Heiligenhaus. In Heiligenhaus gibt es eine Ecke, wo die Anwohner von der digitalen Welt abgeschnitten sind. Sie müssen im Alltag skurrile Klimmzüge machen.
In der DDR gab es ein Tal der Ahnungslosen, wo kein Westfernsehen empfangen werden konnte und wo man auch von der Wende fast nichts mitbekam. In Heiligenhaus gibt es ein Tal der Hilflosen, wo die Bewohner an den Errungenschaften der digitalen Kommunikation nur sehr eingeschränkt teilhaben können. Eine erste telefonische Kontaktaufnahme per Festnetz mit Jens Janke, einem der Betroffenen, offenbart sofort den unhaltbaren Zustand: Nach wenigen Augenblicken ist die Verbindung weg, nach zwei neuen Anläufen ist sie wieder da.
Anschluss für 105 Euro pro Meter
„Wir haben Glück, dass das Wetter gut ist. Bei Sturm und Regen sind die Schwankungen noch größer. Wir hatten schon mal wochenlang kein Telefon. Da war bei einem Sturm ein Baum auf die Leitung gekippt, ein Mast drohte auf die Straße zu stürzen, die war danach gesperrt und wir mussten Umleitungen fahren“, klagt der Lehrer an einer Remscheider Schule. „Wenn die Jungs von den Providern raus kommen, schütteln die nur mit dem Kopf: Alles ist chaotisch dokumentiert, ab der Ratinger Straße weiß keiner, wo was angeschlossen ist, die messen einfach nur hin und her.
NetCologne
könnte für 105 Euro pro Meter einen Anschluss zu einem Versorgungspunkt an der 2,7 Kilometer entfernten Rheinlandstraße herstellen, das macht so ein Unternehmen nicht mal eben“, zeigt sich Janke verständnislos.
Nicht nur Gut Laubeck ist betroffen
Betroffen sind nicht nur die acht Haushalte mit 20 Personen, die auf dem Gut Laubeck wohnen, sondern weitere Nachbarn am Angerweg. Mobilfunk ist keine Alternative: Um in dem Talkessel einigermaßen Empfang zu haben, müssen die Bewohner das Haus verlassen und bergan gehen, damit sie ins Netz kommen. „Wir kriegen hier ein Problem, wenn sich ein Notfall ereignet und dringend Hilfe gerufen werden muss.“ Hinzu komme die erhebliche Einschränkung der beruflichen und schulischen Tätigkeit, gerade jetzt in der Coronazeit, wo vieles im Homeoffice erledigt werden müsse.
Erst umständlich die Straße hochfahren
„Ich kann meine Schüler nicht erreichen und die mich nicht, meine Frau arbeitet im Homeoffice so wie einige Nachbarn auch. Eine Botschaftsmitarbeiterin hat regelmäßig Bereitschaftsdienst wie ein betroffener Arzt“, beschreibt Janke die Abhängigkeit von einer funktionierenden digitalen Infrastruktur. „Wenn ich mich morgens mit meinen Mitarbeiter bespreche, fahre ich mit dem Auto die Ratinger Straße rauf und parke an der Villa, die von Straßen NRW als Baubüro genutzt wurde. So kann meine Frau halbwegs ihre digitalen Meetings abhalten“, schildert der Unternehmer Jens Herting die Umstände.
Mit Laptop zum Lernen aufs Dach
„Mein Sohn ging im Sommer zum Lernen immer mit dem Laptop aufs Dach“, ergänzt Dr. Carl-Heinz Ullrich die Situation im dem idyllischen Tal. Für die Jugendlichen empfindet Jens Janke die Lage als besonders schwierig: „Man muss einfach akzeptieren, dass deren soziales Leben zu einem großen Teil im Netz stattfindet.“
Hoffnung auf Funkmasten an der Friedhofsallee
Der Unmut der Bewohner des einstigen Rittergutes richtet sich nicht gegen die Stadt: Jens Janke hat sich an den
Technischen Beigeordneten Andreas Sauerwein
gewandt. Der gibt sich ein wenig ratlos und hofft auf eine Verbesserung durch den Ausbau der LTE-5 G Infrastruktur durch einen Funkturm an der Friedhofsallee.
Neues Verfahren ausprobieren
„Im Hinblick auf die
Entwicklung des Innovationsparks
und dessen Anbindung an das Glasfasernetz besteht die Hoffnung, dass in diesem Zuge auch der Bereich Hofermühle/Angerweg in den Fokus rückt. Wir haben das bei einem kürzlich erfolgten Treffen mit der
Telekom
besprochen und angeboten, das so genannte Trenching-Verfahrens gerade im Bereich Angerweg testen zu können“, so die Antwort des Baudezernenten. Jens Janke gibt sich damit nicht zufrieden: „Wir wollen eine sichere Verbindung haben – und das kurzfristig.“