Gelsenkirchen. „Großteil“ der Kinder weiß sich bei Gefahr kaum zu helfen – wie diese Idee das ändern und von Gelsenkirchen in ganz Deutschland ankommen will.

Egal ob auf dem Weg zur Schule, auf dem Spielplatz oder generell im Alltag: Nicht selten geraten Kinder in Situationen, in denen sie sich unsicher fühlen oder schlicht die Hilfe und Unterstützung von Erwachsenen brauchen. Genau hier setzt nun eine neue Idee an, die von Gelsenkirchen aus in die ganze Republik getragen werden soll. Denn: „Wir stellen ganz häufig fest, dass das Gefahrenradar bei Kindern ganz anders gelagert ist“, weiß Mit-Ideengeber Denis Wieser. Der ehemalige Polizist, Gelsenkirchener, Geschäftsführer des Fitnessstudios „Limitless“ in Buer, steht als einer der Initiatoren an diesem Morgen in der Sporthalle der Förderschule Bergmannsglück in Hassel und wirkt sichtlich erleichtert. Der erste Schritt ist getan. Jetzt wollen sie durchstarten, für die Kinder und vor allem mit ihnen, um ihnen ganz niederschwellig zu helfen.

Von Gelsenkirchen in die Republik: Diese einzigartige Idee soll Kinder besser schützen

Um was geht es? Im Lauf der vergangenen Monate ist mit KiJuTe (Kinder, Jugend, Teilhabe) eine Organisation in Gelsenkirchen entstanden, die den Schutz, die Förderung und eben auch die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen weiter voranbringen und in einigen Fällen sogar erst ermöglichen möchte. Auf der Homepage von KiJuTe heißt es: „Durch ein altersgerechtes Kindersicherheitskonzept realisieren wir Projekte im schulischen und nachmittäglichen Bereich, schulen das Gefahrenradar, stärken die sozialen Kompetenzen und schaffen neue Sozialräume.“ Ganz praktisch handelt es sich bei dem Konzept um Sicherheitsschulungen und -Kurse, bei denen Kinder angeleitet werden, Gefahren zu erkennen und im Fall der Fälle richtig reagieren zu können.

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So wie in der Förderschule Bergmannsglück, wo der sechste Jahrgang an diesem Morgen einen ersten Einblick bekommt. Spielerisch geht es zu, die Stimmung ist gut und gelöst, da ist jedes Kind für den anderen da und dann lernen sie natürlich auch noch, einfach mal ganz laut „Stopp“ zu sagen. Sie erkunden, wie sich Erste Hilfe anfühlt, was bei einem Unfall zu tun ist. Ihre Anti-Gewalt-Trainerin Isabella Wieser, die Ehefrau von Denis Wieser, weicht dabei nicht von ihrer Seite.

An der Förderschule Bergmannsglück in Hassel haben Schulleiterin Jasmin Böhm (links) und Manuela Schneider, Geschäftsführerin der Kinderschutzallianz, jetzt einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Die Schule ist nun – neben vielen weiteren in Gelsenkirchen – ganz offizielle „Kinderschutzinsel“.
An der Förderschule Bergmannsglück in Hassel haben Schulleiterin Jasmin Böhm (links) und Manuela Schneider, Geschäftsführerin der Kinderschutzallianz, jetzt einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Die Schule ist nun – neben vielen weiteren in Gelsenkirchen – ganz offizielle „Kinderschutzinsel“. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Beteiligt an KiJuTe ist zudem ein weiteres, sicherlich vielen Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern bekanntes Gesicht: Der pensionierte Bezirksbeamte Horst „Hotte“ Storb. Er kann nicht nur aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Polizist seinen Teil beitragen, sondern vor allem auch als aktiver Trainer für Selbstbehauptung, der ganz direkt an die Schulen geht und dort vor allem Mädchen stark macht. Storbs Appell: „Wir müssen in den Kitas und den Schulen anfangen.“

Den wohl wichtigsten Baustein bei aller Arbeit mit den Kindern bilden die sogenannten „Kinderschutzinseln“, zu der an diesem Morgen auch die Bergmannsglück-Schule ganz offiziell gemacht wird. Was das genau bedeutet? Die Kinderschutzinseln sind das aktuelle Leuchtturm-Projekt der Kinderschutzallianz, die vom niedersächsischen Innenministerium getragen wird. Diese Inseln, sie sollen ein sicherer Ort für Kinder sein, ein Ort, zu dem sie sich hinwenden können, sollten sie sich unwohl, unsicher oder ängstlich fühlen. Die klare Botschaft: Hier wird ihnen geholfen.

