Gelsenkirchen. Gelsenkirchener klagen über zu kurze Öffnungszeiten oder weite Wege. Verantwortlicher berichtet von Vandalismus - und schlägt große Lösung vor.
„Stille Örtchen“ werden sie gerne genannt - doch der Ärger über öffentliche Toiletten, der ist zumeist ziemlich laut. Dass etwa die WC‘s am Josef-Büscher-Platz in Horst-Nord nur während der Öffnungszeiten des Wochenmarkts - mittwochs und samstags - zugänglich sind, sorgt schon lange für Unmut. An den übrigen Tagen ins Schloss Horst zu gehen, ist vielen zu umständlich. So groß ist die Not, dass sich maßgeblich Männer im nahen Gebüsch erleichtern. Seitdem das Grün gestutzt wurde, ist das freilich nicht mehr möglich - und die Verstimmung groß. In der Bezirksvertretung West sprach sich der für die Markt-Toiletten Verantwortliche nun für eine große Lösung aus.
Es war Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD), der das Thema als besonders dringlich auf die Tagesordnung der ersten Sitzung des Jahres gesetzt hatte. Er wollte zwar nicht Partei ergreifen für die „Wild-Pinkler“. Des Problems aber müssten sich Stadt und Politik sehr wohl annehmen, betonte er. „Es kann doch nicht sein, dass die Leute zur Bäckerei Sternemann oder zum Textilhaus Strickling ausweichen, wenn sie mal müssen und ihnen der Weg zur öffentlichen Toilette im Schloss Horst zu weit ist. Die Frage ist, ob die Anlage am Josef-Büscher-Platz nicht unabhängig vom Wochenmarkt dauerhaft werktags geöffnet werden könnte.“
Gelsenkirchener nutzte öffentliches WC für amouröse Abenteuer
Tatsächlich wäre das grundsätzlich möglich, teilte Özen Arslan vom städtischen Referat Liegenschaften mit. Jedoch sei bisher noch niemand Vertrauenswürdiges gefunden worden, dem der Schlüssel ausgehändigt werden könne. Es werde gerade geprüft, wer die Räumlichkeiten morgens und spätnachmittags oder abends auf- bzw. zuschließen könne.
Wie wichtig die Zuverlässigkeit der entsprechenden Person mit Schlüsselgewalt ist, darauf machte Dr. Siegbert Panteleit aufmerksam, bei Gelsendienste als Marktobermeister zuständig für die öffentlichen Toiletten auf den Wochen- und Feierabendmärkten. So habe es im Stadtnorden in der Vergangenheit zwei Fälle von Missbrauch gegeben: In einem Fall habe ein Verwandter der beauftragten Person den Schlüssel entwendet und die Toilette „für amouröse Abenteuer genutzt“. Und im zweiten Fall sei der Schlüssel nachgemacht worden, um Drogenabhängige auf dem öffentlichen WC übernachten zu lassen.
Gelsenkirchener Verantwortlicher mahnt: WC-Entwicklungsplan müsste mittelfristig neu aufgestellt werden

Der Standort Horst, erbaut in den 1950er Jahren, sei dabei nicht die einzige „Baustelle“ in Sachen Notdurft, stellte Panteleit klar. „Im Grunde müsste der 2015 verabschiedete gesamtstädtische Toiletten-Entwicklungsplan komplett überarbeitet werden.“ Der darauf basierende online zugängliche Flyer, für den Gelsenkirchen sämtliche öffentlichen WC‘s erfasst und kartiert hatte, sei nicht mehr aktuell, da einige Anlagen mittlerweile geschlossen seien. Andere wiederum seien sanierungsbedürftig. Kurz: Verwaltung und Politik müssten sich die Frage stellen, ob die sanitäre Infrastruktur in den Stadtteilen mittelfristig nicht auf den neuesten Stand gebracht werden müsse.
