Gladbeck.. Wenn Alex Schwers nicht als „Slime“-Schlagzeuger auf Tour ist, organisiert der Gladbecker Festivals. Machen, was er will: Das ist für ihn Punk.


Kann ein Punk Schlager machen? Kann er. Gut sogar. Denn der Kerngedanke des Punk ist es, sich nichts vorschreiben zu lassen, egal von wem. Und so war es Alex Schwers, der eine Zeit lang beim Gladbecker Schlagerstar Ibo den Takt vorgab für Hits wie „Ibiza“ und „Bungalow in Santa Nirgendwo“.

Provokation ist Teil der Punkrock-Philosophie.
Provokation ist Teil der Punkrock-Philosophie. © Uwe Weber | Unbekannt






Dabei ist es eigentlich eher die Musik der etwas härteren Gangart, der sich der 43-Jährige verschrieben hat – und die im Ruhrgebiet und darüber hinaus eindeutig seinen Stempel trägt. Pogo statt Discofox. Abgerissenes T-Shirt statt Sakko, Turnschuhe statt Mokassins.

Diverse Punkrock-Bands hat er im Lauf seiner Musikerkarriere am Schlagzeug unterstützt, seit sieben Jahren trommelt er bei den Hamburger Urgesteinen namens „Slime“. Und ohne ihn als Organisator gäbe es weder das weihnachtliche „Punk im Pott“, ein zweitägiges Festival in der Oberhausener Turbinenhalle, noch das sommerliche „Ruhrpott-Rodeo“ auf dem Flugplatz Schwarze Heide.

Schulabbruch nach der neunten Klasse

Seine Eltern haben bestimmt irgendwann einmal bezweifelt, dass aus ihrem Jungen etwas wird. Er selbst aber hat sich nicht beirren lassen durch Erwartungen und Konventionen. Schon als Kind wusste Alex Schwers, dass er in einer Band spielen wollte, und schon als Grundschüler, dass es das Schlagzeug sein sollte, das ihn einmal bekannt machen sollte.

„Ich war richtig verliebt ins Schlagzeug“, erzählt er. Und wie das bei Verliebten so ist: Er wurde kreativ, um Zutritt zu seiner Liebe zu bekommen. Der kleine Alex, evangelisch getauft, fing an zu rechnen. Ein Schlagzeug war teuer, ein warmer Geldsegen erst zur Konfirmation zu erwarten.

Wie gut hatten es da die katholischen Kinder, die ja bereits in der dritten Klasse zur Kommunion gingen und reich beschenkt wurden. Lösung erkannt, das Kind konvertierte, wurde gesegnet – und die 300 Mark, die danach noch fehlten, leierte er dem lieben Vater aus den Rippen.

Erste Schallplatte mit „Misery loves Company“

Beim „Punk im Pott“  feiern vor allem jüngere Punks. Los geht’s immer am Tag nach Weihnachten.
Beim „Punk im Pott“ feiern vor allem jüngere Punks. Los geht’s immer am Tag nach Weihnachten. © Kerstin Bögeholz | Funke Foto Services






Das Geld war wohl investiert, Kind und Schlagzeug fortan eine untrennbare Einheit. „Ich habe sogar mit dem Kopf in der Bass Drum geschlafen“, erinnert er sich. Aber meistens übte der Led-Zeppelin-Fan. Seine erste Band hieß „Peeping Tom“, teilweise spielte er in fünf Bands parallel, mit „Misery loves Company“ (übersetzt: Ein Unglück kommt selten allein) nahm er die erste Schallplatte auf – da war er 17.

Musik, Musik, Musik. Mehr wollte er nicht. „Ich hatte keine Zeit für Schule“, sagt er, also war nach der neunten Klasse Schluss – egal, was die Eltern dazu sagten. Ob er seinen beiden Kindern die gleiche Entscheidungsfreiheit zugestehen würde? Er glaubt schon.

Immerhin absolvierte er eine Schreinerlehre. „Das war sinnvoll, mal zu arbeiten. Ein bisschen Disziplin, früh aufstehen“, sagt er rückblickend. Auch wenn er anschließend nie in dem Beruf arbeitete, sei die Erfahrung wichtig gewesen.