„Wir müssen in den Kitas und Schulen anfangen“: Der pensionierte Bezirksbeamte und Anti-Gewalt-Trainer Horst „Hotte“ Storb wirkt ebenfalls bei dem Projekt mit.
„Wir müssen in den Kitas und Schulen anfangen“: Der pensionierte Bezirksbeamte und Anti-Gewalt-Trainer Horst „Hotte“ Storb wirkt ebenfalls bei dem Projekt mit. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Diese Kinderschutzinseln, es gibt knapp 60 von ihnen in Gelsenkirchen: Zum Beispiel im Lebenshilfe-Center an der Kurt-Schumacher-Straße oder in der Stadtteilbibliothek Buer an der Hochstraße oder bei den Gelsenkirchener Werkstätten an der Braukämperstraße – und darüber hinaus bieten noch zahlreiche weitere Geschäfte, Betriebe und sonstige Einrichtungen einen solchen Safe Space für die Kinder. Zu erkennen sind die Inseln an den weithin sichtbaren Aufklebern, die an Eingangstüren und Schaufenstern angebracht werden.

„Vielfach wissen sich Kinder in der realen Welt nicht mehr zu helfen“

Wichtig in diesem Zusammenhang: „Es muss nicht immer das Schlimmste wie etwa Gewalt oder Missbrauch passiert sein, warum Kinder das Angebot der Kinderschutzinsel in Anspruch nehmen können“, betont die Geschäftsführerin der Kinderschutzallianz, Michaela Schneider. Manchmal könnten es auch ganz alltägliche Herausforderungen sein – „vielfach wissen Kinder sich in der realen Welt gar nicht mehr zu helfen“, sagt Michaela Schneider ebenfalls.

Eine Beobachtung, die auch Denis Wieser gemacht hat: Ganz allgemein würden Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren zu einem „Großteil“ weder die Notrufnummer der Polizei noch die der Feuerwehr kennen. Insgesamt merke er, dass das zwischenmenschliche Verhalten gelitten habe. Warum? „Da kommt viel zusammen“, sagt Wieser, es sei eine Mischung aus den Folgen der Corona-Pandemie, aus Unwissenheit, aber auch ein Missverständnis: „Da verlässt sich leider oft der eine auf den anderen.“

„Leider verlässt sich der eine oft auf den anderen“: Denis Wieser ist eines der Gesichter hinter der Gelsenkirchener Organisation KiJuTe (Kinder, Jugend, Teilhabe).
„Leider verlässt sich der eine oft auf den anderen“: Denis Wieser ist eines der Gesichter hinter der Gelsenkirchener Organisation KiJuTe (Kinder, Jugend, Teilhabe). © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Genau diese Lücke wollen sie jetzt füllen – nicht nur mit den Kinderschutzinseln, sondern eben auch mit KiJuTe: Denn die Organisation bietet gleichsam auch eine Plattform für Schulungen für Lehrkräfte und Coaches an. Mit dieser Idee wollen sie von Gelsenkirchen in die Republik und eben auch dafür sorgen, dass ihr Netzwerk immer größer wird und die Möglichkeiten, Kinder zu schützen, vielfältiger werden. Das Angebot ist für die Einrichtungen kostenlos und ohne Verpflichtung. Auch eine Kinderschutzinsel zu sein, ist mit keinerlei Kosten verbunden.

Mit im Boot des großen Netzwerks sitzen verschiedene Bündnispartner, die ihre Stärken einsetzen und einen Beitrag leisten, um das Bündnis der Kinderschutzallianz zu stärken. Mit dabei ist demnach auch der Kreisverband Gelsenkirchen des Deutschen Roten Kreuzes, der die Prüfung und Einrichtung der Kinderschutzinseln in ganz NRW im Auftrag der Kinderschutzallianz übernimmt. KiJuTe ist verantwortlich für die deutschlandweite Durchführung der Kindersicherheitsschulungen in Kindergärten und Schulen und auch für die Qualifizierung und Zertifizierung von Personal in weiteren pädagogischen Einrichtungen als Multiplikatoren des Kinderschutzinsel-Projekts.

Die Marketing-Agentur „That’s it“ mit Sitz in Buer sorgt für das Social-Media-Marketing sowie die Erstellung von Foto- und Video-Inhalten für die Kinderschutzallianz. Um noch mehr Kinder zu erreichen und zu sensibilisieren, gibt es bei aller Arbeit von KiJuTe Unterstützung durch Maskottchen Basko, einem echten Polizeihund, der einst Denis Wiesers treuer Begleiter war und nun zu einem echten Comic-Helden geworden ist.

Weitere Informationen gibt es im Netz unter kijute.de und kinderschutzallianz.org .