Herne. Weil der Werkstattlohn bei der Wewole neu aufgestellt wurde, verdient die Hälfte der Menschen mit Behinderung weniger Geld. Viele sind sauer.

Bei der Wewole in Herne, der Werkstatt für Behinderte, rumort es. Viele der 900 Werkstattangehörigen erhalten jetzt weniger Geld von der Einrichtung. In vielen Arbeitsbereichen schimpften die Beschäftigten gegen Lohnkürzungen, sagt ein Werkstattangehöriger zur WAZ. Er ist einer von mehreren Mitarbeitern, die sich an die Redaktion gewandt haben. Tenor: Der Stundenlohn in der Werkstatt bewege sich ohnehin schon zwischen 20 Cent und einem Euro – und jetzt werde der Lohn auch noch gekürzt. Das Absenken der Entgelte, so die Werkstattangehörigen, sorge für schlechte Stimmung.

Klaus Asche, Prokurist der Wewole, bestätigt Änderungen beim Werkstattlohn. Knapp die Hälfte der Beschäftigten erhalte jetzt weniger Geld, die anderen aber mehr, sagt er zur WAZ. Hintergrund sei ein kompliziertes Berechnungssystem.

Herne: Steigerungsbetrag richtet sich nach dem Arbeitsergebnis der Werkstatt

Wird in der Werkstatt weniger Geld verdient, dann sinken die Steigerungsbeträge: Klaus Asche, Prokurist der Wewole.
Wird in der Werkstatt weniger Geld verdient, dann sinken die Steigerungsbeträge: Klaus Asche, Prokurist der Wewole. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Wichtig zunächst: Menschen mit Behinderung in der Werkstatt seien keine Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn. Sie erhielten für ihre Teilhabe am Arbeitsleben keinen Lohn oder kein Gehalt, sondern ein „Arbeitsentgelt“ nach den Vorschriften des Sozialgesetzes und der Werkstättenverordnung. Das setze sich zusammen aus einem Grundbetrag, einem Steigerungsbetrag und dem Arbeitsförderungsgeld. Der Gesetzgeber hat 2019, vereinfacht gesagt, den Grundbetrag für jeden Beschäftigten jährlich erhöht, zahlen müsse das aber die Wewole – und zwar aus dem zweiten Topf, dem für den Steigerungsbeitrag, sagt Asche.

Hinzu komme: Der Steigerungsbetrag richte sich nach dem Arbeitsergebnis der Werkstatt. Werde in der Werkstatt weniger Geld verdient, sänken die Steigerungsbeträge. Wegen der Corona-Pandemie nehme das Arbeitsergebnis ab und die Steigerungsbeträge sänken. Rücklagen könnten das nicht vollständig auffangen. Folge: Knapp die Hälfte der Werkstattangehörigen erhalte 2021 erstmals weniger Geld.

Geld ist eine wichtige Anerkennung und Wertschätzung

Eine von ihnen meldete sich bei der WAZ. Sie bekomme jetzt 200 Euro im Monat weniger, das sei eine Halbierung, so die Frau. Sie zeigt sich tief enttäuscht. Ein anderer Werkstattangehöriger erhält nach eigenen Angaben nun 190 Euro im Monat weniger: „Das ist eine Hausnummer“, sagt er am Telefon.

Wewole-Prokurist Klaus Asche kann die Enttäuschung verstehen: „Natürlich ist die Wewole mit der Situation der Beschäftigten nicht zufrieden. Das Geld ist für die Beschäftigten eine wichtige Anerkennung und Wertschätzung und für viele auch ein notwendiger Beitrag zum Lebensunterhalt.“ Er verweist aber auf die gesetzlichen Regelungen, etwa die zur Erhöhung des Grundbetrages. Diese werde auch in den kommenden beiden Jahren fortgesetzt. Das sei eigentlich positiv. Aber: „Sofern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verbessern, können in diesen Jahren zwangsläufig nur weiter verminderte Steigerungsbeträge aus dem Arbeitsentgelt gezahlt werden.“

Wewole-Prokurist: Der Gesetzgeber ist gefordert

Anders ausgedrückt: Mehr Geld gebe es für viele nur dann, wenn sich das Arbeitsergebnis verbessere. Sollte das Wirtschaftsjahr 2021 mit einem höheren Arbeitsergebnis abschließen, dann sollen die Werkstattbeschäftigten unter Berücksichtigung der Rücklagen aber eine Nachzahlung erhalten, betont Asche.

Er sagt: Der Gesetzgeber sei gefordert. Die Wewole unterstütze die Anstrengungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen, die bereits 2019 den Gesetzgeber auf die Auswirkungen der Reform hingewiesen und darüber hinaus zu einer grundlegenden bundeseinheitlichen Verbesserung der Lohn- und Einkommenssituation für Menschen mit Behinderung in den Werkstätten aufgefordert habe.

>> WEITERE INFORMATIONEN:

Wewole steht für werken, wohnen, lernen. Die Werkstatt für Behinderte betreibt unter anderem eine Floristik und Gärtnerei, eine Kfz-Pflege und Werkstatt, eine Großküche, Landwirtschaft, Wäscherei, Schreinerei und Metallwerkstatt.

Einige Werkstattbeschäftigte arbeiten auch auf so genannten Außenarbeitsplätzen, sprich: in Jobs in der freien Wirtschaft. Wewole-Produkte, darunter Feuerkörbe, Hundeboxen oder Honig gibt’s im Produktkatalog auf www.wewole.de