Gladbeck ist kein Ort für ein Festival

Dass Schlagzeuger gemeinhin als kauzig gelten, versteht Schwers nicht. „Das sind die sozial kompetentesten, die den Laden zusammenhalten“, sagt er lachend. Zumindest für ihn gilt das wohl, auf verschiedenen Ebenen, nicht nur in seinen Bands, sondern auch in seinem Leben als Musikproduzent und als Festivalveranstalter. „Ich bin ja schon eine treibende Kraft in der Punkszene im Ruhrgebiet“, sagt er von sich selbst.

Schwarze Heide, Turbinenhalle – warum gibt es denn in Gladbeck kein Festival? „In Gladbeck hat noch nie etwas funktioniert“, sagt Schwers, diverse Festivalversuche seien gescheitert. Ein Erklärungsversuch: „Gladbeck wird von den großen Städten drumherum abgesaugt.“ Und die Flächen, die er für sein Sommerfestival für Bühnen und Camping braucht, gebe es in der Stadt ohnehin nicht.

„Punk war teilweise total spießig“

Alex Schwers lässt sich nicht gerne festlegen – nicht auf einen Ort, nicht auf eine Musikrichtung. Schon als junger Mann entschied er, sich nicht in ein Korsett schnüren zu lassen. „Punk war teilweise total spießig“, erzählt er. Was paradox klingt. Dass er als Schlagzeuger mit einem Schlagerstar wie Ibo arbeitete (bis zu dessen Tod im Jahr 2000), habe er selbst als Provokation empfunden, und vielleicht auch als Befreiungsschlag.

Alex Schwers spielt mittlerweile auch Jazz.
Alex Schwers spielt mittlerweile auch Jazz. © Schwers | Unbekannt






In der Jessica-Band konnte er jahrelang spielen, ohne sich darüber zu streiten, ob er so denn noch Punk sein könnte. Und er geht noch weiter. Mittlerweile trommelt er im Duo Frustice mit Saxophonist Jan Klare, spielt mit in einem internationalen Orchester, unterstützt Bands (zum Beispiel WIZO und Deichkind) bei Studioaufnahmen und produziert selbst, derzeit die junge Band „Die Shitlers“. All das kann ein Punk. Und dazu gelegentlich Abba hören.

Punk im Pott wird 18 Jahre alt

Hinter die Bühne geriet Alex Schwers wegen seines ersten Kindes. Sein Sohn kam zur Welt, da war Schwers Mitte 20 und musste einen Weg finden, zuverlässig zum Familieneinkommen beizutragen. Nach dem Tod von Schlagerstar Ibo Ende 2000 musste eine neue Einnahmequelle her. „Da hab ich überlegt: Kannst ja mal ein Punkfestival machen.“

Klingt einfach, war stressig, beim ersten Mal war die Zeche Carl in Essen gut voll, alle Besucher zufrieden, Schwers ein paar Euro reicher. „Im zweiten Jahr ist es total eskaliert.“ Viel zu viele Leute kamen, wollten rein, zerlegten am Ende die Einrichtung des Kulturzentrums. „Da haben wir das ganze Geld wieder verloren, da mussten wir erstmal eine neue Einrichtung bezahlen“, erzählt er. Er hat es unter „Lehrgeld“ verbucht.

Zwei Tage Punkrock in der Turbinenhalle Oberhausen


Mittlerweile ist Schwers ein Routinier bei der Organisation, sein „Punk im Pott“ wird heute 18 Jahre alt. Los geht es am heutigen Dienstag um 16.30 Uhr in der Turbinenhalle Oberhausen, Ende ist Mittwochnacht (die Tore schließen aber erst um 7 Uhr am Mittwoch).


Mit dabei sind alte Bekannte wie die „Abstürzenden Brieftauben“, die Bochumer „Kassierer“, Schwers ehemalige Band „Eisenpimmel“, sein Ziehkind „Die Shitlers“, die „Lokalmatadore“ und viele andere. Tickets gibt es noch an der Abendkasse