Heiligenhaus. Seit 70 Jahren besteht die Siedlergemeinschaft Gerhart-Hauptmann-Straße. Die Nachbarn helfen sich untereinander und feiern miteinander.

In einer unpersönlichen Nachbarschaft leben – das wäre für Armin Merta keine schöne Vorstellung. „Es gibt ja Häuser, da weiß man nicht mal genau, mit wem man Wand an Wand wohnt und hat im Laufe der Zeit nicht mehr als drei Worte gewechselt.“

Ganz anders in der Gerhart-Hauptmann-Straße, wo Armin Merta seit 1979 lebt. Er war damals 36, arbeitete als Mathelehrer an einer Schule in Essen-Werden und suchte im Umkreis ein bezahlbares Haus. Fast wäre er in Essen-Haarzopf gelandet – aber das Haus wurde ihm vor der Nase weggeschnappt. Darum also Heiligenhaus – „es war eine kleine, überschaubare Siedlung mit Häusern aus den frühen 50er-Jahren“, erinnert sich Merta. „Richtig viel los war hier damals aber nicht.“

Zwar gab es eine Siedlergemeinschaft – nach dem Tod des Vorsitzenden waren die Aktivitäten aber eingeschlafen. Das wollte Armin Merta – motiviert vom langjährigen Siedlerverband-Kreisvorsitzenden Horst Kölsch – wieder ändern: 1984 wurde er Vorsitzender der Siedlergemeinschaft und ist es noch heute. So konnte nun das 70-jährige Bestehen der mittlerweile wieder äußerst aktiven Siedlergemeinschaft gefeiert werden.

Die Heiligenhauser Siedler machten fast alles gemeinschaftlich selbst

Aus vielen Gesprächen kennt Armin Merta aus erster Hand die Anfänge der Siedlung, als von den künftigen Bewohnern in mühseliger Handarbeit Baugruben ausgehoben, Zement gemischt, Stein auf Stein gemauert wurde. „Alles nach der normalen Arbeit, an jedem Tag, an Samstagen und Sonntagen.“ Die Aufteilung erfolgte dann nach dem Prinzip: Wer am meisten Arbeitsstunden geleistet hatte, durfte sich als erster sein Haus aussuchen. Heute wäre so etwas wohl undenkbar.

Die Gerhart-Hauptmann-Straße in Heiligenhaus.
Die Gerhart-Hauptmann-Straße in Heiligenhaus. © FUNKE Foto Services | Detlev Kreimeier

Unter dem Vorsitz von Armin Merta ist die Nachbarschaft wieder zu einer echten Gemeinschaft zusammengewachsen. Gemeinsam wurde gekegelt, gewandert und auch gefeiert – erst im großen Garten eines Mitglieds, später dann am unteren Ende der Straße. Eine Veränderung habe sich durch den Verkauf der Häuser mit den ehemaligen Sozialwohnungen ergeben, erinnert sich der Vorsitzende. Der Vorstand der Siedlergemeinschaft stellte sich bei den vorwiegend jungen Käufern vor: Die Hälfte schloss sich spontan der Siedlergemeinschaft an.

Die Kinder, die plötzlich wieder durch die Siedlung tobten, lud Armin Merta schon mal in seinen Garten ein, denn dort dreht auf knapp 90 Metern Streckenlänge eine Garteneisenbahn ihre Runden. Zudem wurden Kinderfeste organisiert – mit Hüpfburg, Luftballonweitflugwettbewerben und vielem mehr, was Kinderherzen höherschlagen lässt. In der Coronazeit wurde – federführend von Ralf Hühne organisiert – für Nachbarn, die das Haus nicht verlassen durften oder wollten, eingekauft.

Armin Merta ist Siedlungsvorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Straße – und das schon seit 1984.
Armin Merta ist Siedlungsvorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Straße – und das schon seit 1984. © FUNKE Foto Services | Detlev Kreimeier

Die Chronik der Siedlung ist mittlerweile 1300 Seiten dick

Zu Goldhochzeiten oder runden Geburtstagen wird schon mal die ganze Siedlergemeinschaft, der 36 Familien angehören, eingeladen. Für Festtage und Trauerfälle wird gesammelt, so dass der Vorstand für den ersten Fall passende Präsente besorgen und im zweiten Fall Geld für Beerdigung oder die spätere Grabpflege beisteuern kann. „Welche Gemeinschaft kann so etwas von sich berichten?“, so Merta. Eine weitere Besonderheit: Es gibt eine umfangreiche Chronik – mittlerweile rund 1300 Seiten dick –, die fortlaufend ergänzt wird.

Die Mitglieder der Siedlergemeinschaft Gerhart-Hauptmann-Straße stießen zum Geburtstag an. Unter den Gästen auch Jan Heinisch, Staatssekretär im Heimatministerium.
Die Mitglieder der Siedlergemeinschaft Gerhart-Hauptmann-Straße stießen zum Geburtstag an. Unter den Gästen auch Jan Heinisch, Staatssekretär im Heimatministerium. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Der Vorsitzende will langsam etwas kürzertreten

Mit Ernst Spitzlei lebt mittlerweile nur noch einer der Erbauer der Häuser. Dass die Gemeinschaft dennoch weiter besteht – und sich nicht, wie einige andere in Heiligenhaus aufgelöst hat – freut sich Armin Merta, der sich dennoch manchmal etwas mehr Engagement „seiner“ Siedler wünschen würde. Merta denkt auch darüber nach, selbst kürzerzutreten. Dass ein jüngerer Nachbar den Vorsitz übernimmt – das würde er sich wünschen. „Ich jedenfalls werde den nächsten runden Geburtstag der Siedlergemeinschaft nicht mehr als Vorsitzender eröffnen.“

>>>Geburtstagsfeier

Der 70. Geburtstag der Siedlergemeinschaft wurde gebührend gefeiert – im Ratskeller an der Hauptstraße.

Geehrt wurden Elsbeth Klein für 25 Jahre und Agnes Temme für 70 Jahre Mitgliedschaft.

Eine Tombola mit 180 Preisen sorgte für Spannung, für Heiterkeit der von Armin Merta, Rosemarie Koch und Thorsten Metzner aufgeführte Sketch „Die Rechenaufgabe“.