Hattingen. Zufällig zusammengestellte Bürgerräte sollen den Vertrauensverlust in die Politik stoppen. Was Rainer Bovermann (SPD) sonst noch fordert.
Der Abschlussbericht der Enquetekommission „Partizipation und Subsidiarität“ ist fertig. Das klingt erst einmal sperrig, hat aber viel mit allen Bürgerinnen und Bürger zu tun. In diesem Fall sogar ganz direkt.
Denn bei jedem von uns könnte bald das Telefon klingeln oder eine Mail ankommen, die eine freundliche Aufforderung in den Raum stellt: „Machen Sie doch bitte mit beim Bürgerrat. Das stärkt unsere Demokratie.“
100 Handlungsempfehlungen auf 140 Seiten
Wann diese Einladungen Realität werden, weiß Rainer Bovermann nicht. Nur, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen auf den Weg dahin gemacht hat. Und der Landtagsabgeordnete aus Welper, er ist dabei. Als Mitglied jener Enquetekommission zur Stärkung der Demokratie, die Vorschläge für die künftige Arbeit des Parlaments zusammengetragen hat.
Zwei Jahre haben die 13 Politiker aller Landtagsfraktionen und fünf wissenschaftlichen Sachverständigen daran getüftelt. Jetzt ist der 140 Seiten starke Bericht mit 100 Handlungsempfehlungen fertig. Und eine davon setzt auf das Prinzip Zufall.
Aus dem Stimmungstief herauskommen
„Die Vertrauenskrise der Parlamentarischen Demokratie hat ja schon vor Corona begonnen. Die Pandemie hat sie allerdings noch verstärkt“, sagt Rainer Bovermann. Der 63-Jährige vertritt die SPD seit 2005 im Landtag und sieht als Gewinner von mehr Demokratie nicht nur Bürgerinnen und Bürger. „Wir als politische Parteien werden ja gerade in Kollektivhaft genommen, und das ärgert uns. Wir müssen aus dem Stimmungstief unbedingt herauskommen.“
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Die Menschen direkter einzubinden, haben die Mitglieder der Kommission ganz oben auf ihre Liste mit Handlungsideen gesetzt. „In den bisherigen Mitwirkungsorganen sitzen ja oft immer dieselben Verdächtigen, Interessengruppen, Lobbyisten“, schildert der Politik-Professor die Lage. „Das müssen wir aufbrechen.“
Wahlalter mit 16
Mit Nadja Büteführ gehört auch eine weitere Landtagsabgeordnete des Ennepe-Ruhr-Kreises der Enquetekommission an. Die Sozialdemokratin aus Herdecke hofft, dass über zufällig ausgewählte Bürgerräte mehr Personenkreise für die Mitarbeit gewonnen werden können, die jetzt noch außen vor stünden. „Frauen, Menschen mit ausländischen Wurzeln und junge Bürgerinnen und Bürger sind nicht in der Zahl vertreten, wie ich mir das wünsche“, sagt Büteführ (54).
Das sind Themen, die die Kommission auch an anderen Stellen ihres Berichts aufgreift. „Das Wahlalter mit 16, die Stärkung der Kinder- und Jugendparlamente, mehr Mitbestimmung in Kita und Schule sowie ein Wahlrecht für Drittstaatler sind Punkte, die mit Nachdruck verfolgt werden müssen“, fordert Rainer Bovermann.
Im Mai wird über den Abschlussbericht debattiert
„Kinder- und Jugendparlamente muss man ernsthaft wollen und nachhaltig arbeiten lassen“, so der SPD-Landtagsabgeordnete. „Das darf kein Alibi sein und auch Geld kosten. In Hattingen läuft das übrigens sehr gut.“
Bovermann hat von drei Kommissionen zwei geleitet
Prof. Rainer Bovermann (63) ist seit 1985 Politikwissenschaftler an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und seit 2005 direkt gewählter SPD-Landtagsabgeordneter. Der jetzt vorgelegte Bericht ist seine dritte Mitwirkung in einer Kommission des Landtags. Die Enquetekommission zum Thema „Chancen für Kinder“ (2006 bis 2008) hat er ebenso geleitet wie die Kommission zur Reform der Nordrhein-Westfälischen Verfassung in den Jahren von 2013 bis 2016.Für Dr. Nadia Büteführ (54) ist es die erste Mitwirkung in einer Landtagskommission.
Die Themen sind also gesetzt. Jetzt muss der Landtag nur noch darauf zugreifen. Im Mai wird er über den Abschlussbericht debattieren. Und entscheiden, wie er wann welche Handlungsempfehlungen aufgreift.
Demokratischer Streit inklusive. CDU und FDP möchten, dass Konzepte für Bürgerräte auf lokaler Ebene erarbeitet werden. SPD und Grüne wünschen sich zunächst Bürgerräte auf Landesebene, deren Wirken dann der Anreiz für lokale Gremien sein soll.
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