Hattingen. Das gab’s noch nie: In Hattingen müssen die Stadtwerke Strom-Neukunden ablehnen, die AVU kann keine neuen Gasverträge anbieten. Gründe und Folgen
„Ich mache das seit mehr als 20 Jahren. So etwas hatten wir noch nie. Solche Preise habe ich auch noch nie gesehen“, sagt Steven Scheiker von den Stadtwerken Hattingen. Es sind schwierige Zeiten für Kunden und Energieversorger. Für die Stadtwerke und die AVU führt das jetzt zu einer außergewöhnlichen Situation: Die einen nehmen derzeit keine Strom-Neukunden an, die anderen in Hattingen keine Gas-Neukunden.
Keine Stromlieferungen für Neukunden in 2022
„Dieses Jahr wird es keine Stromlieferungen für Neukunden mehr geben“, bestätigt Scheiker auf Nachfrage für die Stadtwerke. Auch die AVU teilt mit: „Aktuell können wir nur in den von uns als Grundversorger belieferten Gebieten Neukunden Lieferverträge anbieten – und demnach in Hattingen derzeit keine Gasverträge im Privat- und Gewerbekunden anbieten.“
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Grundversorger sind die Stadtwerke für Hattingen im Bereich Gas, die AVU dagegen in Hattingen für den Strom. Das heißt, dass beide Unternehmen in diesen Bereichen keine Privatkunden abweisen. Jeder, der Energie benötigt, wird versorgt. Im jeweils anderen Bereich ziehen die Unternehmen aber wirtschaftliche Konsequenzen.
Außergewöhnliche Situation am Markt
„Das hatten wir noch nie. Diese Lage am Markt gab es noch nie“, betont auch AVU-Sprecher Daniel Flasche und ergänzt: „Kein Grundversorger geht derzeit in fremde Gebiete.“ Wie lange Hattinger Gaskunden bei der AVU keine Neuverträge abschließen können, kann er nicht sagen. „Wenn die Märkte sich beruhigen oder stabilisieren, können wir planen. Aber derzeit geht das überhaupt nicht.“
Grundversorgung und Bestandskunden
DieVersorgung der Bestandskunden und derer, die keine Alternative haben, ist bei den Grundversorgern gesichert und steht derzeit an erster Stelle. Alle laufenden Verträge können erfüllt werden.Die AVU ist Grundversorger für Strom in den Städten Hattingen, Sprockhövel, Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm, Breckerfeld und Wetter. Für Gas ist die AVU der Grundversorger in Sprockhövel, Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm, Breckerfeld und Wetter. Nur in Hattingen sind die Stadtwerke Hattingen damit Gasgrundversorger.
Die Lage auf den nationalen und internationalen Energiemärkten sei seit Ende 2021 „extrem turbulent“. „Bisher konnten wir die anhaltenden Marktturbulenzen gut abfedern durch unsere langfristige Beschaffung“, erklärt AVU-Vorstand Uwe Träris. Eine Erhöhung der Gaspreise zum 1. Juli kündigte der Energieversorger dennoch jüngst an. Für neue Verträge bleibt da kein Spielraum. Der Strompreis wird durch den Wegfall der EEG-Umlage dagegen sinken.
Preise 50 mal so hoch wie vor anderthalb Jahren
Die Stadtwerke Hattingen planen erst ab Mitte/Ende Oktober wieder Stromverträge für das kommende Jahr aufzulegen, kündigt Scheiker an. Aktuell seit das Risiko zu hoch.
Der Vertriebsleiter der Stadtwerke Hattingen erklärt das Problem: Energiekontingente werden mit viel Vorlauf kalkuliert und gekauft – jetzt für das nächste und übernächste Jahr. Ist die gekaufte Menge aufgebraucht, werden fehlende Mengen zur Versorgung der Kunden üblicherweise tagesaktuell geordert.
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Derzeit allerdings sind die Preise an diesem Markt so extrem hoch, dass die Energieversorger keine annehmbaren Angebote machen könnten. Steven Scheiker berichtet von 50-mal so hohen Preisen, wie noch zur Corona-Hochzeit. Die für dieses Jahr georderten Strommengen sind für Bestandskunden verplant. Raum, zusätzliche Kunden zu beliefern, gibt es nicht.
Risiko für Energieversorger zu hoch
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„Würden wir Verträge für Neukunden kalkulieren, würde die Kilowattstunde um die 45 Cent brutto kosten“, so Scheiker. Das ist für Kunden kein attraktiver Preis. Blieben die Neuverträge also aus, müsste der Energieversorger den teuer eingekauften Strom wieder verkaufen. Das Risiko, dass das nur mit Verlust möglich wäre, sei derzeit zu groß. Daher entschieden Stadtwerke und AVU sich für den noch nie dagewesenen Schritt, abseits ihrer Grundversorgerfunktion keine Neukunden mehr anzunehmen.
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Vom Hattinger Anbieter Relaxgas und Relaxstrom gab es kurzfristig keine Auskunft, ob noch Verträge an Neukunden ausgegeben werden.