Heiligenhaus. Heiligenhauserinnen berichten über ihre Familien in Russland und der Ukraine – und wünschen sich, nicht als „die Russen“ abgestempelt zu werden.
Die Angriffe Russlands im Krieg gegen die Ukraine halten schon fast einen Monat an, der tägliche Schrecken der Bilder ungebrochen. Auch in Heiligenhaus sind längst die ersten ukrainischen Flüchtlinge angekommen. Und wie geht es den Bürgern mit russischen Wurzeln, teilweise mit Verwandten in beiden Ländern, die genauso entsetzt sind alle anderen vom Krieg?
Als Olga S. am Donnerstag, 24. Februar, mitbekam, dass Russland die Ukraine angegriffen hatte, „da hab ich mich wie in einem Alptraum gefühlt. Ich hab es vor meiner Schwester erfahren, die in Russland lebt.“ Nichts rechtfertige diesen Krieg, stellt S. klar, die in Russland geboren wurde und seit 17 Jahren in Deutschland lebt. „In Russland habe ich meinen Mann kennengelernt. Dessen Opa stammt aus der Ukraine, die Oma aus Russland, wir haben also Verwandte in beiden Ländern.“
Heiligenhauser haben Familie in Russland
In Gedanken ist sie bei allen: Bei der Tochter des Cousins, die mit ihrer Familie in der Ukraine an die Grenze zu Rumänien geflohen ist und dort vorerst in einer Pension lebt und die sie finanziell unterstützt. Genauso wie natürlich bei ihren Eltern, die in der Nähe der russisch-ukrainischen Grenze in Russland leben und „supertraurig sind, was passiert“. Kontakt hat sie auch zu ehemaligen russischen Schulfreunden - „die sagen, dass es ihnen schlechter geht als vorher aufgrund der Sanktionen, aber eben doch deutlich besser als den Menschen in der Ukraine.“
Olga S. wollte aber nicht nur ihren Verwandten, sondern auch vor Ort helfen. Zunächst bot sie dem Kreis Mettmann an, als Übersetzerin zu helfen, kam dann aber über eine Bekannte in eine Helfergruppe, die Flüchtlinge in Velbert unterstützt. „Das sind ungefähr 30 Menschen, die in einem leerstehenden Kindergarten untergebracht wurden. Ich habe über die Klassengruppen meiner Kinder Kleider- und andere Spenden organisiert und helfe jetzt dort beim Übersetzen.“
Viel Schlechtes über „die Russen“ im Umlauf – dabei wünschen sie sich nur ein Kriegsende
Sie will weitermachen, solange Hilfe gebraucht wird und nötig ist – und ist froh, dass weder sie noch ihre Familie bisher Anfeindungen aufgrund ihrer Abstammung ausgesetzt waren. Darüber freut sich auch Olga Z., der es genau wie ihrer Freundin „supernah geht, was Schreckliches in diesem Krieg passiert“. Sie stammt wie ihr Mann aus Kasachstan, lebt seit 22 Jahren in Heiligenhaus: „Es tut weh. Wir sind dort aufgewachsen und haben uns als Gemeinschaft gefühlt.“
Drei Jahre hatten Z.s im Rahmen der „Aktion Tschernobyl“ Gastkinder zu Besuch, die Kinder der beiden Heiligenhauser Familien, die hier geboren wurden, sprechen und lernen Russisch. „Bei ihren Freunden ist das kein Thema, auch einige Lehrer haben sich erkundigt, ob alle weiterhin gut miteinander auskommen.“ Das sei aber zum Glück der Fall. „Es ist verletzend, momentan so viel Schlechtes über ‘die Russen’ zu hören, man darf nicht alle über einen Kamm scheren“ – das wünschen sich die Heiligenhauserinnen sehr. Und hoffen, dass der Krieg bald ein Ende findet.
Beide Frauen sind namentlich der Redaktion bekannt, wollten aber weder mit Nachnamen noch mit Foto in der Zeitung erscheinen.