Hattingen. 2001 wurde bei Sandra (51) Schizophrenie diagnostiziert. Im St.-Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen hat sie Hilfe gefunden - und zurück zur Kunst.

Es war ein Tag im Januar 2001, da zog Sandras Familie die Reißleine und brachte die damals 28-jährige Frau zu einer Psychologin, die wies sie ins St.-Elisabeth-Krankenhaus an der Essener Straße in Hattingen ein. „Ich war wirklich sehr sonderbar damals“, sagt Sandra. Dass sie an Schizophrenie litt, das wusste die Essenerin damals indes noch nicht. Heute, nach insgesamt 13 - mal kürzeren, mal längeren - Klinik-Aufenthalten, hat sie gelernt, mit der Erkrankung zu leben.

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Manche Menschen, sagt Sandra, hätten eine genetisch bedingte Veranlagung für eine solche Schizophrenie. Ein multifaktorielles Wechselspiel mit psychosozialen Ursachen könne die Erkrankung auslösen. Bei ihr, weiß die gelernte Finanzwirtin rückblickend, war dies wohl massivstes Mobbing am Arbeitsplatz. Immer wieder hat Sandra über mehrere Jahrzehnte unter schweren Psychosen gelitten, nachdem sich bei ihr schleichend, über einen längeren Zeitraum und für sie selbst anfangs noch kaum wahrnehmbar, eine Schizophrenie entwickelt hatte.

Wie krank sie war, war Sandra damals „tatsächlich nicht bewusst“

„Mal habe ich mich als Druidin gefühlt, mal gedacht, dass mir jemand allein durch seinen Blick befahl, einen Lichtschalter zu betätigen. Und mal war ich fest davon überzeugt, gerade den Urknall gehört zu haben - und schwer verwundert, dass dies niemand sonst auch so wahrgenommen hat.“ Neben Momenten, in denen sie Alltägliches übersteigert erlebte, durchlitt Sandra auch depressive Episoden. Aber wie krank sie war, „das war mir damals tatsächlich nicht bewusst“.

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Und erstmals in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des St.-Elisabeth-Krankenhauses traute Sandra sich überhaupt auch, über ihre Psychosen mit anderen Menschen zu sprechen. Die Essenerin erhielt Ergo- und andere Therapien, nimmt seit ihrer Diagnose dauerhaft Medikamente gegen ihre Schizophrenie ein. Und seit jenem ersten Klinikaufenthalt 2001 ist sie wieder künstlerisch aktiv - leidenschaftlich. Der Krankenhaus-Seelsorger, Therapeutinnen und Therapeuten der Klinik haben ihr dabei geholfen, diese Leidenschaft zur Malerei und zum bildlichem Gestalten wiederzuentdecken und auszuleben. Schon in der Kindheit, sagt Sandra, habe sie gern gemalt. Eine Zeit lang habe sie sogar überlegt, Kunst zu studieren.

Aktuell zeigt Sandra Auswahl ihrer Arbeiten in Hattingens St. Elisabeth-Krankenhaus

Aktuell zeigt Sandra nun eine Auswahl ihrer Arbeiten im Foyer des St. Elisabeth-Krankenhauses. Den passenden Titel „Störung behoben“ trägt die Schau in einem kleinen Bereich des Klinik-Foyers, in dem bis heute eine schon seit Jahren defekte Telefonzelle steht. Eine erste Ausstellung ebendort „Entschuldigung, zurzeit gestört“ ließ Sandra dabei den Mut fassen, mit ihren Werken „auch mal in die Öffentlichkeit zu gehen“. Was nicht zuletzt ihr behandelnder Mediziner, Chefarzt Privatdozent Dr. Bernhard Kis, sehr unterstützt.

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Die einzelnen Gedichte und Ausstellungsstücke - teils unterzeichnet mit „gaga“, teils mit ihrem Namen - sind durch die verschiedenen Lebensphasen der Essenerin geprägt, inspiriert aus der Natur und der Bibel: So etwa zeigt die 51-Jährige, die sagt, ihr Glaube gebe ihr Kraft, die Emmaus-Bibelgeschichte in Comicform. Ein anderes Werk aus Ton trägt den Titel „Freundeskreis“ - eine Hommage an die vielen Freunde, die ihr im Umgang mit ihrer Schizophrenie geholfen haben und helfen. Und eine weitere Arbeit aus Styropor auf Holz hat sie „Persönlichkeit“ genannt. Jeder Mensch, sagt Sandra, habe dabei seine ganz eigene. Und diese Persönlichkeit verändere sich zudem im Laufe eines Lebens. Auch bei ihr.

Sandra mit zwei Figuren aus ihrer Arbeit „Freundeskreis“ in der Ausstellung „Störung behoben“ im St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern.
Sandra mit zwei Figuren aus ihrer Arbeit „Freundeskreis“ in der Ausstellung „Störung behoben“ im St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Eine Schizophrenie, wie sie Sandra hat, ist dabei zwar eine grundsätzlich fortdauernde Erkrankung, sei aber aufgrund heutiger Behandlungsmöglichkeiten meist gut behandelbar, sagt Privatdozent Dr. Bernhard Kis. „Bei einer intensiven und langfristig ausgerichteten Behandlung können sich die Symptome einer Psychose sogar vollständig zurückbilden.“

Die Ausstellung

Sandras Ausstellung „Störung behoben“ im Foyer des St. Elisabeth-Krankenhauses an der Essener Straße 31 in Hattingen-Niederwenigern ist bis mindestens bis zum 13. Oktober täglich zwischen 14 und 20 Uhr zu sehen.

Die Künstlerin freut sich über jegliches Feedback. Für Kommentare liegt u.a. ein Gästebuch bereit.

„Ich bin froh, dass es Medikamente gibt, die meine Schizophrenie im Zaum halten“, sagt Sandra. „Und ich bin glücklich und dankbar, im St.-Elisabeth-Krankenhaus so tolle Menschen gefunden zu haben, die mir geholfen und gezeigt haben, wie ich achtsam zu mir selbst sein kann, damit ich nicht noch einmal eine Psychose bekomme.“

Seit sechs Jahren, sagt Sandra, habe sie keine mehr gehabt. „Meine Störung ist heute Gott sei Dank behoben.“

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