Hattingen. Durch den Krieg in der Ukraine wird Getreide knapp. Doch Landwirte in Hattingen können nicht einfach auf Getreideanbau umstellen. Die Gründe.
Durch den Krieg in der Ukraine wird das Getreide knapp. Angesichts dessen können Landwirte in Hattingen jedoch nicht einfach auf Getreideumbau umstellen. Die Landwirtschaft habe derzeit so viele Herausforderungen zu bewältigen wie selten zuvor, sagt Landwirt Peter Oberdellmann aus Hattingen.
„Zwei Drittel der Fläche in Hattingen ist Dauergrünland und bleibt auch Dauergrünland“, sagt Peter Oberdellmann, der eben frisch zum stellvertretenden Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ennepe-Ruhr/Hagen wiedergewählt ist. Ein Anpflanzen von Getreide sei aus mehreren Gründen nicht möglich. Einerseits gebe der Boden das gar nicht her und „andererseits verbieten das beispielsweise EU-Richtlinien“. Außerdem würden viele Flächen in Landschaftsschutzgebieten liegen. Da sei ein Getreideanbau unmöglich.
Brotgetreide-Anbau für Landwirte in Hattingen kaum möglich
„Der Anteil der Ackerfläche der reinen Marktfruchtbetriebe ist in Hattingen verhältnismäßig gering“, so der Agrar-Ingenieur. Das Gros würde an Tiere verfüttert. „Das Futtergetreide ist auch anders als das Brotgetreide. Der Eiweißgehalt ist ein anderer – und der Anbau funktioniert nicht überall“, betont Oberdellmann. Und: Landwirte hätten im Herbst Wintergetreide gesät, im August käme dann der Raps. „An Sommergetreide wird meist Hafer gepflanzt, der Anteil ist verschwindend gering. So schnell, wie sich die Welt ändert, können sich Landwirte nicht umstellen.“
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Die Ukraine habe den besten Boden – Schwarzerdeboden – für den Getreideanbau. „Das sind die besten Böden weltweit. Darum ist dort die Kornkammer Europas. Es gibt viel Fläche bei relativ geringer Einwohnerzahl. Es kann also viel exportiert werden.“
Benzinpreis macht Landwirten zu schaffen
Neuseeland beispielsweise sei dagegen weltgrößter Exporteur von Milch. „Aber wächst dort das Gras schlecht, wird weniger exportiert, hat das auch Einfluss auf die Preise hier“, macht er klar.
Den Landwirten mache der Benzinpreis zu schaffen. Oberdellmann selbst hat Diesel eingelagert, hat den Preisanstieg vorhergesehen – und bei 1,67 Euro pro Liter gekauft. „Da habe ich schon geschluckt. Aber die Preise jetzt sind deutlich höher. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir auch noch die Badewanne vollgemacht“, sagt er.
Getreidepreise stiegen schon im Vorjahr
Die Getreidepreise seien bereits im Vorjahr gestiegen. „Da haben diejenigen, die es verkauft haben, noch in die Hände geklatscht. Aber was sie da gewonnen haben, müssen sie jetzt für Dünger wieder ausgeben“, sagt Oberdellmann. „Der Sprung bei den Preisen ist da noch höher als an der Tankstelle.“
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21 Euro hätten 100 Kilo Stickstoff im Vorjahr gekostet, dann sei der Preis auf 50 Euro gestiegen. Jetzt sei er noch teurer und käme noch nicht mal mehr an. „Wenn er auf einem russischen Schiff liegt, wird er nicht entladen, bleibt auf See. Aber für den Qualitätsweizen für die Backindustrie wird Stickstoff benötigt, damit das Getreide genug Protein bildet.“
„Für uns geht es nur um Verzicht, für Menschen in anderen Ländern ums Überleben“
Insgesamt betont Oberdellmann: „Wir sind ein Gunstland, müssen vielleicht künftig auf manches verzichten. Aber in anderen Ländern wie etwa Afrika sichert die tägliche Ration Getreide das Überleben. Hier wird gehamstert, das ist eine Luxussituation. In anderen Ländern gibt es nichts zu hamstern.“