Kitas in Herne halten es anders, so sei bei den städtischen Kitas die Begleitung eines Elternteils erlaubt, teilt Anja Gladisch mit. Natürlich unter Einhaltung der Hygieneregeln und mit Masken. Auch die Awo teilt mit, dass Eltern die Kinder bei der Eingewöhnung begleiten dürfen. Derzeit seien die meisten Einrichtungen aber noch in der Schließungszeit.
Kita-Leiterin beklagt mangelnde Ausstattung
Den Beginn des neuen Kita-Jahres erlebt Livia Leichner mit einem mulmigen Gefühl – wegen der Reiserückkehrer, der wieder steigenden Inzidenz und sie kenne den Impfstatus der Eltern auch nicht. Sie hätte sich gewünscht, dass es beispielsweise Luftfilter gegeben hätte: „Wir leben im zweiten Jahr der Pandemie und es wurde nichts gemacht“, beklagt sie. „Ich habe Magenschmerzen, weil ich relativ sicher bin, dass die nächste Welle kommt und uns treffen wird.“
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Doch zunächst versuchen die Erzieherinnen und Erzieher den Kindern einen möglichst normalen Einstieg in den Kita-Alltag zu ermöglichen. Zumindest denen, die einen Platz bekommen haben. Denn auch Livia Leichner musste über den Kita-Navigator einigen Eltern absagen. „Wir hatten 87 Anmeldungen und konnten nur 21 Kinder aufnehmen.“
Herne: Rund 750 Kinder ohne Kita-Platz
„Zum aktuellen Kindergartenjahr konnte bei rund 750 Kinder im ersten Aufschlag kein Platz in einer Tageseinrichtung vermittelt werden“, teilt Stadtsprecherin Anja Gladisch zur Situation in Herne mit. Sollten unterjährig Plätze zur Verfügung stehen, würden diese den Familien angeboten. Bei den unvermittelten Plätzen handele es sich bei etwa 30 Prozent um Plätze für unter Dreijährige und 70 Prozent im Ü3-Bereich.
Auch Ilka Blankenagel hat zunächst gezittert. Zwei von drei Kitas, die sie beim Kita-Navigator angeben konnte, schickten eine Absage. Freunde hätten hingegen drei Zusagen bekommen. „Genau das sollte der Kita-Navigator ja eigentlich verhindern“, sagt sie und sieht „Nachbesserungsbedarf“. Umso glücklicher ist sie nun, dass ihre Lilli einen Platz bekommen hat – auch wenn sie von draußen zusehen muss.