Hattingen. 60 Fotos des 1976 verstorbenen Heinrich Lehn vom Leben an der Ruhr zeigt das Industriemuseum Hattingen. Auch ein dunkles Kapitel wird beleuchtet.
Ein halbes Jahrhundert lang hat der Wickeder Heinrich Lehn das Leben an der oberen Ruhr und die Umbrüche seines Heimatortes fotografisch festgehalten. Nun präsentieren das Industriemuseum Henrichshütte und das LWL-Medienzentrum für Westfalen ausgewählte Aufnahmen des 1976 im Alter von 74 Jahren verstorbenen begeisterten Hobbyfotografen erstmals in einer Ausstellung auf der Hütte in Hattingen. „Menschen an der Ruhr“ ist die Schau überschrieben – doch zu sehen bekommen Besucherinnen und Besucher etliches mehr.
Rund 700 Original-Negative aus dem Nachlass seines Vaters hat Heinrich Lehns Sohn im Jahre 2005 dem Bildarchiv des LWL-Medienzentrum mit Sitz in Münster geschenkt. 60 davon hat Stephan Sagurna, Bildwissenschaftler und Fotograf eben dieses Medienzentrums, nun für die Schau im Foyer der Henrichshütte ausgewählt.
Rund um die Ausstellung: Eröffnung, Eintritt, Bildband
Die Ausstellung „Menschen an der Ruhr“ mit Fotografien von Heinrich Lehn wird am Freitag, 1. April, 19 Uhr, im Industriemuseum Henrichshütte, Werksstraße 31-33, eröffnet. Stephan Sagurna, Kurator der Ausstellung, gibt eine Einführung ins Thema. Der Eintritt ist frei.Nach dem Eröffnungsabend ist „Menschen an der Ruhr“ bis einschließlich zum 26. Juni im Foyer des Industriemuseums zu sehen – zu den Öffnungszeiten des Hauses (die-so, 10-18 Uhr). Für diese Sonderausstellung ist der normale Museumseintritt zu zahlen (Erwachsene: 5 Euro, ermäßigt: 2,50 Euro; Geflüchtete, Jugendliche, Kinder, Schüler und Schülerinnen: frei).Für den Besuch des Museums gilt die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet).Den Bildband zur Ausstellung gibt es im Museumsshop für 19,80 Euro.
Neben Menschen auf dem Schützenfest, im Strandbad, beim Schlittschuhlaufen zeigen die Fotos die Landschaft an der Ruhr, Ortsansichten Wickedes, Brücken. Und den Fluss als Hauptschlagader der Kleinstadt. Darunter auch zwei Aufnahmen von den Auswirkung der Zerstörung der Staumauer Möhnetalsperre in der Nacht des 16./17. Mai 1943 auf Wickede. Unter den Schwarz-Weiß-Fotos, für die Lehns Original-Negative hochaufgelöst digitalisiert wurden, befindet sich zudem ein Originalabzug aus den 1930-er Jahren: eine Schafherde in den Ruhrauen, Leihgabe der Nachfahren der damaligen Schäferfamilie.
Ein Stück Fotogeschichte
Einblick in das vergangene Leben an der Ruhr gewährt die Ausstellung den Besucherinnen und Besuchern dabei. Sie präsentiert aber auch ein Stück Fotogeschichte, so Stephan Sagurna. Um 1930 nämlich fand fotohistorisch eine Umbruchphase statt. Die Etablierung von Mittelkameras wie der Rolleiflex bot dabei auch Henrich Lehn ganz andere Möglichkeiten als die von ihm bis dato genutzte Plattenkamera mit Stativ. Sagurna: „Seine Bilder wurden dadurch flexibler, spontaner.“
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Und auch ästhetisch veranschaulicht die Ausstellung eine Entwicklung Lehns: Zwar sei es diesem stets um das schöne Bild gegangen, betont Sagurna. So habe er in seinen Motive immer wieder Wolken dekorativ in Szene gesetzt, auch Kontraste und eine große Bildausgewogenheit waren ihm wichtig. „Heinrich Lehn“, so Sagurna, „hat sich hierbei an der Malerei orientiert.“ In seinen späteren Jahren indes seien seine Fotos abstrakter geworden.
Lehn wurde zum visuellen Chronisten seines Heimatortes
Fast alle seine Motive fand Heinrich Lehn dabei in und um Wickede, er wurde so zum visuellen Chronisten seines Heimatortes. Einer, zu dessen Biografie es indes auch Kritisches zu sagen gibt: Als engagierter Parteigänger und Funktionsträger der Nationalsozialisten setzte er auch die Symbole und Rituale nationalsozialistischer Machtentfaltung in der Provinz ins Bild. Und auch davon zeigt die Ausstellung im Industriemuseum eine kleine Bild-Auswahl: Fackelzüge, Sonnenwendfeier, einen Umzug der NS-Organisation „Kraft durch Freude“. Und eine Aufnahme auf dem Wickeder Schützenplatz im Jahr 1933.
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Heinrich Lehn hat auf diesem Bild Menschen und Plakate vom Arbeitsbeschaffungsprogramm der Nazis akkurat in Szene gesetzt. Hier, sagt Stephan Sagurna, sei der kreative Amateur-Fotograf Lehn, der nach dem Krieg zwei Jahre in einem britischen Internierungslager verbrachte und schließlich als „Mitläufer“ des NS-Regimes eingestuft wurde, „zum Propaganda-Fotografen geworden“.
Die Fotomotive der Ausstellung und weitere Fotografien Heinrich Lehns sind auch im Online-Bildarchiv des LWL-Medienzentrums eingepflegt und neben 70.000 weiteren Fotografien aus ganz Westfalen unter www.bildarchiv-westfalen.lwl.org recherchierbar.