Heiligenhaus. Ute Kranz und Svenja Johannsen haben in Heiligenhaus Texte aus den und über die 20er Jahre gelesen. Dazu gab es musikalische Häppchen.
Die Kulisse für diese Veranstaltung der VHS Velbert/Heiligenhaus hätte schöner und grüner nicht sein können: Die Zuhörer ließen sich am Samstagabend am Umweltbildungszentrum mit Campingstühlen und Picknickdecken direkt im Grünen nieder, zwischen Vogelgezwitscher und Blühpflanzen, im Abendsonnenschein und mit mitgebrachten Getränken. Sie erwartete eine literarische und musikalische Zeitreise in das Deutschland der 1920er Jahre.
In den Strom der Zeit
„Zwischen Spanischer Grippe und dem Zweiten Weltkrieg war Leben, soviel Leben“, führte Ute Kranz in die Zeit vor 100 Jahren ein, „man war mittendrin, und mittendrin in den 20ern sind wir jetzt auch wieder: Man spürt und wächst und hofft und weiß nicht, was kommt. Wir wollen jetzt hineinspringen in den Strom der Zeit, der niemals endet.“
Auszüge aus Klassikern
Was das Publikum literarisch erwartete, waren Auszüge aus Klassikern wie „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum oder „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ von Erich Kästner. Aber auch die vielen vielleicht weniger bekannte Irmgard Keun kam durch „Gilgi.Eine von uns“ zu Gehör. „Vieles von dem ganz normalen Leben“ hatten die Vortragenden ausgesucht, sowohl das Berliner Nachtleben als auch der damalige Alltag im Kölner Arbeitsamt rückten ganz nah heran.
Der Rausch des Kaufens
Großartig auch der Auszug aus den „Menschen im Hotel“, in dem ein Hochstapler einen Buchhalter dazu bringt, sich dem Rausch des Kaufens, der Geschwindigkeit beim Autofahren und dem Amüsement hinzugeben. Das Bizarre, als Fabian mit seinem Freund eine Show besucht, bei der „Verrückte auf der Bühne“ ihre Kunst vortragen, das Tragische, als Gilgi krank in der Schlange beim Arbeitsamt ihre verzweifelten Mitwartenden anschaut, das Leichte der vielen Möglichkeiten – all das hatte Platz in der Lesung.
Bilder vor dem inneren Auge
Die Stimmen von Svenja Johannsen, die auch eine Passage im breitesten Sächsisch las und Theaterregisseurin Ute Kranz zogen in den Bann, ließen Bilder vor dem inneren Auge entstehen und machten Lust auf mehr. Sehr schön und passend war auch die Musikauswahl, die von „Ausgerechnet Bananen“ über „Wenn die beste Freundin“ bis hin zu „Ich red mir ein, es geht mir gut“ von Max Hansen reichte. Auch Gedichte durften nicht fehlen: Das Kästnersche „Wiegenlied für sich selber“ sorgte für viele Lacher, und „Brulba dori daura dalla“ von Hugo Ball gab einen schönen Einblick in den Dadaismus.
Mehr Kultur im Freien
Wer auch Lust auf Kultur im Freien bekommen hat, kann am kommenden Samstag, 3. Juli, das erste Wendehammerkonzert des „Kultursommers“besuchen: „Hannes und Seppo“ spielen um 17 Uhr auf dem Heiligenhauser Kirchplatz und eine Stunde später ein zweites Mal vor der Alten Kirche.Bei der im vergangenen Jahr gestarteten Reihe musizieren jeweils ein bis drei Musiker von einem Pritschenwagen aus.
Das zweite Kulturerlebnis
Die Lesung am UBZ war das zweite Kulturerlebnis, das die VHS mit Johannsen und Kranz organisiert hatte, bereits im September 2020 hatten die beiden eine Lesung mit eigenen Texten abgehalten. „Uns verbindet die Liebe zu dem Buch „Fabian“, vielleicht können wir aber so auch die ein oder andere Anregung geben, Neues kennenzulernen“, wünschen sich Kranz und Johannsen, die sich auch passend zur Lesung gekleidet hatten. „Wir mussten so viele Texte aussortieren, das hätte auch noch für eine zweite Lesung gereicht“, erzählte Ute Kranz außerdem – das lässt auf eine Fortsetzung der Zeitreise hoffen – mit noch mehr pusierendem Leben aus einer spannenden Zeit.