Hattingen. Entkernte Erdgeschosswohnungen, Aufräumarbeiten, Warten auf Handwerker: So geht es den Opfern der Hochwasser-Katastrophe in Hattingen heute.
Normalität bleibt für Anwohner der Schleusen- und Königsteiner Straße in Hattingen nach dem Jahrhundert-Hochwasser vom 15. Juli ein Fremdwort. Die Trockner laufen. Wohnungen müssen entkernt werden. Teils warten Betroffene auf Handwerker.
Bojan Szabo, Joël Njikam und Hans-Peter Zimmer pausieren vor dem Haus 16a in der Schleusenstraße. Immer noch müssen sie nach dem Hochwasser aus Kellern und Erdgeschosswohnungen Möbel, Böden, Schlamm holen.
Hochwasser-Opfer in Hattingen beseitigen immer noch Schäden
„Wir müssen erst mal alles trocknen, das sind dicke Wände, die sind vollgesogen. Das dauert“, sagt Szabo. An den Hauswänden lehnen Schrankteile, Bretter, Metallwaren. Berge von Müll fallen an. Immer noch, nach über fünf Wochen, ist ans Instandsetzen gar nicht zu denken.
„Hier sind wohl noch mal vier Lkw-Ladungen Sperrmüll. Drei mal war der Sperrmüllwagen schon da“, sagt Szabo. Dann packen die Männer wieder an. Schlammige Autoreifen, Kabel, aufgeweichte Kartons: Es gibt noch viel zu tun. Wann Szabo das Erdgeschoss wohl wieder nutzen kann? „Das wird Weihnachten.“
Dünne Schlammschicht liegt über Fahrrädern
Bislang in den oberen Etagen gearbeitet hat das Team des Architektenbüros RDS Partner, Schleusenstraße 5. Die Trockner laufen noch. Doch langsam kehrt laut dem geschäftsführenden Hauptgesellschafter Peter Damm wieder Leben ins Erdgeschoss ein.
Lob für Unterstützung
Daniel Kallauch, der in der Hochwassernacht so lange es ging bei Kerzenschein sein Untergeschoss räumte, bevor es 52 Zentimeter unter Wasser stand, lobt die Stadt: Sie stellte Container auf, bot mehrfach von sich aus finanzielle Hilfe an.„Als ich Freitag wieder im Haus war, kam gleich ein Elektriker, um den Strom anzuschalten. Da konnte ich wenigstens die Jalousien wieder hochlassen.“ Friedrich Tiggemann lobt, dass heimische Handwerker schnell für Strom gesorgt hätten.
Das ist im Haus Nummer 6 noch nicht der Fall, berichtet Friedrich Tiggemann. Seine Wohnung in der ersten Etage dagegen kann er wieder bewohnen – seit der Strom wieder da ist. Die Fahrräder, die vor dem Gebäudekomplex in Reih und Glied stehen, überzieht eine gräulich-braune Schlammschicht.
Netzwerktechnik war ein Totalschaden
Das Wasser schaffte es zwar nicht in die Büroräume in der ersten Etage von Steuerberater Thorsten Hans an der Schleusenstraße 7, aber: „Die gesamte Netzwerktechnik war ein Totalschaden. Es gab keinen Strom. Wir konnten zum Glück noch über den Garten durch die untere Wohnung in die Kanzlei, um unsere Geräte zu holen – und hatten wegen Corona technisch alles auch so eingerichtet, dass Homeoffice möglich ist.“
Einige Mitarbeiter arbeiteten daheim, andere bei Mandanten. Die Trockner im Keller laufen jetzt zwar noch, aber „wir können inzwischen wieder das Büro nutzen“. Bevor Hans mit seiner Kanzlei im Oktober 2020 in das Gebäude gezogen war, hatte er sich über die Hochwassersituation kundig gemacht. „Nach den Informationen habe ich so einen Hochwasserstand nicht erwartet.“
Steuerberater Thorsten Hans gibt Opfern der Hochwasser-Katastrophe Tipps
Auf seine Homepage stellte Hans nach der Katastrophe als Service „Tipps für Opfer der Flutkatastrophe NRW – Soforthilfe und Informationen“ ein. „Denn darüber wussten nur wenige Bescheid.“ Vor der Kanzlei fällt der Blick auf Sandsäcke, die sich noch vor dem Restaurant Da Mario stapeln. Steingut füllt einen Container, in einem zweiten liegt Styropor.
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Fast volle Container stehen auf der Königsteiner Straße, entlang der Pflanzen erholt blühen. Ein dünner Schlammfilm auf den Blättern der Hecken zeugt noch vom Hochwasser. Das Leben in den Häusern am Ruhrbogen, deren Gärten an die Königsteiner Straße grenzen, dominiert es noch.
Bei Daniel Kallauch muss der Boden im untersten Geschoss komplett raus
Bis zur Bodenplatte des Hauses müsse der Boden abgetragen werden, weil Wasser unter dem Estrich sei, sagt Anwohner Daniel Kallauch. „In den Nachbarhäusern ist der Estrich sogar aufgerissen. Wir hatten uns vor einigen Tagen getroffen.“ Die Türrahmen hat er im Untergeschoss herausgebrochen. Trockner und Waschmaschine sind defekt. Die Kühltruhe sei im Raum geschwommen. „Handwerker kommen erst am 1. September. Das wird uns hier noch Monate beschäftigen“, schätzt Kallauch.