Gelsenkirchen. Hinweise auf erschlichenes Kinder- und Bürgergeld: Auch Gelsenkirchen stand im Fokus einer landesweiten Kontrolle. Das sind die Ergebnisse.

Sozialbetrug, Schwarzarbeit, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und lebensgefährdende Gebäude-Mängel haben die landesweiten Kontrollen am Donnerstag, 23. Januar, auch in Gelsenkirchen aufgedeckt. Das hat das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung jetzt mitgeteilt. Insgesamt wurden auf Initiative des Landes 55 Gebäude und mehr als 100 Wohneinheiten in Wohn- und Geschäftsobjekten in Gelsenkirchen, Duisburg, Krefeld, Leverkusen und Wuppertal überprüft.

Hatte das Ministerium am Donnerstag lediglich über die Aktion berichtet, so legt sie nun die Ergebnisse vor: Festgestellt wurden demnach insgesamt 43 bauordnungsrechtliche Verstöße und Mängel, von denen 16 im Bereich Brandschutz lebensbedrohend waren. Zwei Gebäude seien illegal als Sammelunterkunft für Arbeitnehmer genutzt worden. Für 22 Wohneinheiten oder Teilgebäude wurde die Nutzung untersagt, zwölf Wohnungen wurden sofort geschlossen.

Heizungen fehlten, Haustüren und Fenster waren defekt, es wimmelte vor Ratten im Müll

Trotz eisiger Temperaturen 18 defekte oder gar fehlende Heizungen, etliche beschädigte Haustüren, Fenster und Elektroanlagen, jede Menge Schimmel: Die kontrollierten Gebäude, darunter auch sogenannte Schrotthäuser, wiesen 50 wohnungsrechtliche Mängel auf. Hinzu kommen Fälle von massivem Ratten- und Schädlingsbefall unter anderem aufgrund von Vermüllung im Innen- und Außenbereich. Es ergaben sich außerdem vier Fälle von Mietwucher. 

Wie es weiter heißt, waren die Wohnsituationen so menschenunwürdig, dass mehrere Mieterinnen und Mieter vom Arbeitgeber in angemessenen Ersatzwohnungen untergebracht wurden. Einige Betroffene suchten sich selbstständig neuen Wohnraum. Aufgrund von gravierenden hygienischen Mängeln wurde darüber hinaus eine Bäckerei geschlossen. 

Verdacht: Scheinarbeitgeber fingieren Arbeitsverträge, um Sozialsystem zu missbrauchen

Razzia gegen mutmaßliche Rechtsextreme
Für die landesweiten Groß-Razzien in fünf Städten, darunter Gelsenkirchen, kooperierte die Polizei mit etlichen kommunalen Behörden (Symbolbild). © DPA Images | Sebastian Kahnert

Bei der Kontrolle wurde zudem ein offener Haftbefehl sofort vollstreckt. Es wurden zwei Personen angetroffen, gegen die Ermittlungsverfahren laufen und deren Aufenthaltsort bisher unbekannt war. In 123 Fällen seien Meldeverstöße festgestellt worden sowie 59 Auffälligkeiten, bei denen eine weitere Klärung erforderlich ist. Die Behörden stellten fünf Fälle mit Verdacht auf Fälschung eines Ausweisdokumentes fest.  

Die behördenübergreifenden Überprüfungen bestätigen laut Ministerium auch den Verdacht, dass Scheinarbeitgeber organisiert fingierte Arbeitsverträge ausschließlich erstellen, um die vermeintlichen Arbeitnehmer in das deutsche Sozialsystem zu schleusen und selbst hiervon zu profitieren. 

Hinweise auf Kindergeldbetrug und unrechtmäßigen Bezug von Bürgergeld

In der Folge wurde deshalb sofort eine Anschlusskontrolle vorgenommen, die Anhaltspunkte liefert für Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Aufgrund der in der Kontrollaktion gewonnenen Erkenntnisse werden von den verschiedenen zuständigen Behörden weitergehende Verfahren eingeleitet. 

Es gibt zudem mehrere Verdachtsfälle, die auf Kindergeldbetrug schließen lassen. Bei 28 Personen bestehen Hinweise für unrechtmäßigen Bürgergeldbezug. Hier werden die jeweiligen Leistungen durch die Fachbehörden überprüft und gegebenenfalls eingestellt. Zu konkreten Ergebnissen in Gelsenkirchen konnte die Polizei vor Ort auf Nachfrage der Redaktion am Sonntag noch keine Angaben machen. Gelsenkirchen geht, wie regelmäßig berichtet, schon seit Jahren regelmäßig gegen Missstände in Schrotthäusern und Sozialbetrug vor.

Ministerium will sich auch in Gelsenkirchen nicht von Sozialbetrügern auf der Nase herumtanzen lassen

Das Ministerium sieht „bestätigt, dass der Staat und die Kommunen es mit rücksichtslos agierenden Strukturen zu tun haben, die insbesondere Menschen aus Südosteuropa unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Zuwanderung nach Nordrhein-Westfalen motivieren. Es werden angemessene Arbeits- und Wohnverhältnisse versprochen, vor Ort ist jedoch weder das eine noch das andere gewährleistet.“

Ministerin Ina Scharrenbach wertet dies „nicht als Glocken zum Kirchgang“, sondern vielmehr als „Sirenen, weil es qualmt.“ Das gemeinsame Handeln von Land und Kommunen zeige, „dass wir uns von Sozialbetrügern und Ausbeutern nicht auf der Nase herumtanzen lassen.“ Die Mission „Aufpassen, aufklären, aufräumen“ werde fortgesetzt. Schließlich zeigten die Ergebnisse auch, dass es rechtliche Änderungen auf Bundesebene brauche, damit Menschen erst gar nicht „Ausbeutung und kriminellen Machenschaften“ ausgeliefert würden.

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Neben einer Vielzahl von kommunalen Behörden, wie Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht, Ordnungsamt, Gesundheitsamt, lokale Feuerwehr und Vollstreckungsstelle, waren an den Kontrollen auch Steuerfahndung, die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ der Zollverwaltung, Polizei sowie Ermittlungsstellen der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter und der Familienkassen beteiligt.