Heiligenhaus. Während die Kandidatinnen und Kandidaten in Heiligenhaus überzeugten, liegt vor den Parteien noch viel Arbeit. Eine Wahlanalyse.
Nicht nur bei jedem Spiel gibt es Gewinner und Verlierer, auch Wahlen zeigen, wer derzeit bei den Bürgerinnen und Bürger eher auf Erfolgskurs liegt und wer nicht. Auch in Heiligenhaus hat die SPD, wie im Bund, überraschend Boden gewonnen. Eine Wahlanalyse.
Aus den negativen Schlagzeilen kommt die hiesige SPD gefühlt kaum raus: Das Drama um den Fraktionsaustritt zweier Mitglieder, der mögliche Beitritt des ehemaligen AfD-Fraktionsvorsitzenden, eine falsche Unterstellung in der Haushaltsrede – doch trotzdem oder dennoch gewinnt die SPD auch in Heiligenhaus mit 28,64 Prozent bei den Zweitstimmen. Schieben die örtlichen Politikerinnen und Politiker sonst immer sonst gern dem Bund die Schuld in die Schuhe für ein schlechtes Abschneiden, sollte man vor Ort froh sein über den Bundestrend – und nun die Chance nutzen, sich auf Politik zu fokussieren sowie das ein oder andere Fettnäpfchen mal stehen zu lassen. Kerstin Griese und Olaf Scholz werden es danken.
Die Kandidatinnen und Kandidaten überzeugten
Was Griese angeht kann man nur sagen: Die SPD-Bundestagsabgeordnete hat offenbar alles richtig gemacht im Wahlkampf. Sie hat Bürgernähe gezeigt, auch wenn sie betont, in jeder Sommerpause und nicht nur in Wahlkampfzeiten eine Tour durch den Wahlkreis zu machen. Sie lockte mit interessanten Gesprächspartnern, doch oftmals gingen im Wahlkampf echte politische Statements unter im Wust der „was wir geschafft haben“- Aussagen. Gespannt darf man sein, welche Rolle Griese nun in Berlin übernehmen wird.
Bürgernäher als sonst hat sich auch Peter Beyer von der CDU gezeigt – ob er damit den Wahlkreis direkt holen konnte oder doch eher durch die vielen klassischen CDU-Wählerinnen und Wähler, immerhin konnte er in diesem Wahlkampf sein Image etwas aufpolieren. Wirkte der Ratinger bislang schon mal leicht arrogant, war er sich in diesem Jahr nicht zu schade zum wortwörtlichen Klinkenputzen. Mit Verletzung humpelte er sich von Tür zu Tür in seinem Wahlkreis, was ihn doch sympathischer erscheinen ließ als eine Betonung auf seine vielen Ämter und wichtige Rolle in Berlin. Vor allem für seinen Wahlkreis wolle er sich stark machen, betonte er im WAZ-Interview – das kann Beyer nun unter Beweis stellen in den nächsten Jahren. Ob aus der Opposition oder der Regierung heraus, wird sich noch zeigen.
Klatsche für die CDU
Klar ist, auch wenn Beyer das Mandat direkt holen konnte, für die CDU ist das Bundesergebnis und auch die hiesige Niederlage gegen die SPD eine echte Klatsche. Sie ist nun nicht mehr die größte Volkspartei und konnte das schon nicht berauschende Kommunalwahlergebnis (ca. 31 Prozent) noch einmal unterbieten und landet bei 26,83. Das sollte ein Warnzeichen für die Christdemokraten sein, wollen sie auch nach den Landtagswahlen im Mai 2022 weiterhin in NRW regieren. Ein „weiter so“ kann es hier also nicht geben, echte Veränderungen sind nötig.
Als Gewinner sehen können sich auch die Grünen und die FDP, auch wenn beide sicherlich auch mit mehr Prozentpunkten gerechnet haben könnten. Mit ihren Kandidatinnen Ophelia Nick und Jessica Denné-Weiß haben sie fachliche Kompetenz ins Rennen geschickt fernab von üblichen Klischees beider Parteien. Das überzeugte. Während die Wählerinnen und Wähler wohl den Klimaschutz als Kernkompetenz bei den Grünen ansiedeln, wollen ähnlich viele jedoch keine reine Verbotspolitik. Was beide Parteien, die nun für die Regierungsbildung auf Bundesebene in Frage kommen, gleichermaßen gilt, ist der Verlass auf ihr Stammklientel. Was ein Bewerber jedoch auch ausmachen kann, zeigt sich für die Liberalen in der Unterilp: Konnte Alfred Salmon hier das Direktmandat für den Rat holen, liegt die SPD nun meilenweit vorne.
Verlierer der Wahl
Verlierer dieser Wahl ist neben der AfD, die nicht an das Ergebnis von 2017 herankommt, die Partei Die Basis. Zwar konnten sie im Wahlkreis gute 1,5 Prozent für sich verbuchen, doch konnten sie ihrer Ankündigung, als Opposition in den Bundestag einzuziehen und der großen Politik zu zeigen, wie viele sie eigentlich sind, nicht gerecht werden. Das zeigt sich auch bei den wöchentlichen Spaziergängen der Corona-Kritiker: Je mehr Maßnahmen gelockert werden, desto weniger Menschen laufen mit. Jeder hat halt ein Recht auf eigene Meinung, aber eben nicht auf eine eigene Wahrheit.
Das sagt der Bürgermeister
Zufrieden mit der Wahl zeigt sich aus organisatorischer Sicht auch Bürgermeister Michael Beck: „Es ist sehr gut gelaufen, auch, weil wir zusätzlich zwei weitere Briefwahlbezirke eingerichtet haben, weil wir eine irre hohe Quote mit fast 40 Prozent zu verzeichnen haben.“ Die Wahlbeteiligung liege bei 76 Prozent, „davon bin ich sehr angetan.“ Stolz sei er auf seine Rathaustruppe und die vielen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die für einen reibungslosen Ablauf gesorgt hätten.
Ganz reibungslos verliefen diese aber dann doch nicht, unter anderem gab es Maskenverweigerer und sogenannte Wahlbeobachter, die sich das Auszählen anschauen wollten – jedoch ebenfalls ohne Maske. Hier musste die Stadt am Ende sogar die Polizei einschalten.