Gelsenkirchen. Riesen-Hilfsbereitschaft in Gelsenkirchen: Tausende kommen, um dem schwer kranken Giuseppe zu helfen. Von dem Andrang erfährt er bewusst nichts.
Der Parkplatz ist voll, am Eingang zum Gelsenkirchener Sport-Paradies trennt sogar ein Flatterband die Schlangen der Menschen, die noch kommen oder wieder gehen. Für diesen nebligen und eiskalten Sonntag ist die Atmosphäre am Sport-Paradies auf jeden Fall ungewöhnlich, der Andrang geradezu unglaublich. Selbst gemalte Kinderbilder ergänzen die Hinweise auf den Wegweisern „Giuseppe möchte leben“, und der Strom der Menschen reißt nicht ab. Der Aufruf zur Typisierung für eine mögliche, passende Knochenmarkspende für den an Blutkrebs erkrankten Siebenjährigen hat ein Riesenecho hervorgerufen. Nach ersten Angaben der Organisatoren waren knapp 2500 Menschen gekommen, um sich registrieren zu lassen.
„Das ist ein Hammer“: Typisierungsaktion in Gelsenkirchen für den kleinen Giuseppe erzeugt Riesenecho
Der Tagungsraum im Obergeschoss des Sport-Paradies ist proppenvoll, schon am Eingang bremsen die Helferinnen und Helfer die Ankommenden, bis wieder ein Platz an den langen Tischreihen frei ist. „Jetzt vier“, oder „Moment noch“, heißt es, und im schnellen Takt geht es weiter. An den nicht eben wenigen Plätzen füllen die Freiwilligen einen Fragebogen zu Vorerkrankungen oder Risiken für eine Knochenmarkspende aus, dann zücken die 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Knochenmarkspenderzentrale Universitätsklinikum Düsseldorf (KMSZ) das Wattestäbchen und nehmen einen schnellen Abstrich von der Mundschleimhaut – schon fertig.

Um 12 Uhr ist die Aktion gestartet, und Giuseppes Vater Salvatore Mancuso bekommt das Staunen nicht aus dem Gesicht. „Schon eine Stunde später sollen bereits 500 Leute hier gewesen sein“, meint er nach einem Rundumblick. „Normal kommen schon einmal so etwa 700“, hätten die Eltern erfahren, „und 1200 sind schon richtig, richtig viel“. „Aber hier werden es eine Menge mehr sein, das ist ein Hammer“, ist auch Mutter Melanie völlig überrollt von dem Zuspruch.
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Wohl als Einziger der Familie weiß tatsächlich Giuseppe selber nicht, was hier und heute genau passiert. „Wir haben ihm erzählt, wir sammeln Spenden, mehr nicht“, erzählt Salvatore Mancuso, „dass er Blutkrebs hat und wir Spender für Stammzellen suchen und dann eine Therapie kommen würde, das nicht. Er ist schließlich erst sieben, das muss nicht sein.“
Hilfe für krebskranken Giuseppe: Die Familie setzt alle Hebel in Bewegung
Als klar wurde, dass es die Typisierung geben soll, hatte Familie Mancuso alle Hebel in Bewegung gesetzt. „Jeder hat jeden angehauen, ob er mithelfen kann und ob er noch Leute mitbringen kann“, berichtet Lina aus Gladbeck, eine Freundin der Tante von Giuseppe. Auch Schwägerin Maria ist völlig baff über das Echo. „Wir haben echt ganz tolle Freunde.“ Nach dem ersten Schock, als sich die Nachricht verbreitete, Giuseppe habe Leukämie, hätten sich alle regelrecht aufgerappelt. „Es war nicht die Frage, was können wir tun, wir mussten einfach etwas tun.“ Sie haben eine Whatsapp-Gruppe gegründet, und die wuchs umgehend auf 130 Personen an. Heute tragen alle Shirts oder Pullis mit dem Aufdruck „Giuseppe möchte leben“.
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Sogar den Kontakt zum Sport-Paradies habe man über Bekannte von Freunden bekommen. „Frank Hansch, der Leiter im Sport-Paradies, war unheimlich entgegenkommend und hat uns sofort unterstützt“, schicken sie dankbar hinterher. Giuseppes Vater weiß noch, „teilweise haben das 13.000 Leute online gesehen“. Die Helfer haben sogar eine zweite Schicht zur Ablösung zusammengestellt.
In Deutschland gibt es vier Millionen Spender
Die Knochenmarkspenderzentrale hat 30 Helferinnen und Helfer mitgebracht, die die Daten aufnehmen und die Abstriche machen, die Helfer der Familie haben außerdem ein regelrechtes Büffet mit Waffeln, Kaffee und Kuchen bestückt, um den Freiwilligen zu danken. Semra Kelepir von der KMSZ am Uniklinikum freut sich über den Andrang. 2000 Teststäbchen könnten es schon werden, schätzt sie optimistisch. Die Zahl der „Treffer“ könne dann etwa „bei drei bis fünf“ liegen, die für eine Knochenmarkspende für die Leukämie-Therapie infrage kämen.
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„Bei Kindern sind die Chancen für eine Therapie erfahrungsgemäß größer“, schildert sie. An dieser Stelle müsse dann die KMSZ allerdings auch einen Punkt setzen, denn vom Fortgang, also, ob eine Spende erfolgreich war, wisse man nichts. Auch Lilian Schnellmann, Leiterin der Knochenmarkspenderzentrale, umreißt den Rahmen. „In Deutschland gibt es vier Millionen registrierter Spender. Aber es gibt leider nicht nur günstige Gen-Merkmale, für die wir eher Spender finden.“ Die sogenannten HLA-Merkmale würden zentral gespeichert und auf einer Datenbank weltweit zur Verfügung gestellt. „Die Knochenmarksimplantate können dann rund um die Welt verschickt werden.“ 24 Organisationen sammeln in Deutschland die Gen-Daten.
Knochenmarksspenden weltweit möglich
Allerdings gebe es nicht überall auch nationale Sammlungen aus Typisierungen, etwa aus Syrien, wie man in jüngster Zeit erfahren musste. „Kinder haben schon bessere Chancen, natürlich abhängig von der Schwere der Erkrankung und dem Stadium“, macht Lilian Schnellmann Mut, „aber es ist immer ein langer, schwerer Weg“. Deshalb sei es wichtig, weiter über Typisierungen mögliche Spender zu finden. Aus einer Aktion, weiß sie, habe man auch schon Spender für mehrere Fälle gefunden.
„Wenn wir mit Aufklärungsaktionen an Schulen gehen, dann kennen die meisten jungen Menschen jemanden, der von Krebs betroffen ist. Aber nur wenige wissen etwas von den Möglichkeiten einer Knochenmarkspende.“ Die ist mit Erlaubnis der Eltern sogar schon ab 16 Jahren möglich, die Spende ab 18 und dann bis zum 55. Lebensjahr. Weitere Informationen unter kmsz.de