Hattingen. Lähmungen und Depressionen – Neuropathie hat Dewi Hartmann hart zugesetzt. So ist der Marionettenspieler in Hattingen wieder fit geworden.
Dewi Hartmann ist ein leidenschaftlicher Künstler. Der 65-Jährige gibt Gastspiele mit seinem Marionettentheater, in Altenheimen tritt er kostenlos auf. Er hat auch eine Zeit lang als Theaterschauspieler gearbeitet, sich dann aber ganz den Marionetten gewidmet. Vor zweieinhalb Jahren beginnt seine Leidenszeit.
In Füßen und Beinen kribbelt es, erste Lähmungen treten auf. Die Haare auf den Beinen schmerzen so stark, dass er keine Hose mehr anziehen kann. Ein medizinischer Marathon beginnt. Der Hausarzt diagnostiziert Diabetes und behandelt entsprechend. Linderung der Schmerzen gibt es nicht. Auch eine Schmerztherapie bleibt ergebnislos.
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Nächste Fachabteilung: Psychotherapie – kein Erfolg. Dann macht der Theatermann eine Schlaftherapie – ebenfalls erfolglos. Ein erster Neurologe stellt eine Schädigung des Nervensystems fest und erklärt: irreparabel. Da sitzt Hartmann bereits im Rollstuhl, hat 30 Kilogramm Gewicht verloren, wiegt noch 60 Kilo, verfällt immer wieder in Depressionen. Die Odyssee hat ihm zugesetzt.
Er erkennt die versteckte chronische Autoimmunisierung
Im Sommer 2021 hat die Lähmung die Beine von oben bis unten erfasst und der Künstler kommt zu Prof. Min-Suk Yoon (50) ins Evangelische Krankenhaus an der Bredenscheider Straße. Der Chefarzt der Neurologie diagnostiziert Neuropathie und lässt Gewebeproben entnehmen. Er erkennt die versteckte chronische Autoimmunisierung. Und verabreicht Kortison – eine von mehreren Möglichkeiten der Behandlung.
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Sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Polyneuropathie. Das sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Die Beeinträchtigungen an Armen und Beinen, Händen und Füßen können bis zur Lähmung führen, was die betroffnen Patienten über die Hilfsbedürftigkeit oft in die Pflegebedürftigkeit führt.
30 Prozent der Patienten kommen als Diabetiker in die Neurologie, jeweils 15 Prozent mit Drogen- oder Alkoholproblemen sowie mit Autoimmunerkrankungen.
Bei der Therapie setzt Min-Suk Yoon in seiner 60-Betten-Klinik mit acht Ober- und zwölf Assistenzärzten Cortison und Plasmaspenden, Medikamente aus der Transplantationsmedizin und Blutwäsche ebenso ein wie Verfahren der Heilmethode Ayurveda.
Hartmann hat das Laufen wieder gelernt
„Wichtig ist eine genaue Diagnose“, sagt der Chefarzt. „Medizinische Zusammenhänge erschließen sich oft erst durch lange Gespräche und Untersuchungen abseits der Apparate-Medizin.“ Bei Dewi Hartmann soll es also Kortison richten. Zunächst wird er dazu alle vier Wochen für vier Tage stationär aufgenommen, später alle acht Wochen.
So etwas führt immer zu harten Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen, berichtet Min-Suk Yoon. Doch der medizinische Erfolg ist sichtbar. Hartmann hat das Laufen wieder gelernt. Erst am Rollator, dann am Gehstock, zuletzt ohne Hilfen. Jetzt wird das Kortison abgesetzt. Die stationären Klinikaufenthalte entfallen. Nur in die Sprechstunde soll Hartmann künftig noch kommen.
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Ein leichtes Kribbeln in den Beinen wird wohl bleiben. Doch die Zeit der massiven Lebenseinschränkungen ist vorbei. Nicht nur die Beine funktionieren wieder, auch der Kopf ist wieder frei. Neue Pläne inbegriffen. Dewi Hartmann denkt wieder an seine Marionetten. Er hat eine neue Bühne gekauft und will so schnell wie möglich wieder loslegen. „Ich schaffe das“, sagt er zuversichtlich. Schließlich hält er auch die Fäden seines Lebens wieder in der Hand.