Hattingen.
Ein neues Angebot der Psychiatrischen Klinik Niederwenigern will Kindern von psychisch kranken Eltern helfen, mit der schwierigen Situation umzugehen.
Mama benimmt sich komisch. Sie weint viel. Und irgendwie ist sie gar nicht mehr so wie früher. Ihre Psyche ist krank. Dass die Seele krank werden kann, ist schon für Erwachsene schwer zu verstehen. Für Kinder psychisch erkrankter Eltern muss es noch schwieriger sein, wenn Vater oder Mutter auf einmal nicht mehr „richtig ticken“.
Deshalb gibt es an der Klinik Niederwenigern jetzt Jeany. Jeany ist ein jeansblauer Teddybär mit einem offenen Ohr für alle Fragen und Sorgen von Kindern, deren Eltern in stationärer, teilstationärer oder ambulanter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung sind.
Es geht um die Entlastung der Kinder
„Wir wollen mehr Verständnis und weniger Ängste und Sorgen“, erklärt Anke Schmitz, ärztliche Psychotherapeutin. Sie habe bei der Betreuung ihrer Patienten vermehrt auch mit deren Kindern zu tun gehabt. „Da musste ich sehr kindgerecht erklären, was zum Beispiel eine Depression ist.“ So sei die Idee entstanden, ein Angebot für Kinder zu machen. Dabei gehe es aber nicht darum, zu therapieren, sondern eher um Vorbeugung, aber auch um Entlastung für die kleinen Angehörigen.
Jeany, der Teddy, soll bei der Kontaktaufnahme helfen. Oft seien die Kinder nicht bereit, offen über ihre Sorgen zu sprechen, sagt Anke Schmitz. „Der Teddy ist wie ein Gedankendetektiv.“ Er soll eine Art Türöffner sein.
Fingerspitzengefühl ist gefragt
Hinter Jeany sitzen erfahrene Psychotherapeuten wie Anke Schmitz, ihre Kollegin Dagmar Engelke-Frech oder Chefarzt Professor Thomas Zeit. Im Umgang mit den Kindern ist Fingerspitzengefühl angesagt. „Psychische Erkrankungen führen zu einer emotionalen Verwirrung der Kinder“, sagt Dagmar Engelke-Frech. Anders als zum Beispiel ein Beinbruch ist die Krankheit unsichtbar. „Worauf soll ich malen bei einer Depression“, fasst Chefarzt Zeit zusammen, „wo setze ich als Kind an, was kann ich da machen“. In Einzelgesprächen und Gruppen sollen die Kinder lernen, mit psychischen Erkrankungen von Angehörigen umzugehen. Auch die Bezugspersonen sollen einbezogen werden – im Zweifelsfall auch Kinder- und Jugendpsychiater.
Vor einigen Jahren habe es schon einmal ein ähnliches Projekt gegeben, in Zusammenarbeit mit einer niedergelassenen Kinderpsychologin aus Hattingen. Das sei allerdings wegen fehlender finanzieller Mittel eingestellt worden, so Zeit.
Wegen des steigenden Bedarfs wagt die Klinik nun einen zweiten Anlauf. Unterstützt wird sie dabei vom Förderverein „Überbrücken“. Vorsitzende des Vereins ist Hattingens ehemalige stellvertretende Bürgermeisterin Leni Meinecke. Sie habe selbst Erfahrung im Umgang mit einer an Demenz erkrankten Freundin gemacht, erzählt sie. „Ich hätte nie geglaubt, dass es so schwierig ist, Menschen zu verstehen, die eigentlich noch mitten im Leben stehen.“ Deshalb sei es besonders wichtig, Kinder zu unterstützen.