So seien etwa die öffentlichen Toiletten in Horst-Süd (Harthorststraße), Rotthausen (Karl-Meyer-Straße), Resser Mark (Im Emscherbruch) sowie in der Markthalle Buer geschlossen worden, etwa weil die Kooperationspartner der teils angemieteten Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Teils seien sie durch Toiletten-Container ersetzt worden, um an Markttagen sowie bei Stadtteilfesten einen Sanitär-Service anbieten zu können, wenn auch nur zu den jeweiligen Öffnungszeiten (Horst-Süd, Rotthausen, Buer-Mitte).
Einige öffentliche Toiletten in Gelsenkirchen stammen noch aus den 1950er Jahren

Während die 2012 eröffnete Anlage am Erler Marktplatz nach wie vor zu den modernsten im gesamten Stadtgebiet zähle, seien die öffentlichen WC‘s in Hassel an der Valentinstraße oder eben auch in Horst-Nord so sehr in die Jahre gekommen, dass eine Sanierung oder gar ein Neubau als „städtebauliche Lösung“ angezeigt seien, so Panteleit weiter.
„Die speziell für uns angefertigten Toiletten-Container sind eine gute Zwischenlösung, bis im städtischen Haushalt wieder mehr Geld zur Verfügung steht. Sie sind funktional, aber schön sind sie nicht“, erklärte er. Und: Sie sind eben nur zu bestimmten Zeiten geöffnet.
Nutzer der öffentlichen Toiletten stehlen nicht nur WC-Papier, sondern auch Klobrillen in Gelsenkirchen
Aber egal ob Sanierung oder Neubau: „Die Anlagen müssen auf jeden Fall vor Vandalismus geschützt werden.“ Die regelmäßig anfallenden Reparaturkosten seien immens. Summen von 10.000 Euro und mehr seien da keine Seltenheit, und das mitunter mehrmals im Jahr. „Es wird alles gestohlen, vom WC-Papier über die Papiertücher bis hin zu den Klobürsten“, berichtete Panteleit den fassungslosen Bezirksverordneten. „Immer wieder werden auch Waschbecken und Toilettentöpfe mit roher Gewalt aus den Wänden herausgerissen.“
Auch der Grad der Verschmutzung sei erheblich. „Nach spätestens drei Benutzungen sind die Toiletten versaut. Es ist wirklich schlimm.“ Bitter auch: Für die Dauer der Reparatur stünden die Anlagen dann nicht zur Verfügung. „Das sind mal zwei bis drei Tage, mitunter aber auch mehrere Monate oder - wie 2024 auf der Domplatte - ein halbes Jahr.“
Vorschlag: Angestelltes Reinigungs- und Überwachungspersonal könnte Vandalismus verhindern
Panteleits Vorschlag: Optimal sei es, wenn entsprechend beauftragtes Personal die Toiletten nicht nur reinige, sondern sie auch überwache. Entweder müsse man eben Geld für die Instandsetzung von beschädigten WC‘s einplanen - oder Personen anstellen, die durch ihre Präsenz dafür sorgten, dass es gar nicht erst zu Vandalismus und starker Verschmutzung komme.
Dem Vorschlag von FDP-Bezirksverordneten Thorsten Garbe, eine Kooperationsvereinbarung mit Gastronomen abzuschließen, damit sie gegen einen entsprechenden Obolus ihre Toiletten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (“nette Toilette“), erteilte Stadtbaurat Christoph Heidenreich in der Sitzung eine Absage. „Das funktioniert nicht, weil die Bereitschaft der Gastronomen fehlt.“
Während die Verwaltung also für Horst-Nord weiterhin nach einer vertrauenswürdigen Person für die Schlüsselgewalt sucht, mahnt Panteleit für die Gesamtstadt mittelfristig einen großen Wurf in Sachen öffentliche Toiletten an. „Dafür müsste die Politik allerdings Gelsendienste oder dem städtischen Referat für öffentliche Sicherheit einen Auftrag erteilen.“
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